Krim-Krise: Putins ängstliche Nachbarn

Krim-Krise Wie die Staaten der ehemaligen Sowjetunion auf die russische Politik reagieren

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Das aggressive Vorgehen Russlands auf der Krim hat die Staaten der ehemaligen Sowjetunion eingeschüchtert.

Angesichts russischer Minderheiten im eigenen Land oder ungelöster Konflikte um die territoriale Einheit vermeiden es die meisten Staatenlenker im postsowjetischen Raum, die Annexion der Krim eindeutig zu verurteilen oder explizit gutzuheißen. Im diktatorisch regierten Turkmenistan wird gar versucht, die Ereignisse in der Ukraine komplett zu verschweigen – aus Angst, man könnte sich mit dem „Maidan-Virus“ infizieren.

Von unserer Moskauer Korrespondentin Doris Heimann

Als Wladimir Putin dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zum „Tag der Vereinigung der Völker Russlands und Weißrusslands“ gratulierte, wird dieser das mit gemischten Gefühlen aufgenommen haben. Die russisch-weißrussische Union existiert seit 1996 unter großen Spannungen. Ähnlich wie in der Ukraine gibt es auch in Weißrussland viele Menschen, die Russisch besser beherrschen als das weißrussische Idiom. Das erklärt Lukaschenkos widersprüchliche Position zum Thema Krim.

Zehn Tage nach dem umstrittenen Referendum um die Halbinsel befand er: „Die Krim ist heute ein Teil russischen Territoriums. Das kann man anerkennen oder nicht – es ändert nichts an der Tatsache.“ Gleichzeitig warnte Lukaschenko aber auch: „Weiter sollte niemand in die Ukraine vordringen.“

Ist jetzt Transnistrien dran?

In einer schwierigen Position ist die Republik Moldau. Die Situation in der russischsprachigen Exklave Transnistrien war Gegenstand im Telefongespräch zwischen Putin und US-Präsident Barack Obama. Die Amerikaner befürchteten, Russland könnte auch den Anschluss Transnistriens planen. Nach dem Vorbild der Krim stellte auch Transnistrien am 18. März 2014 einen Beitrittsantrag. Die Republik Moldau hatte beim Gipfel in Vilnius im November gemeinsam mit Georgien das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. An der Westausrichtung seiner Führung und den demokratischen Fortschritten in dem Land gibt es keine Zweifel. Angesichts der Situation mit der abtrünnigen Region Transnistrien verhielt sich die Regierung in Kischinau aber sehr vorsichtig. In dem einzigen Statement des Außenministeriums hieß es nur, die Republik betone die Wichtigkeit der Souveränität und der territorialen Einheit der Ukraine.

Einen bemerkenswerten Kurswechsel absolvierte in den vergangenen Wochen Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew. Zu Beginn der Krim-Krise bot sich Nasarbajew aktiv als Vermittler zwischen dem Westen und Russland an. Kasachstan gehört wie die Ukraine zu den Unterzeichnern des Budapester Memorandums von 1994. Damals garantierten die Atommächte USA, Russland und Großbritannien der Ukraine, Weißrussland und Kasachstan ihre territoriale Einheit im Gegenzug für ihren Verzicht auf Atomwaffen.

Als Nasarbajews Vermittlerdienste nun nicht gebraucht wurden, schwenkte er um: Ein Statement des kasachischen Außenministeriums bezeichnete das Referendum auf der Krim als „freie Willensäußerung der Bevölkerung einer autonomen Republik“ und äußerte „Verständnis“ für die Entscheidungen Russlands. Der Kurswechsel geschah möglicherweise auf Druck aus Moskau. In Kasachstan, das mehrheitlich von turksprachigen Muslimen bewohnt wird, stellen die im Norden des Landes ansässigen Russen 23 Prozent der Bevölkerung.

Putins ängstliche Nachbarn
Foto: picture-alliance

In Kirgisistan, wo bei zwei Revolutionen 2005 und 2010 der Präsident aus dem Amt gejagt wurde, hat Staatschef Almazbek Atambajew die Interims-Regierung in Kiew anerkannt. Über das Referendum auf der Krim sagte er, Bischkek nehme nur das Faktum zur Kenntnis, dass das Ergebnis den Willen der Bevölkerungsmehrheit wiedergebe. Die Annexion der Halbinsel durch Russland bewertete er nicht. Kirgisistans Präsident kann sich diese Freiheit gegenüber Moskau erlauben. „Er hat seine wichtigste Aufgabe erfüllt – die Beseitigung der US-Luftwaffenbasis in Manas“, erklärt der russische Zentralasien-Experte Arkadi Dubnow.

Ein sehr differenziertes Bild bietet sich im Kaukasus. Georgien, das beim Gipfel in Vilnius den Assoziierungsvertrag mit der EU unterzeichnete, hat sich mit den prowestlichen neuen Kräften in der Ukraine solidarisiert. Das ist umso verständlicher, als Russland seit dem Georgien-Krieg 2008 die abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien unter seiner Kontrolle hält und mit der Ausgabe russischer Pässe dort einen Präzedenzfall für das Vorgehen auf der Krim schuf.

Der Kampf um Berg-Karabach

Armenien dagegen ist streng auf der Linie des Kremls. Kein Wunder, kämpft die Kaukasus-Republik doch seit mehr als 20 Jahren um den Status der Exklave Berg-Karabach, das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, aber von Armenien kontrolliert wird. Nach einem Krieg der beiden Nachbarländer in den 90er-Jahren schwelt der Konflikt latent weiter. Russland ist bei dieser Auseinandersetzung die Schutzmacht Armeniens, auf dessen Gebiet es auch eine große Militärbasis unterhält. Schon allein deshalb kann sich Jerewan keine abweichende Meinung von der des Kremls leisten.

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew enthielt sich einer Bewertung der Ereignisse in der Ukraine und auf der Krim. Mit Blick auf das strittige Berg-Karabach nutzte er die Situation vielmehr für eine populistische Rede: „Wir Aserbaidschaner werden nach Berg-Karabach zurückkehren, in andere besetzte Gebiete und in alle Regionen, die uns in der Geschichte gehört haben.“ In der heutigen Welt zähle nur noch der Faktor der Stärke, sagte der Präsident des ölreichen Landes, das seine Petrodollar massiv in die Aufrüstung steckt. Trotzdem stimmte Aserbaidschan gemeinsam mit Georgien und der Republik Moldau bei der UNO-Vollversammlung am 23. März dafür, das Referendum auf der Krim als ungültig zu betrachten.