Kommentar zum Brexit-Chaos: Die Sonnenseite des Lebens verfinstert sich

Von Peter Burger
RZ-Chefredakteur Peter Burger.
RZ-Chefredakteur Peter Burger. Foto: Jens Weber

Der stete Blick auf die Sonnenseite des Lebens dürfte sich rasch verfinstern. Es trägt in der Tat Monty Pythonsche Züge, wenn die Briten noch im Untergang zwitschern: „Always look on the bright side of life …“ und dabei glauben, dass der Rest Europas auch nur einen Funken Verständnis dafür haben könnte.

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Mit der stoischen Haltung von Teilen der Tories und von Labour, dem Bangen und Zündeln an der Backstop-Grenze, dazu einer Premierministerin, die längst nicht nur ihre Stimme, sondern jegliche Autorität und Akzeptanz auf der Insel wie auf dem Festland verloren hat, steuert nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern die Gesamtheit europäischer Demokratien auf einen Eisberg zu wie weiland die Titanic.

Das Trauerspiel um den Brexit, egal, wie es nun ausgehen mag, zeigt auf, wie ein Volk von Lemmingen nationalistischen Populisten auf den Leim gehen kann. Da tröstet es auch nur wenig, wenn heute schon Entschuldigungen zurechtgelegt werden: „Hätten wir das alles bloß gewusst …“ Hatten wir das nicht schon einmal? Sie hätten es wissen können, doch es war hipper (und für manche profitabler), ins kollektive Europa-Bashing mit einzustimmen, gar den Inseltraum vom glorreichen Empire wieder aufleben lassen zu wollen, jenem Reich, in dem die Sonne nie untergeht.

Ja, Europa macht es uns Europäern gewiss nicht leicht. Es steht für eine überbordende Bürokratie, für Überregulierung, vermeintliche Entmündigung der Nationalstaaten und den Verlust nationaler Identität. Es steht aber auch und vor allem für Frieden und Freiheit, für Gleichheit und Brüderlichkeit, wie sie in den meisten Verfassungen nicht nur verankert ist, sondern in guter Nachbarschaft täglich grenzenlos gelebt wird – allen sozialen, ökonomischen und kulturellen Unterschieden zum Trotz. Pulse of Europe, jene Bewegung, deren (Gegen-)Stimme inzwischen auch versagt, hat dies vor zwei Jahren noch eindrucksvoll thematisiert. Inzwischen sind es fast nur noch die jungen Menschen, die mit ihren „Fridays for Future“ auch den europäischen Idealen ein Gesicht geben. Gut so! Wenn schon die Alten versagen.

E-Mail: peter.burger@rhein-zeitung.net