Madrid

Snowden und 2000 Menschen in Spanien: Die Hologramm-Demonstranten kommen

Wie demonstriert man, wenn für die Teilnahme Verhaftung droht? Man lässt ein Bild von sich auflaufen. In Spanien gab es die erste Hologramm-Demonstration der Welt, die den Blick auf die befürchteten Folgen des spanischen „Knebel-Gesetzes“ lenken sollte.

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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Kreativer und sinnbildlicher kann Protest kaum sein: In Spanien hat ein breites Bündnis eine Geisterdemo veranstaltet – und damit ein Gespenst beschwört, das nach ihrer Ansicht Einzug zu halten droht: eingeschränkte Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Spanien. Sie unterstellen der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy, die Proteste gegen den Umgang mit der spanischen Finanzkrise so unterdrücken zu wollen.

Bis zu 600.000 Euro Strafe für eine Demonstration in der Nähe des Parlaments, bis zu zwölf Haft für Aufrufe zu Protest über das Internet, bis zu 30.000 Euro für das Fotografieren oder Filmen eines Polizisten: Wenn am 1. Juli in Spanien ein Gesetzesverschärfung in Kraft tritt, dann sieht darin nicht nur Spaniens Opposition eine gezielte Einschränkung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen haben ebenfalls ihre Bedenken gegen das Gesetz zur öffentlichen Sicherheit vorgebracht.

Gegen das Gesetzesbündel hatten im Dezember bereits in ganz Spanien Tausende demonstriert und sich symbolisch den Mund verbunden – das Gesetz läuft in Spanien vielfach unter dem Namen „Knebel-Gesetz“. Nun der nächste Schritt: Die von 100 Organisationen und Verbänden getragene Plattform „No somos delito“ („Wir sind kein Verbrechen“) veranstaltete eine Demo, bei der kein Teilnehmer körperlich anwesend war. Auf einer Seite hatte die Initiative zuvor darum geworben, eine Webcam zu nutzen und zum holografischen Teilnehmer zu werden.

2000 Menschen hatten sich nach Angaben der Initiative so eingebracht, Freiwillige hatten die Bilder dann zusammengeschnitten für die einstündige Hologrammdemo vor dem spanischen Parlament, an „kritischer Infrastruktur“. In Deutschland wird die Versammlungsfreiheit im Umfeld von Bundestagen und Landtagen durch die „befriedeten Bezirke“ („Bannmeile“) eingeschränkt: Demonstrationen werden dann zugelassen, wenn eine Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs ausgeschlossen ist.

Initiativen-Sprecher Carlos Escano zur Tageszeitung El Pais: „Bei den Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist es die letzte Möglichkeit, Hologramme für sich protestieren zu lassen.“ Die Initiative verweist auch darauf, dass die Sorge um die Sicherheit bei der spanischen Bevölkerung nicht vordringlich ist: Wirtschaftliche Situation, Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Korruption seien Dinge, die die Menschen viel mehr beschäftigten.

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Nur ein paar Tage zuvor wurde Edward Snowden im New Yorker Stadtteil Brooklyn zum Spuk für die Behörden: Nachdem eine heimlich auf einen Denkmalsockel gestellte Büsten eilig entfernt worden war, projizierte eine Künstlergruppe sein Hologramm auf Staub und Asche, die sie über dem Sockel in die Luft warfen:

Projektionen als „Waffe“ für Demonstrationen gab es in der jüngeren Vergangenheit mehrfach: 2013 etwa hatte der Düsseldorfer Künstler Oliver Bienkowski weltweit mit einer Lichtattacke Aufsehen erregt. Im Auftrag des Internetunternehmers Kim „Dotcom“ Schmitz warf er im Zuge der Snowden-Enthüllungen „United States of Stasi“ auf das Gebäude der Berliner US-Botschaft. Bienkowski projizierte 2014 dann auch „Du sollst nicht stehlen“ und das Bild von Tebartz-van Elst auf den Limburger Dom.