München

Nebenkläger: Verfassungsschützer verhinderten Festnahme des NSU-Trios

Ismael Yozgat trägt am 6. April 2014 in Kassel auf der Gedenkveranstaltung zum achten Todestages seines Sohnes Halit ein Plakat mit seiner Forderung nach Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße um den Hals. Halit war das mutmaßlich letzte Opfer der Terrorgruppe NSU. (Archivbild)
Ismael Yozgat trägt am 6. April 2014 in Kassel auf der Gedenkveranstaltung zum achten Todestages seines Sohnes Halit ein Plakat mit seiner Forderung nach Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße um den Hals. Halit war das mutmaßlich letzte Opfer der Terrorgruppe NSU. (Archivbild) Foto: dpa

Ein Beamter soll vor Gericht gelogen und seine Behörde die Festnahme des NSU-Trios verhindert haben: Anwälte der Familie eines Mordopfers haben den brandenburgischen Verfassungsschutz massiv attackiert.

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Die Anwälte einer Familie, deren Sohn im April 2006 mutmaßlich von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Kassel erschossen wurde, haben dem Brandenburger Verfassungsschutz massives Versagen vorgeworfen. In einem Beweisantrag, den sie am Dienstag im Münchner NSU-Prozess vorbrachten, halten sie der Behörde vor, sie habe die Festnahme von Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe im Jahr 1998 vereitelt.

Die beiden Rechtsanwälte Doris Dierbach und Alexander Kienzle werfen außerdem dem V-Mann-Führer des früheren Zuträgers „Piatto“ vor, er habe als Zeuge im Prozess „falsch ausgesagt“. Zweck der Falschaussage des Beamten sei gewesen, „zu verschleiern“, dass der Brandenburger Verfassungsschutz „die Mordserie des NSU mit ermöglichte“.

Ministerium soll Akten blockiert haben

Konkret geht es um eine SMS und mehrere Telefonate, die V-Mann „Piatto“ und ein Chemnitzer Neonazi-Anführer im Jahr 1998 austauschten. Die Polizei habe daraus geschlossen, dass das gerade erst abgetauchte NSU-Trio bewaffnet werden sollte, einen Überfall plane und nach Südafrika fliehen wolle, sagte Anwalt Kienzle. Das Landeskriminalamt Thüringen habe die Festnahme der drei vorbereiten wollen. Das Brandenburger Innenministerium habe sich aber geweigert, die V-Mann-Berichte von „Piatto“ für die Strafverfolger freizugeben.

Brandenburg liegen nach Angaben von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) keine Belege für die Vorwürfe gegen den Landesverfassungsschutz vor. Er könne deren Existenz aber auch nicht ausschließen, „weil gelegentlich Dokumente auftauchen, die bei uns nicht abgelegt sind“, sagte Schröter am Dienstag in Potsdam.

Staatsversagen kann die Strafe mildern

Staatsversagen kann vom Gericht bei der Festlegung des Strafmaßes berücksichtigt werden. Dem Antrag schlossen sich nicht nur mehrere andere Opferanwälte an, sondern auch die Verteidiger des mitangeklagten mutmaßlichen NSU-Helfers Ralf Wohlleben. Die Verteidiger von Zschäpe reagierten nicht.

Zschäpe ist ist Hauptangeklagte im NSU-Prozess. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr Mittäterschaft an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ vor. Bis auf den Mord an der Polizistin Michéle Kiesewetter gelten die Taten durchweg als rassistisch motiviert.

Am Dienstag war auch ein Ermittler des Bundeskriminalamts vom Oberlandesgericht als Zeuge vernommen worden. Dabei ging es um das „Paulchen-Panther“-Bekennervideo des NSU. Der Ermittler sagte, er habe anhand zahlreicher Einzeldateien die Produktion des Videos detailliert klären können.

dpa