Kiew

„Nicht zu stoppen“: Kiew verliert die Halbinsel Krim

Die selbst ernannte Führung der Halbinsel Krim hält unbeirrt an ihrem Moskau- Kurs fest. Foto: Yuri Kochetkov 
Die selbst ernannte Führung der Halbinsel Krim hält unbeirrt an ihrem Moskau- Kurs fest. Foto: Yuri Kochetkov 

Es wirkt wie ein Kampf gegen Windmühlen. In der Krim-Krise reist der ukrainische Regierungschef Jazenjuk durch die Welt und holt sich die Unterstützung der Mächtigen. Aber die prorussische Führung auf der Krim treibt die Abspaltung von Kiew unbeeindruckt voran.

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Von Andreas Stein und Benedikt von Imhoff (dpa)

Mit Zuckerbrot und Peitsche versucht die neue ukrainische Regierung verzweifelt, die Abspaltung der Krim in letzter Sekunde doch noch zu verhindern. „Wir werden uns niemals geschlagen geben“, sagt Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kämpferisch. Im Weißen Haus empfängt die erste Riege der US-Politik den 39-Jährigen: Präsident Barack Obama, sein Vize Joe Biden und Außenminister John Kerry zeigen demonstrativ Unterstützung für den prowestlichen Kurs der Führung in Kiew.

Niemand spricht von Krieg

Das Referendum am 16. März über einen Beitritt zu Russland sei illegal, betonen die mächtigenSpitzenpolitiker und drohen Moskau mit Sanktionen. Aber von Krieg spricht niemand.

Zugleich müht sich Jazenjuk, der in Washington ohne Dolmetscher klar kommt, um ein letztes Angebot an die nach Russland strebende Krim. Aus fast 8500 Kilometern Entfernung wirbt der Gefolgsmann von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko mit Nachdruck für einen Dialog über weitreichende Zugeständnisse. Aber wirklich viel in der Hand hat er nicht angesichts leerer Kassen und chaotischer Zustände im prorussischen Osten des Landes. Und auch Präsidentschaftskandidatin Timoschenko ist wegen ihrer Behandlung in Berlin nur Zuschauerin.

Vage Aussagen

So bleibt Jazenjuk vage. Die Steuern könnten verhandelt werden, die die Krim nicht mehr an Kiew abführen will. Oder Russisch wieder zur Amtssprache werden – dass das ukrainische Parlament ein solches Gesetz abgeschafft hatte, gilt als einer der Auslöser für die massiven Sezessionsbestrebungen auf der Halbinsel.

Durchhalteparole

„Die Krim ist, bleibt und wird immer ukrainisch sein“, beschwört zwar Interimspräsident Alexander Turtschinow in Kiew den Zusammenhalt der Ex-Sowjetrepublik. Doch es wirkt wie eine Durchhalteparole. Klar ist: Die ukrainische Führung hat überhaupt keine Kontrolle mehr über die Krim. Ohnmächtig muss sie zusehen, wie trotz eines Einreiseverbots der frühere Krim-Präsident Juri Meschkow auf der Halbinsel eintrifft. Seine Anhänger sehen in ihm noch heute den legitimen Chef. Prompt gilt Meschkow als möglicher neuer Gouverneur von Russlands Gnaden.

Zudem sind die wichtigsten Einrichtungen sowie die Kasernen der ukrainischen Armee von Bewaffneten in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen umstellt. „Grüne Männchen“ nennen die Einwohner die Männer, bei denen es sich vermutlich um russische Soldaten handelt.

„Dampfwalze, die abwärts schießt“

Mit jedem Tag treibt die Führung in Simferopol die Abspaltung einen Tick weiter. Die Situation erinnere an eine „Dampfwalze, die abwärts schießt“, meint der russische Analyst Georgi Bowt: „Nicht zu stoppen.“ Die Regierung auf der Krim gibt sich siegessicher. „Wir rechnen mit 85 Prozent Zustimmung für einen Beitritt zu Russland“, sagt Parlamentschef Wladimir Konstantinow. Spätestens in zwei Wochen sei die Vereinigung perfekt. Eine Möglichkeit zum Erhalt des Status quo ist auf den Stimmzetteln nicht vorgesehen.

Russland verteilt bereits kostenlos Pässe an die Bewohner. Demonstrativ erklärt die moskautreue Führung die Anführer der Revolution wie Jazenjuk und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko zu unerwünschten Personen. Auf Werbeplakaten in Simferopol sind ihre Gesichter schon längst mit wüsten Beschimpfungen verschmiert.

In der Sackgasse

Die Regierung in Kiew steckt in der Sackgasse. Jazenjuk erteilt zudem Forderungen eine Absage, der Krim kurzerhand Strom, Gas und Wasser zu kappen, die überwiegend vom ukrainischen Festland kommen. „Alle Einwohner der Krim sind Bürger der Ukraine. Wir müssen uns um sie kümmern“, sagt er.

Einen Angriff hat Kiew bereits ausgeschlossen. Militärisch hat die Ukraine der russischen Übermacht ohnehin nichts entgegenzusetzen, die – vorgeblich zu Übungen – nahe der Grenze aufmarschiert sein soll. Von 41.000 Mann der Landstreitkräfte seien lediglich 6000 kampffähig, räumt Verteidigungsminister Igor Tenjuch vor dem Parlament in Kiew ein. Die auf der Krim festgesetzten Soldaten sind auf sich gestellt.

Kommandeure fordern klare Befehle

In einer Videobotschaft fordern mehrere Kommandeure klare Anweisungen. Andernfalls würden sie strikt nach dem Statut der ukrainischen Armee handeln – und das schließt „die Eröffnung des Feuers“ ein. „Wir sind uns klar darüber, dass wir nicht lange standhalten können“, betonen die Offiziere. „Doch wir sind bereit, unsere Pflicht bis zum Schluss zu erfüllen.“