Warschau

Polen will nach Sieg Komorowskis Reformen angehen

Der neue polnische Präsident Bronislaw Komorowski will die Modernisierung seines Landes vorantreiben und außenpolitisch Brücken nach Ost und West schlagen.

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Nach einer dramatischen Wahlnacht kam Komorowski laut offiziellem Endergebnis auf gut 53 Prozent der Stimmen, wie die staatliche Wahlkommission am Montag mitteilte. Sein national-konservativer Herausforderer Jaroslaw Kaczynski, Zwillingsbruder des tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski, erhielt knapp 47 Prozent. Gegen Mitternacht hatte er einmal kurz vorn gelegen.

Außenminister Guido Westerwelle begrüßte den Sieg Komorowskis als «starkes pro-europäisches Signal». Der neue Bundespräsident Christian Wulff und dessen französischer Amtskollege Nicolas Sarkozy gratulierten. Wulff will bereits Anfang kommender Woche nach Warschau reisen. Beide Staatsoberhäupter wollen ihre fast gleichzeitig beginnenden Amtszeiten zur Stärkung der deutsch-polnischen Beziehungen nutzen. Russland sprach von einer Chance zur weiteren Aussöhnung mit Polen. Als Ziele seiner ersten Auslandsreisen nannte Komorowski Brüssel, Paris und Berlin. Die Vereidigung ist für Anfang August geplant.

Komorowski war von der liberal-konservativen Regierungspartei Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk aufgestellt worden. Mit Kaczynski als Präsidenten hätte Tusk Schwierigkeiten gehabt, seinen pro-europäischen Reformkurs durchzusetzen.

Nun kündigte der Chef der PO-Parlamentsfraktion, Grzegorz Schetyna, an, die Regierung werde bald einen Plan für die kommenden eineinhalb Jahre vorlegen. Er nannte Reformen des Gesundheitswesens und des Rentensystems sowie die Konsolidierung der Finanzen als Hauptziele.

Das polnische Staatsoberhaupt hat mehr Kompetenzen als der deutsche Bundespräsident, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. In der Amtszeit von Lech Kaczynski war es immer wieder zu Kompetenzenstreitigkeiten mit der Regierung gekommen, worunter vor allem die Reformvorhaben litten. Die Regierung erhofft sich nun mehr Spielraum bei der Modernisierung des Landes.

Die dramatische Entwicklung in der Nacht, als Kaczynski nach dem frühen Eingeständnis seiner Niederlage plötzlich wieder vorn lag, erklärte ein Sprecher der Wahlkommission mit Zahlen aus kleineren ländlichen Wahlkreisen. Dort sei die Zustimmung für Kaczynski am stärksten.

Komorowski siegte in allen Großstädten, er erhielt in Danzig 68 Prozent der Stimmen, in Breslau 65 und in Warschau 64 Prozent. Seine Wähler leben vorwiegend im Westen und Norden des Landes. Kaczynski bekam die meisten Stimmen in den ländlichen Gebieten im Osten und Süden Polens.

Im Wahlkampf hatte Komorowski vor allem auf die Wirtschaftserfolge der Regierung gesetzt. Polen war 2009 das einzige EU-Land mit Wirtschaftswachstum. Komorowski präsentierte sich zudem als Mann des Ausgleichs, der eine gute Zusammenarbeit von Präsidentenamt und Regierung gewährleisten könne.

Westerwelle kündigte eine noch engere Zusammenarbeit im Rahmen des sogenannten Weimarer Dreiecks an, das Deutschland und Polen mit Frankreich verbindet. «Mit Präsident Komorowski werden wir genauso wie mit Premierminister Donald Tusk und Außenminister Radoslaw Sikorski einen starken Partner für diesen Kurs des Vertrauens und der Zusammenarbeit haben», erklärte Westerwelle.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hofft nach der Wahl Komorowskis auf eine konstruktive Politik Polens in Europa. «Ich bin sicher, dass Polen unter Ihrer Präsidentschaft innerhalb der EU noch stärker prosperieren und weiterhin eine positive Kraft für die demokratische Entwicklung Europas sein wird», heißt es im Glückwunschschreiben Barrosos.

Kremlchef Dmitri Medwedew gratulierte Komorowski telefonisch. Russland sei bereit, sich gemeinsam mit Polen um den Aufbau partnerschaftlicher Beziehungen zu bemühen. Es gehe darum, Schwierigkeiten zu überwinden und eine gute Nachbarschaft aufzubauen, teilte die Kanzlei des Präsidenten in Moskau mit.

Der frühere Präsident Lech Kaczynski war am 10. April zusammen mit seiner Frau Maria und 94 hochrangigen Politikern, Militärs und Geistlichen bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen. Der kurze Wahlkampf stand ganz im Zeichen der Trauer um die Toten der Absturzkatastrophe.

Jaroslaw Kaczynski trat für seinen toten Zwillingsbruder als Kandidat an, um «dessen Mission zu vollenden». Zunächst ein Außenseiter, holte er, getragen von der starken Sympathiewelle für seinen Bruder, immer mehr auf. Als Präsidentenbewerber zeigte sich Kaczynski wie verwandelt: Der als Scharfmacher bekannte Ex- Ministerpräsident sprach von Dialog und Kompromiss statt von Konfrontation.

Staatliche Wahlkommission