Washington

Schüsse in Pizzeria – US-Bürger fällt auf irrwitzige Verschwörungstheorie herein

Wie aus „Fake-News“ blutiger Ernst wird, zeigt das Beispiel „Pizzagate“ in USA
Wie aus „Fake-News“ blutiger Ernst wird, zeigt das Beispiel „Pizzagate“ in USA Foto: dpa

Als Folge einer Verschwörungstheorie im US-Wahlkampf hat ein Mann in einer Pizzeria in der Hauptstadt Washington das Feuer eröffnet. Er bedrohte am Sonntag einen Angestellten, der aber fliehen konnte, wie die Polizei mitteilte. Anschließend gab der Verdächtige mindestens einen Schuss ab. Verletzt wurde niemand. Der 28-Jährige wurde festgenommen.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von unserem USA-Korrespondenten Thomas J. Spang

Edgar Maddison Welch sah sich auf einer gerechten Mission, als er das „Comet Ping Pong“ im Nordwesten der amerikanischen Hauptstadt betrat. Bis an die Zähne bewaffnet drang der 28-jährige Mann aus North Carolina in die Küche der Pizzeria vor. Irgendwo dort vermutete er die Eingänge zu einem geheimen Tunnelsystem, in dem Kinder gefangen und misshandelt würden.

Direkter Zusammenhang mit Trumps Sicherheitsberater

So behauptet es eine Geschichte, die seit Wochen im Internet kursiert. Während des Wahlkampfs verlieh ihr Donald Trumps designierter Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn Glaubwürdigkeit, indem er die „Pizza-Gate“-Gerüchte auf seinem Twitter-Konto schürte. Am 3. November verbreitete er die Story mit dem Kommentar „U Decide“ (dt. Sie entscheiden).

Eigentlich gab es da nicht viel zu entscheiden. Denn die Räuberpistole über einen angeblichen Kinderporno-Ring Hillary Clintons, deren Helfershelfer diesen aus dem beliebten Restaurant betrieben, war genau das: Frei erfunden.

Die „Fake“-News-Geschichte entwickelte ein Eigenleben, das über den Wahltag hinausreichte und immer neue Facetten produzierte. Darunter die Behauptung, die Opfer des Rings darbten in einem versteckten Netz aus Tunnels unter der Pizzeria.

Aus einem lauen Gerücht wurde ein Sturm

Der Besitzer des Comet Ping Pong erhielt persönliche Drohungen. Je weiter die „Fake-News“-Geschichte ausuferte, desto mehr Personen fanden sich im Visier der Trolle wieder. Vergangene Woche erhielten auch benachbarte Geschäftsleute Drohtelefonate. Matt Carr vom „Little Red Fox“-Kaffeeladen zählte 40 Anrufe an einem einzigen Tag. Carr fürchtete, es sei nur eine Frage der Zeit, wann aus den Worten, Taten würden.

Am Wochenende war es dann soweit. Der schwer bewaffnete Welch bedrohte einen Angestellten und drang in den hinteren Teil des Lokals vor. Die rund 90 Gäste und die Bedienung flüchteten. Die herbeigerufene Polizei riegelte das Ausgehviertel ab. Nach 45 Minuten gab Welch auf. Er kam mit erhobenen Händen aus der Pizzeria und legt sich auf den Boden. Die Polizei nahm ihn widerstandslos fest.

Glück im Unglück: Der Täter gab gleich auf

Dass alle mit dem Schrecken davonkamen, war der bestmögliche Ausgang eines Dramas, dessen Ende ein blutiges hätte werden können. In jedem Fall heizt es die Diskussion um die Konsequenzen der „Fake“-News-Epidemie in den sozialen Medien weiter an.

Nicht wenige Analysten glauben, die massenhafte Verbreitung zu Gunsten Donald Trumps manipulierter oder frei erfundener Geschichten in den sozialen Medien habe zu dessen Wahlsieg beigetragen.