Berlin

Mundschutz als Politikum: Warum wir in Deutschland immer noch keine allgemeine Regelung haben

Von Jochen Magnus
Schon vor mehr als 100 Jahren ein wichtiges Thema: Das Foto zeigt, wie einem Passagier ohne Mundschutz während der Spanischen Grippe 1918 in Seattle die Mitfahrt in der Straßenbahn verweigert wird.
Schon vor mehr als 100 Jahren ein wichtiges Thema: Das Foto zeigt, wie einem Passagier ohne Mundschutz während der Spanischen Grippe 1918 in Seattle die Mitfahrt in der Straßenbahn verweigert wird. Foto: nn

Noch vor wenigen Wochen hat manch einer die Mundschutz tragenden Asiaten belächelt. Selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) riet von den Masken ab: Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass damit etwas gewonnen wäre, sagte WHO-Nothilfedirektor Michael Ryan. Dieser Ton hat sich inzwischen geändert.

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Anfangs meinte man bei der WHO noch, es gebe sogar zusätzliche Risiken, wenn Menschen die Masken falsch abnehmen und sich dabei womöglich infizieren. „Wir raten davon ab, Mundschutz zu tragen, wenn man nicht selbst krank ist.“ Auch die deutsche Bundesbehörde für Infektionskrankheiten, das Robert Koch-Institut (RKI), konnte sich zunächst nicht mit dem Mundschutz anfreunden und riet ab.

Mittlerweile sprechen sich sowohl WHO wie RKI für den Mundschutz aus, wenn auch immer noch zögerlich. Das hat auch damit zu tun, dass es keine eindeutigen wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit gibt. Aber viele Indizien deuten darauf hin: Bereits im März 2020 hatten Mediziner aus Hongkong anderen Ländern dringend empfohlen, diese Praxis einzuführen. In Deutschland griff vor allem der Virologe Alexander Kekulé diesen Rat seiner Kollegen früh auf. Angesichts der relativ geringen Verbreitung des Coronavirus in Hongkong und anderen asiatischen Regionen, wo Mundschutz statt Kontaktsperre selbstverständlich ist, empfahl er, in der Öffentlichkeit ständig einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, notfalls auch einen schlichten.

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass ein einfacher Schutz wie eine OP-Maske oder ein umgebundenes Tuch zwar den Träger selbst eher wenig schützt. Dafür schützt er aber alle Menschen um ihn herum vor Speicheltröpfchen und vielleicht darin enthaltenen Viren. Folglich wäre die Infektionskette stark eingeschränkt, wenn alle, die sich auf engem Raum begegnen, einen Mundschutz tragen würden. Warum WHO und RKI dieser einfachen Logik dennoch nicht folgen? Die knappe Zahl an Masken sollte medizinischem Personal und Infizierten vorbehalten bleiben, meinte etwa der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit von der WHO, sonst würden die bestehenden Lieferengpässe verschärft. Auch müsse „für eine langsame Durchseuchung der Bevölkerung“ gesorgt werden.

Wie man einen Mundschutz selbst nähen kann, erklären wir hier:

Anleitung zum Maskenmachen

Tatsächlich ist es aber das Ziel des derzeitigen für Staat, Wirtschaft und Bürger extrem kostspieligen und lästigen Lockdown, die Infektionsrate zu kontrollieren, damit jeder Kranke auch weiterhin einen Behandlungsplatz finden kann. Wenn aber einfache Masken erhebliche Lockerungen ermöglichen würden, wie es in Asien praktiziert wird, wären die Empfehlungen von WHO und RKI sehr teure und vollkommen falsche Ratschläge.

Während in anderen EU-Ländern OP-Masken von Polizei, Behörden und Einzelhändlern verteilt werden, herrscht in Deutschland weiter ein Versorgungsengpass. Da hilft oft nur: selbst nähen oder improvisieren und (kulturelle) Vorbehalte überwinden.

Von unserem Redakteur Jochen Magnus

Manuela Schwesig (SPD): Nur mit Maske in den Bus

Neben Sachsen hat auch Mecklenburg-Vorpommern zum Schutz vor Infektionen mit dem Coronavirus eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr eingeführt. Wie Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in Schwerin sagte, müssen Nutzer von Straßenbahn, Bus oder Taxi ab dem 27. April einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Verlangt wird eine Stoffmaske, alternativ kann auch ein Tuch als Schutz getragen werden. Für Einkäufe in Geschäften des Einzelhandels gilt hingegen weiterhin die dringende Empfehlung, eine sogenannte Alltagsmaske zu tragen, nicht aber eine Pflicht.

Sachsen hatte zuvor als erstes Bundesland für den öffentlichen Nahverkehr sowie für den Einzelhandel eine Maskenpflicht beschlossen.

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