Rheinland-Pfalz

Kommentar zum Weg der katholischen Kirche in Deutschland: Reformprozess muss weitergehen

Von Chefredakteur Lars Hennemann
Chefredakteur Lars Hennemann
Chefredakteur Lars Hennemann Foto: Kevin Rühle

Es ist noch zu früh, die „Synodaler Weg“ genannte versuchte Selbstheilung der katholischen Kirche abzuschreiben. Allerdings dürften seit dem Wochenende die Hoffnungen auf einen echten Neuanfang erst einmal gesunken sein. Denn was soll hier eigentlich geheilt werden? Die immer größere Kluft zwischen dem Alltag der Gläubigen und dem zunehmend weltentrückten Starrsinn der Kurie.

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Am Wochenende nun ging es nach vorsichtiger Annäherung um so etwas wie die künftige Machtverteilung. Und schon wurde es heikel. Man kann auch per vorzeitiger Abreise den womöglich leider doch etwas naiven Laien zeigen, wo der kirchenrechtliche Hammer hängt. Sie hätten zumindest gewarnt sein müssen: Schon bei den Fällen Heße und Woelki hatte der Vatikan demonstriert, dass er, wenn es zum Schwur kommt, immer noch ähnlich reagiert wie ein kommunistisches Zentralkomitee alter Prägung: Als Erstes werden die Reihen geschlossen, Reformrhetorik hin oder her.

Von daher ist das Allerunredlichste nach diesem Wochenende der Ernüchterung, dass man den Reformern immer noch einreden will (oder diese sich auch selbst), man könnte in Deutschland das römische Radar unterfliegen. Wenn sich Papst Franziskus bei wirklich einschneidenden Themen wie Bischofswahl, Sexualmoral, Missbrauchsfällen oder vor allem den Rechten der Frauen bewegen wird, dann nur, weil er am Ende der Not gehorchen müsste. Einer Not, die noch größer werden könnte, wenn noch mehr Mitglieder mit den Füßen abstimmen und austreten.

Nicht nur die Laien, sondern auch mancher deutsche Bischof weiß, dass es an der Basis längst anders aussieht, als es durch die oft noch mittelalterlichen Vorstellungen verhaftete Brille des Apparats diesem erscheint. Ohne zivilen Ungehorsam – oder positiv formuliert: selbstbewusst und frei gelebten Glauben – gäbe es manche Gemeinde gar nicht mehr. Die Geschichte hat an vielen Stellen gezeigt, was passiert, wenn sich Funktionäre und Volk zu weit voneinander entfernen.

Eine Konsequenz dessen haben wir übrigens just am Sonntag mit dem Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Die Kirche irrt, wenn sie glaubt, sie sei von derlei weltlichen Entwicklungen nicht betroffen. Demokratische Gesellschaften mögen zwar in der Tat kein zweites Evangelium sein. Dazu fehlt ihnen das theologische Fundament. Aber dennoch sind sie gefühlt viel näher an den Seelen der Menschen als mancher innerlich versteinerter alter Mann. Zu einer Fortführung des Synodalen Weges gibt es also keine Alternative. Auch, weil die Kirche Wunder ja nicht grundsätzlich ausschließt.

E-Mail: lars.hennemann@rhein-zeitung.net