RZ-Interview mit JU-Chef Mißfelder: Grüne auf jeder Demo gegen Regierung dabei

Berlin. Die Union hat ein Problem: Mit der FDP hat sie derzeit bei Umfragen keine Mehrheit mehr. Doch die grünen Höhenflieger gehen gegen Schwarz-Gelb auf die Straße. Deshalb kommen sie als Koalitionspartner nicht infrage, meint der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, im Interview mit unserer Zeitung.

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Berlin. Die Union hat ein Problem: Mit der FDP hat sie derzeit bei Umfragen keine Mehrheit mehr. Doch die grünen Höhenflieger gehen gegen Schwarz-Gelb auf die Straße. Deshalb kommen sie als Koalitionspartner nicht infrage, meint der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, im Interview mit der Rhein-Zeitung.

Die Grünen befinden sich auf einem Höhenflug. Haben Sie schon mit Ihrem künftigen Koalitionspartner Kontakt aufgenommen?

Nein. Wir haben ganz normale Kontakte. Aber leider müssen wir feststellen, dass die Grünen, mit denen wir früher gut zusammengearbeitet haben, heute nicht mehr in Verantwortung sind. Das waren Joschka Fischer, Matthias Berninger, Anna Lührmann. Auf sie konnten wir uns in gewisser Weise verlassen. Die heutige Grünen-Spitze um Claudia Roth und Jürgen Trittin ist auf fast jeder Demonstration vertreten, die sich gegen die Bundesregierung richtet.

Keine Chance für Schwarz-Grün?

Nein. Ich bin der Meinung, dass sich die Grünen leider in die falsche Richtung entwickelt haben. Die grünen Wähler sind bürgerlicher geworden, die Partei nicht.

Sind das aber nicht die konservativen Wähler, die der CDU abhanden gekommen sind?

Wir verstehen unter konservativ, nicht links zu sein. Diese Auseinandersetzung führen wir sehr engagiert und mit bürgerlichen Werten. Diese Werte erleben in der Jugend eine Renaissance. Das ist ein Spektrum, das wir nicht außer acht lassen dürfen.

Verkörpert Angela Merkel noch das Konservative in der CDU?

Der Kanzlerbonus ist so groß, dass Angela Merkel das gesamte Spektrum als Parteichefin abdeckt. Sie muss sich aber keinem der Flügel zuordnen. Mit der Absage an die Präimplantations-Diagnostik hat sie ein klares Bekenntnis zu den christlich-konservativen Werten in der CDU abgegeben. Damit hat sie sehr vielen Mitgliedern aus der Seele gesprochen.

Ist Karl-Theodor zu Guttenberg eine stärkere Identifikationsfigur für die Konservativen?

Er bietet zweifellos eine starke Identifikationsmöglichkeit, aber er ist nicht CDU-Mitglied. In der CDU nehmen wir als Junge Union in Anspruch, dieser neuen Form der Bürgerlichkeit und der Wiederbelebung traditioneller Werte eine Stimme zu geben.

Derzeit laufen der CDU nicht nur konservative Wähler weg. Schwarz-Gelb hat bei Umfragen keine Mehrheit mehr, obwohl die Wirtschaft brummt. Was läuft schief?

Wir haben in den ersten zwölf Monaten so viel in der Koalition gestritten, dass das unsere Erfolge überschattet hat. Manche Minister reden intern zu wenig miteinander, um dann später einen Streit in der Öffentlichkeit auszutragen. Ich plädiere ür eine neue Geschlossenheit. Wir müssen zusammen mit der FDP die Gemeinsamkeiten in der Regierung betonen.

Der Streit geht aber weiter. Jetzt ist Schwarz-Gelb uneins, was mit den zusätzlichen Steuereinnahmen geschehen soll. Was meinen Sie?

Ich war im CDU-Präsidium einer von zweien, die dagegen waren, im Wahlkampf Steuersenkungen zu versprechen. Das ist Teil der Generationengerechtigkeit: Wir müssen die Schulden begrenzen. Ein probates Mittel dafür ist Sparsamkeit. Deshalb halte ich Steuersenkungen nicht für möglich.

Besonders die junge Generation stöhnt über hohe Sozialbeiträge. Ist Entlastung in Sicht?

Das hängt von der Lage am Arbeitsmarkt ab. Wenn der sich weiter so positiv wie jetzt entwickelt, dann entstehen beim Arbeitslosenbeitrag sicherlich Spielräume. Allerdings: Bei Gesundheit, Pflege und Rente werden die Spielräume immer kleiner. Ich warne seit Jahren davor, dass die junge Generation übermäßig stark belastet wird. Viele laufen leider ohne Eigenvorsorge blind in die Demografie-Falle hinein. Deshalb brauchen wir mehr Eigenvorsorge.

Viele Junge haben dafür aber kein Geld. Wo soll es herkommen?

Zum Teil ist das eine Frage der richtigen Schwerpunktsetzung. Schon mit kleinen Beiträgen, verbunden mit einer staatlichen Förderung etwa der Riester-Rente, lässt sich ein großer Effekt erzielen. Wer allerdings erst mit 50 mit der Vorsorge beginnt, für den wird es teuer.

Müssen die Nettolöhne nicht schlichtweg höher sein?

Wenn sich der demografische Faktor erst einmal auf dem Arbeitsmarkt durchgeschlagen hat, es also weniger Arbeitskräfte gibt, dann können viele junge Menschen ihre gesuchten, guten Qualifikationen auf dem Markt anbieten und dafür auch entsprechende Löhne verlangen. Ich bin sehr optimistisch, dass das gelingen wird. Das ist das beste Rezept gegen Altersarmut.

Schon heute gibt es Altersarmut. 60 Prozent der 60- bis 64-Jährigen haben keinen Job. Ist die Rente mit 67 da noch haltbar?

Die Rente mit 67 ist unumgänglich, weil die Lebenserwartung deutlich steigen wird. Das muss sich auch auf die Lebensarbeitszeit auswirken. Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ist ein Qualifiaktions- und auch ein Mentalitätsproblem. Ich finde es erstaunlich, dass die Wirtschaft mehr Zuwanderung fordert. Offenbar sind zahlreiche Firmen noch nicht einmal in der Lage, das vorhandene Fachkräftepotenzial zu nutzen. Sie sollten mehr Energie in die Fortbildung älterer Arbeitnehmer setzen und ihnen auch eine Chance geben. Konzerne, die jetzt über Fachkräftemangel klagen, sollten sich die Frage stellen, warum sie in den vergangenen Jahren so wenig ausgebildet haben.

Also Deutsche zuerst, dann die Zuwanderer?

Auf diese Formel würde ich es nicht bringen. Wir sollten erst das Potenzial im eigenen Land nutzen. Ich bin für ein Punktesystem für Arbeitskräfte aus dem Ausland. Aber die Einkommensgrenzen sollten nicht abgesenkt werden, wie es die Wirtschaft fordert. Ich hätte sogar nichts gegen eine höhere Grenze. Wir müssen klarmachen: Wer zu uns kommt und uns nützt, ist herzlich willkommen. Derjenige, der Probleme bereitet, ist es nicht.

Ist Schwarz-Gelb im Bund noch zu halten, wenn Sie in Baden-Württemberg verlieren?

Schwarz-Gelb wird bis 2013 halten. Wir wollen und werden Baden-Württemberg gewinnen. Attraktiv wird eine Partei nicht dadurch, dass sie darüber redet, was sie im Fall einer Niederlage macht. Gerhard Schröder hat 2005 nach der Niederlage in NRW die Nerven verloren. Die CDU ist nervenstärker.

Das Gespräch führte Christian Kunst