Norbert Neuser: Wettbewerb kann nicht alles sein
Ein Gastbeitrag von Norbert Neuser, Europa-Abgeordneter der SPD
Als Abgeordneter im Europäischen Parlament vertrete ich die Interessen von Rheinland-Pfalz. Daher ärgert es mich sehr, dass das EU-Parlament nur einen sehr begrenzten Einfluss hat. Ein aktuelles Beispiel sind die kürzlich beschlossenen Luftverkehrsleitlinien, die besonders die Flughäfen Hahn und Zweibrücken betreffen. Bewohner, Beschäftigte wie auch Unternehmen rund um die beiden Flughäfen hatten leider wenig Mitspracherecht: Es gab lediglich in einem Konsultationsprozess die Möglichkeit, die Positionen gegenüber der EU-Kommission darzustellen. Sowohl die rheinland- pfälzische Landesregierung, als auch viele Kommunalpolitiker, Unternehmen und Wirtschaftsverbände aus den betroffenen Regionen haben sich gemeinsam eingesetzt. Trotz des beachtlichen Engagements ist es ernüchternd zu erfahren, wie die Europäische Kommission letztlich weitgehend autonom die Entscheidungen zur Luftverkehrsleitlinie getroffen hat – welche Argumente sie berücksichtigte und welche nicht.
Wettbewerbskommissar spielt wichtige Rolle
Dieses Verfahren hat erhebliche Demokratiedefizite: Es besteht die Gefahr, dass einseitig Wettbewerbsaspekte den Abwägungsprozess bestimmen. Andere Politikziele rücken in den Hintergrund: soziale Daseinsvorsorge, kommunale Selbstverwaltung, Förderung und Entwicklung benachteiligter Regionen und die Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen. Welche Nachteile sich daraus ergeben, ist nicht nur in Rheinland-Pfalz spürbar. Die strukturpolitischen Bemühungen für eine stabile Entwicklung der Flughäfen Hahn und Zweibrücken sowie der zukünftigen Nutzung des Nürburgrings haben auch bundesweite Auswirkungen. Die Angriffe des Wettbewerbskommissars gegen die Ökostromrabatte sind ein Beispiel dafür, wie stark auch die Bundesregierung betroffen ist. Wirtschaftsminister Gabriel und auch Bundeskanzlerin Merkel müssen daher gegenüber dem Wettbewerbskommissar die besondere Situation der energieintensiven deutschen Unternehmen deutlich machen.
Positiv ist: Die Luftverkehrsleitlinien erkennen die Bedeutung der regionalen Flughäfen für das Zusammenwachsen von Regionen und als Motor für Regionalentwicklung an. Die EU-Kommission ist bereit, Betriebsbeihilfen zur Deckung von Finanzierungslücken und Investitionsbeihilfen an den Flughäfen Hahn und Zweibrücken zu akzeptieren. Zudem stimmt es mich hoffnungsvoll, dass in den Leitlinien ein Weg aufgezeigt wird, wie zum großen Teil schon Jahre laufende Prüfverfahren sachgerecht beendet werden können. Dafür hat sich die Landesregierung erfolgreich eingesetzt. Für Rheinland-Pfalz besteht die berechtigte Aussicht, dass die finanzielle Belastung für die Flughäfen Hahn und Zweibrücken durch das Beihilfeverfahren beseitigt werden kann.
Auf individuelle Situation eingehen
Ich finde es aber bedenklich, dass Dauer und Umfang möglicher Betriebsbeihilfen starren Regeln und Quoten unterworfen werden. Diese Einschränkungen erschweren es, auf die individuelle Situation der Flughäfen angemessen einzugehen. Die Flughäfen Hahn und Zweibrücken müssen daher erhebliche Anstrengungen unternehmen, um binnen zehn Jahren ohne Betriebsbeihilfen auszukommen. Auch das generelle Verbot für Anlaufbeihilfen zugunsten von Fluggesellschaften kritisiere ich. Diese wollen ein bestehendes Streckennetz substanziell erweitern. Für Rheinland-Pfalz und benachbarte Regionen ist es wichtig, dass man gut mit anderen Gebieten der Europäischen Union über den Luftverkehr vernetzt ist.
Ich bin davon überzeugt, dass sich die Landesregierung von Rheinland-Pfalz wie bisher engagiert gegenüber der EU-Kommission und dem Wettbewerbskommissar für die Interessen der Menschen in den betroffenen Regionen im Hunsrück, in der Eifel und in der Westpfalz einsetzt.