Berlin

Machen uns die Masken einsam?: Forscher erklären, warum das Stück Stoff unsere Kommunikation grundlegend verändert

Von Anne Pollmann
Nettes Lächeln oder spöttisches Grinsen: Die Mund-Nasen-Schutzmasken verdecken naturgemäß große Teile unserer Mimik. Dadurch werden sie die zwischenmenschliche Kommunikation stark verändern, sind sich die Forscher einig.
Nettes Lächeln oder spöttisches Grinsen: Die Mund-Nasen-Schutzmasken verdecken naturgemäß große Teile unserer Mimik. Dadurch werden sie die zwischenmenschliche Kommunikation stark verändern, sind sich die Forscher einig. Foto: Adobe Stock

Das kurze Lächeln an der Kasse, das kleine Strahlen beim Bäcker: Die Mimik spielt für unsere Kommunikation eine große Rolle. Doch mit einer Maske vor dem Gesicht ist sie nicht oder kaum zu erkennen. Die von heute an geltende Maskenpflicht verändert die Kommunikation und fordert ein Umdenken, sagen Experten.

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Hundeschnauze, Lieblingsverein oder Ponys – zumindest beim Design lassen die Mund-Nasen-Schutzmasken kaum Wünsche offen. Beim Einkaufen oder in der Bahn in halb bedeckte Gesichter zu blicken, dürfte für viele Menschen trotzdem ungewohnt sein. „Mimik ist eine der wichtigsten nicht verbalen Kanäle für Kommunikation“, erklärt Christian Wallraven, Forscher für künstliche Intelligenz und kognitive Neurowissenschaften an der Korea University in Seoul. Wallraven hat unter anderem die Bedeutung von Gesichtsausdrücken untersucht und sagt: „Der Mund ist bei Weitem die größte Informationsquelle.“

Durch die Masken fällt eine Menge an Information weg, und es werde schwerer, das Gesagte in einen Kontext zu setzen, sagt Wallraven. Die Mimik habe zwei Funktionen: Sie spiegelt zunächst den emotionalen Gefühlszustand des Gegenübers. „Aber auch in der gesprochenen Kommunikation ist die Mimik wichtig, zum Beispiel für Unterstreichungen, Emphasen oder Korrekturen des Gesagten.“ Wallraven glaubt, zumindest am Anfang werde Kommunikation zögerlicher, weil Einordnung schwererfällt: „Lächelt die Person oder macht sie ein sarkastisches Grinsen, das weiß man dann nicht.“

Dirk Eilert ist Experte für Mimik und Körpersprache. Er fürchtet durch die Maskenpflicht eine größere Anonymität in der Öffentlichkeit. „Das flüchtig ausgetauschte Lächeln macht was mit uns“, sagt der Coach, der die Eilert-Akademie betreibt. „Wir haben eine wahnsinnig angespannte Situation für viele Menschen. Dinge, die vorher normal für uns waren, werden auf einmal infrage gestellt. Und in solchen Situationen ist soziales Miteinander umso wichtiger.“ Das werde durch die Masken aber eher noch verringert.

Auch wenn wir wüssten, dass die physische Distanz dem Schutz dient und kein Zeichen von Ablehnung ist, komme die Botschaft unterbewusst anders an: „Ihr Gehirn versteht: ,Hey, der andere mag mich nicht‘. Das wird dazu führen, dass wir uns alle einsamer fühlen.“ Laut Eilert ist es darum umso wichtiger, mehr mit Worten zu kommunizieren. Auch darüber ließe sich Nähe herstellen.

Mehr gesprochene Worte helfen aber nicht in allen Situationen. Für gehörlose und hörbehinderte Menschen werde die Kommunikation mit Menschen, die einen Mund-Nasen-Schutz tragen, stark erschwert, teilte der Deutsche Gehörlosen-Bund teilte mit. In Spanien haben Freiwillige darum transparente Masken für gehörlose Menschen produziert. Durch einen durchsichtigen Kunststoff sollen so Lippenbewegungen sichtbar sein. Der Deutsche Gehörlosen-Bund sieht darin jedoch keine praktikable Lösung. „Mit dem Atmen haucht man außerdem das Fenster zu“, sagt Sprecher Daniel Büter. Hörende, die eine Maske tragen, könnten vielmehr im Umgang mit gehörlosen Menschen viel mit Gesten kommunizieren, auf Gegenstände zeigen oder Dinge aufschreiben.

Auch hörende Menschen müssten mit Maske laut Wallraven mehr Gestik bemühen: „Wir werden auf andere Infokanäle ausweichen müssen.“ Grundsätzlich sei das aber nur eine Frage der Gewöhnung. In Südkorea beispielsweise würden Menschen seit sehr viel längerer Zeit Masken tragen. Wallraven hat sich unter seinen Studenten umgehört. Niemand habe ihm berichtet, dass sich durch die Masken etwas im Miteinander ändere. Auch aktuell trügen etwa 99 Prozent der Menschen Masken in der Öffentlichkeit.

„Es ist nur die Frage, wie stelle ich Nähe und Kommunikationsdichte her“, sagt Wallraven. „Das erste Mal wird für viele Menschen, die das nicht kennen, eine ziemliche Umstellung sein.“ Der Drang zur Zwischenmenschlichkeit werde dadurch aber nicht geringer.