Minister gräbt erste Gen-Kartoffeln aus

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (m) und die BASF- Vorstände Jürgen Hambrecht (r) und Stefan Marcinowski.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (m) und die BASF- Vorstände Jürgen Hambrecht (r) und Stefan Marcinowski. Foto: dpa

Zepkow/Ludwigshafen – Bedeutet grüne Gentechnik Fortschritt oder Gefahr? Für Bundeswirtschaftsminister Brüderle scheint die Antwort klar. Er buddelte nun symbolträchtig die ersten genehmigten Gen-Kartoffeln aus.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Zepkow/Ludwigshafen – Bedeutet grüne Gentechnik Fortschritt oder Gefahr? Für Bundeswirtschaftsminister Brüderle scheint die Antwort klar. Er buddelte nun symbolträchtig die ersten genehmigten Gen-Kartoffeln aus.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (l) und BASF-Vorstand  Jürgen Hambrecht graben die Genkartoffel Amflora aus.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (l) und BASF-Vorstand Jürgen Hambrecht graben die Genkartoffel Amflora aus.
Foto: dpa

BASF-Vorstandschef Jürgen Hambrecht schlägt Karl-Heinrich Niehoff anerkennend auf die Schulter: „Hochachtung, dass Sie das durchgehalten haben.“ Hambrecht hat allen Grund dem Landwirt aus Bütow in Mecklenburg-Vorpommern zu danken. Denn Niehoff hat seit Jahren die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora angebaut, erst in Versuchen und in diesem Jahr nun als erster deutscher Landwirt auch zur kommerziellen Nutzung.

Auf 15 Hektar ist die umstrittene Knolle herangereift, sie trotzte der Sommerhitze und Protestaktionen von Gentechnikgegnern. Nun ist Erntezeit für die von der BASF-Tochter Plant Science zur Stärkegewinnung und nicht zum Verzehr entwickelte Kartoffel. Unter lautstarkem Protest von etwa 15 Gentechnik-Kritikern gräbt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) am Dienstag symbolisch die ersten Knollen aus.

300 Tonnen Ertrag

„Für die Erntemaschine – eine Kartoffelkombine – war es noch zu nass“, erklärt Niehoff. In den nächsten Tagen solle es aber richtig losgehen, 300 Tonnen erhoffe er sich als Ertrag. Hambrecht hat bei der manuellen Ernte zunächst das bessere Händchen. Der Bauer zählt acht Knollen an seiner Pflanze, bei Brüderle hängen nur drei „Tüfften“ dran. „Die sind so klein, weil es nur Saatkartoffeln sind“, erklärt der Landwirt, während die Demonstranten am Feldrand eine riesige, aufblasbare Kartoffel mit Luft füllen und laut „Buh“ rufen.

„Ich habe Verständnis für die Sorgen und Ängste der Menschen, aber am Schluss eines Abwägungsprozesses muss eine Entscheidung stehen und diese muss akzeptiert werden“, mahnt Brüderle. Im Frühjahr 2010 hat die EU-Kommission nach 13 Jahren den kommerziellen Anbau der Amflora erlaubt, zur Überraschung vieler Gentechnikkritiker. Seither läuft aber die Diskussion, ob solche Entscheidungen künftig wieder auf die EU-Länder übergehen sollen. Ein Entwurf der EU-Kommission dazu liegt vor. Brüderle will sich nicht festlegen und verweist auf Frankreich: Dort sei man gegenüber der Gentechnik viel offener.

Begründete Angst

Kritik an der Anbaugenehmigung für die Amflora kommt vor allem von den Grünen und Greenpeace. Umweltaktivisten hatten sich im Frühjahr sogar am Lager von Niehoff angekettet, um die Pflanzaktion zu verhindern. Das misslang. Die Gentechnikgegner befürchten, dass die Kartoffel trotz aller Schutzmaßnahmen in die Nahrungskette von Mensch und Tier gelangen könnte. Da die Amflora ein bestimmtes Resistenzgen enthalte, könne die Kartoffel so bei Menschen unter bestimmten Bedingungen dafür sorgen, dass Antibiotika-Medikamente nicht mehr helfen, meinen sie.

Kartoffelzüchter und Pflanzenexperten bezeichnen derlei Befürchtungen aber als unbegründet. „Es gibt keinen Fall, der das belegen würde“, sagt der Biologe Uwe Schwader vom Forum Grüne Vernunft, das die grüne Gentechnik unterstützt. Auch Mecklenburg- Vorpommerns Bauernverbandspräsident Rainer Tietböhl bekräftigt, dass die Bauern entscheiden sollten, was sie anbauen. „Wir müssen auch solche Pflanzen unter unseren Klimabedingungen ausprobieren“, meint er. Es fehle aber von politischer Seite an Unterstützung für Forschung und Entwicklung.

Keine (friedliche) Koexistenz

„Der Wirtschaftsstandort Deutschland hat nur Zukunft, wenn man den Mut hat, neue Wege zu gehen“, betont Brüderle. Sonst könne Deutschland seinen Lebensstandard nicht halten. „Es ist viel leichter, gegen alles zu sein, aber mutig, sich für etwas einzusetzen.“ Brüderle fordert aber auch, wie Tietböhl, dass gentechnische Produkte als solche gekennzeichnet sein müssen.

Damit lassen sich die Demonstranten am Feldrand aber nicht beschwichtigen. Erst vor wenigen Tagen hatte Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) Partei für sie ergriffen. Es gebe „keine Koexistenz zwischen konventioneller Landwirtschaft, Bioanbau und Gen-Pflanzen-Anbau“, betonte Backhaus bei einem Treffen sogenannter Feldbefreier nahe des Amflora-Feldes.

Nächste Genkartoffel rollt an

Trotz allem hält die BASF am eingeschlagenen Kurs fest. Der Konzern habe am Montag in Brüssel die Zulassung einer weiterentwickelten Stärkekartoffel beantragt, sagt Vorstandschef Hambrecht. Diese Knollen sollen mehr Stärke produzieren, die in der Papier- und Klebstoffindustrie gefragt ist. An einer weiteren Gen- Kartoffelsorte werde bereits geforscht. „Man will die Kraut- und Knollenfäule herauszüchten“, sagt Biologe Schwader. Dann könnten Landwirte unter anderem auf das mehrfache Spritzen mit Pflanzenschutzmitteln verzichten.

Winfried Wagner (dpa)