Karlsruhe

Muss Ex-Freund zahlen? BGH verhandelt über Fall von Samenspende

Samenproben
Für einige erfüllt sich der Kinderwunsch nur durch eine Samenspende. Foto: Friso Gentsch

Der Eisprung war da, mit einem kleinen Behälter fuhr sie zum Freund. Der füllte ihn mit fremdem Samen. Und zurück ging's zum Arzt. Diesmal hatte die künstliche Befruchtung Erfolg. Neun Monate später brachte die Frau ein Mädchen zur Welt. Es war «nicht die romantischste Art, zu einem Kind zu kommen», sagte sie später bei einer gerichtlichen Anhörung in Stuttgart. Aber – aus Sicht des Gerichts – die wahrscheinliche Variante, wie ein inzwischen fast siebenjähriges Mädchen gezeugt wurde.

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Das klagt jetzt auf Unterhalt. Der ehemalige Freund der Mutter will von dem Kind schon längst nichts mehr wissen, geschweige denn dafür zahlen. Der nicht ganz alltägliche Fall wird an diesem Mittwoch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verhandelt (Az.: XII ZR 99/14). Je nachdem, wie das höchste deutsche Zivilgericht entscheidet, könnte der Fall grundsätzliche Bedeutung bekommen.

Schließlich sind noch immer eine Reihe von rechtlichen Fragen rund um das Thema Samenspende ungelöst. Die Gesetze halten mit den neuen technischen Möglichkeiten nicht mehr Schritt. «Wir Juristen müssen lernen, damit umzugehen, dass es mehr als die normale biologische Situation mit zwei Elternteilen gibt», sagt Heinrich Schürmann vom Deutschen Familiengerichtstag (DFGT), einem Forum zum Erfahrungsaustausch im Familienrecht.

Der Fall des kleinen Mädchens aus der Region Stuttgart ist solch eine ganz andere Situation. Genau genommen besteht kein Unterhaltsanspruch gegen den Ex-Freund der Mutter. Der Mann ist weder der leibliche, noch der rechtliche Vater. «Am ehesten könnte man ihn wohl als „Zahl-Mensch“ oder „Zahl-Lebensgefährten“ bezeichnen», meint Familienrechtler Schürmann.

Rund sieben Jahre hatte der Mann eine Beziehung zu der Mutter des Mädchens gehabt. Die beiden lebten in getrennten Wohnungen. Das Verhältnis war aber so, dass der zeugungsunfähige Mann im Juli 2007 einer Insemination zustimmte, um den Kinderwunsch der Frau zu erfüllen. Er besorgte sogar das fremde Sperma und versicherte beim Hausarzt handschriftlich: «Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!»

Nachdem es beim ersten Mal nicht klappte, gab es der Frau zufolge im Dezember 2007 und Januar 2008 weitere einvernehmliche Versuche. Der letzte war erfolgreich: Am 18. Oktober 2008 wurde das Mädchen geboren. Der Mann zahlte zwar noch Teile der Erstausstattung, ließ sich als Vater gratulieren, posierte für Familienfotos mit dem Neugeborenen und zahlte drei Monate Unterhalt. Dann aber blieben die Zahlungen aus. An den weiteren Versuchen sei er nicht beteiligt gewesen, behauptete er. Das nahm ihm das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart nicht ab und verurteilte ihn zur Zahlung von Unterhalt.

Das Kind habe einen «Unterhaltsanspruch aufgrund eines berechtigenden Vertrags zugunsten Dritter», so das Gericht unter Verweis auf ein 2002 geändertes Gesetz. Und das OLG ging noch einen Schritt weiter: Bei der Einwilligung des Mannes zu einer Insemination mit Spendersamen handele es sich um die «Übernahme der Elternschaft kraft Willensakts». Er habe damit zu erkennen gegeben, dass er wie ein ehelicher Vater für das Kind sorgen wolle.

Folgt das höchste deutsche Zivilgericht dieser Argumentation, dann könnte das bedeuten, dass künftig alle Partner, die einer solchen Samenspende zustimmen, Unterhalt zahlen müssen – egal ob sie verheiratet sind oder nicht.

Mit der Revision vor dem BGH will der Ex-Freund die Abweisung der Unterhaltsklage erreichen. Seine Chancen sind fraglich. Der reformierte Paragraf 1600 Abs. 5 BGB lautet: «Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.» Für das OLG ist der Fall klar: Die Reform habe den Sinn gehabt, die Unterhaltspflicht von der biologischen wie rechtlichen Abstammung abzukoppeln.

Von Susanne Kupke, dpa