Kommentar zu Freiheiten für Corona-Geimpfte: Diese Politik der Widersprüche versteht keiner

Von dem bekannten irischen Epidemiologen Michael Ryan ist das folgende Zitat zur richtigen Strategie in Pandemien überliefert: „Geschwindigkeit schlägt Perfektion. Der größte Fehler ist, nichts zu tun.“ Der Experte der Weltgesundheitsorganisation WHO muss es wissen, hat er doch Cholera und Ebola erfolgreich bekämpft.

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Wer die Äußerungen führender deutscher Politiker vom Wochenende hört, der begreift, warum Bund und Ländern schon vorgeschlagen wurde, Ryan zu einem ihrer Treffen als Experten einzuladen. Da ist CDU-Chef Armin Laschet, der über Ostern nachgedacht hat, um jetzt zu dem Schluss zu kommen, dass wir einen Brücken-Lockdown brauchen – er will so allen Ernstes eine Brücke bis zu dem Moment bauen, bis viele Menschen geimpft seien. Wie lange soll das dauern? Bis in den Juni, wenn der Impfturbo endlich auch in Deutschland gezündet hat? Man weiß es nicht, weil Laschet eine der wichtigsten politischen Fragen der Corona-Krise beim Besuch eines Impfzentrums nur mit dem Schlagwort „Brücken-Lockdown“ beantwortet.

Seit Wochen beknien Wissenschaftler Bund und Länder geradezu, die dritte Welle mit einem harten, kurzen Lockdown zu brechen. Und obwohl längst eine satte Mehrheit der Bürger eben dies befürwortet, geschieht erst mal nichts. In Talkshows gibt es schon Wortgefechte zwischen Politikern und Forschern wie Virologin Melanie Brinkmann. Wer gesehen hat, wie sie bei „Markus Lanz“ darum ringt, bei Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki Gehör zu finden, der kann ermessen, wie ratlos und wütend die Wissenschaft ob dieser Politik geworden ist.

Und da ist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der in einer großen Sonntagszeitung verkündet, dass er Geimpften nach dem Ende der dritten Welle Freiheitsrechte zurückgeben will. Das ist ob neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein richtiger, folgerichtiger und Mut machender Schritt. Doch offensichtlich will auch Spahn so nur Punkte sammeln. Denn über die Folgen spricht er nicht. So lässt er die vielen geimpften Bewohner von Pflegeheimen unerwähnt, die in NRW schon mehr Freiheiten genießen, während Rheinland-Pfalz damit bislang noch warten will. Spahn geht es um mehr Freiheiten nach der dritten Welle, Laschet will sie im Brücken-Lockdown erst mal wieder einschränken. Wie das alles zusammenpasst? Man weiß es nicht. Nichts zu tun, mag ein Fehler sein. Doch einfach irgendetwas vorzuschlagen, macht es nicht besser.

E-Mail: christian.kunst@rhein-zeitung.net