Wittenberg

Reformationsfest in Wittenberg: Feiern, Drängeln und Protest am Ursprungsort

Von hier aus veränderte Martin Luther vor 500 Jahren die Welt. Dort, wo er am 31. Oktober 1517 mutig seine 95 Thesen an die Kirche schlug, feiern nun Menschen aus aller Welt. Es gibt aber auch Unmut.

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Das Denkmal für den Reformator Martin Luther ist neben dem Turm der Stadtkirche auf dem Markt in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) zu sehen.

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Der Thomanerchor Leipzig kommt am 31. Oktober 2017 in Lutherstadt Wittenberg zum Festakt des 500. Jahrestag des Beginns der Reformation

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Altbundespräsident Joachim Gauck und Nikola Eterovic, Kurienerzbischof der römisch-katholischen Kirche und Diplomat des Heiligen Stuhls in der Schlosskirche zu Wittenberg.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender treffen zum Festakt des 500. Jahrestag des Beginns der Reformation in Witterberg ein.

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Altbundespräsident Joachim Gauck in Wittenberg.

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Eine Figur der Giordano- Bruno- Stiftung die einen nackten Luther darstellen soll der in seinem Mantel den Schriftzug „Luthers Ratschläge gegen die Juden … hat Hitler genau ausgeführt.“ trägt, steht unweit der Schlosskirche zu Wittenberg.

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Gabriele Haseloff, Sachsen Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), der EKD Ratsvorsitzende Heinrich Bedford- Strohm, Elke Büdenbender und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nehmen am Festgottesdienst in der Schlosskirche teil.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel

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Der Reformator Martin Luther soll der Überlieferung nach am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an diese Tür der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen haben.

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Himmel und Menschen in Wittenberg, dem Ursprungsort der Reformation: Es herrscht höchste Sicherheitsstufe in der Lutherstadt. Zehntausende Besucher aus der ganzen Welt wollen am Dienstag hautnah dabei sein, als sich der überlieferte Thesenanschlag des Theologen Martin Luther (1483-1546) an die Tür der Schlosskirche auf den Tag genau zum 500. Mal jährt. Rund 1000 Polizisten sichern die Feierlichkeiten ab, Hubschrauber kreisen über der Stadt mit rund 50 000 Einwohnern. Mit festlichen Gottesdiensten, Kultur und Mittelaltermarkt wird der Abschluss des Festjahres „500 Jahre Reformation 2017“ gefeiert.

„Das erlebt man aber nicht noch einmal“, sagt eine Besucherin aus Berlin, die sich an dem – einmalig bundesweiten – Feiertag auf den Weg in die Kleinstadt gemacht hat. „Und wegen der Prominenten, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt“, pflichtet ihr ein älterer Mann bei. Eine Gruppe junger Leute kam sogar zu Fuß aus dem fernen Minden an den Ursprungsort der Reformation.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Wolfgang Schäuble, Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU), Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und internationale Gäste nehmen am Festgottesdienst in der Schlosskirche und später am Festakt teil. Auf Abstand vom Volk, das sich hinter den Absperrgittern drängt, winken Steinmeier und Merkel den Menschen vor der Thesentür den Menschen zu.

Neben Beifall für die Kanzlerin gibt es Sprechchöre mit „Merkel muss weg“ und Buh-Rufe, übertönt vom Geläut der Kirchenglocken. Für Unmut und Drängeleien sorgen indes bei Hunderten Schaulustigen vor allem Absperrgitter und weiträumige Umleitungen – trotz des Verständnisses für die Sicherheitsvorkehrungen angesichts der Festnahme eines Terrorverdächtigen am selben Tag in Schwerin.

In der Schlosskirche bekennt der Schauspieler und Luther-Darsteller Devid Striesow zu Beginn des Festgottesdienstes: „Ich konnte den rechten Gott einfach nicht lieben, der straft die Sünder. Gott lieben? Nein, ich hasste ihn. Ich hasste ihn wirklich.“ Nachdem der Reformator Luther aus Sicht von Kritikern die Kirche gespalten hatte, setzten Kirchenvertreter 2017 Zeichen der Ökumene.

Heinrich Bedford-Strohm als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betont, man habe die Reformation nicht als Abgrenzung gefeiert, sondern im Zeichen der Versöhnung. Die Reformation sei ein „Akt der Befreiung“ für Luther selbst, die Kirche und die Welt gewesen. „Wir haben nicht gegeneinander gefeiert, sondern miteinander“, betont auch die Luther-Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann.

Gemeinsam mit dem obersten deutschen Katholiken Reinhard Marx übergibt Bedford-Strohm im Festgottesdienst ein Kreuz an Bundespräsident Steinmeier. Es sei das Versprechen, sich als Christen einzubringen in die Gesellschaft und mitzuhelfen, dass Friede, Versöhnung und Gerechtigkeit da seien, sagt Marx.

Am anderen Ende der Stadt, wo Luther Jahrzehnte gewohnt und als Universitätsprofessor gelehrt hat, gibt es bei nasskaltem Wetter unter freiem Himmel „den Gottesdienst für die richtigen Christen“, wie Pfarrerin Kathrin Oxen unter dem Beifall Hunderter Besucher sagt.

Der Theologe und Friedenspreisträger Friedrich Schorlemmer sagt: „Luther wollte die Macht der Argumente und nicht die Argumente der Macht.“ Der Ex-DDR-Bürgerrechtler ruft die Menschen dazu auf, mehr füreinander einzustehen und keine faulen Kompromisse einzugehen.

Bund, Land und Kirche hatten für das Reformationsjubiläum, das zehn Jahre vorbereitet wurde, Millionenbeträge ausgegeben, für die Sanierung der Lutherstätten und -städte, Ausstellungen. Auf der Wartburg in Eisenach widmete sich die Ausstellung „Luther und die Deutschen“ anhand von 300 Exponaten der bis heute spannungsgeladenen Auseinandersetzungen mit dem Mönch, Reformator und Kirchenspalter, dem Sprachschöpfer, Judenfeind und Nationalhelden Luther. Auf der Wartburg übersetzte er 1521/22 das Neue Testament ins Deutsche.

Dennoch: Ostdeutschland und Wittenberg gelten heute als die Regionen mit den wenigsten Kirchenmitgliedern in Deutschland.

Einmalig ist der Reformationstag im Jubiläumsjahr bundesweit ein Feiertag. In Wittenberg nutzen ihn viele Menschen auch zum Shoppen. Manch einer nimmt sich seinen Reformator mit nach Hause – in Form von Bier mit Luther-Etikett, Socken mit Luther-Konterfei oder Luther-Figuren aus Plastik.

Von Petra Buch (dpa)