Kommentar: Die täglichen Ferkeleien und gängiger Gesetzesbruch

Nicole Mieding.
Nicole Mieding. Foto: Jens Weber

Welches Schweinderl hättens’ gern? Babyschweinen die Hoden abschneiden, bei lebendigem Leib und ohne Betäubung: Das klingt nach finsterstem Mittelalter oder Überlebenskampf im Busch, nicht nach einer Praxis, die in Deutschland im Jahr 2018 gängig ist.

Lesezeit: 1 Minute
Anzeige

Nicole Mieding zur Kastration von Ferkeln

Auf dem langen Weg zu artgerechter Tierhaltung hat die Regierung eine Schonfrist bewilligt: den Schweinebauern, nicht den Ferkeln. Die dürfen weitere zwei Jahre ohne Betäubung kastriert werden – eine Methode, die die Gesellschaft nicht akzeptiert und die zudem gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Ein schlechter Tag für Schweine, ein guter für Bauern und Verbraucher. Weil der Aufschub die Arbeit der Landwirte nicht weiter erschwert oder verteuert und den Fleischkäufern stabile Preise garantiert.

In einem sind sich alle einig: Ferkeln die Hoden abzuschneiden, ist eine schmerzhafte Prozedur. Schon 2008 hat sich der Deutsche Bauernverband zusammen mit den Verbänden der Fleischwirtschaft und des Einzelhandels in der „Düsseldorfer Erklärung“ verpflichtet, darauf schnellstmöglich zu verzichten. Fünf Jahre später zog der Gesetzgeber nach und beschloss ein Verbot ab 2019. Passiert ist: nichts. Nun wurde das Verbot in letzter Sekunde gekippt – sämtliche Lösungsversuche seien mit der heißen Nadel gestrickt. Aber ganz egal, welche Methode gewinnt – Narkose, hormonelle Impfung oder Betäubung durch den Tierarzt –, es stellt sich stets dieselbe Frage: wer den Mehraufwand am Ende bezahlt. Gut 2 Euro kostet zum Beispiel eine Impfung, bis zu drei sind nötig, das macht 6 Euro für jedes glücklichere Schwein – rund 20 Prozent der ohnehin knappen Marge, die zum Beispiel Schweinehalter Tobias Fuchs aus dem Kreis Mayen-Koblenz zum Leben bleiben. Für bessere Bedingungen im Stall zahlt der Handel 12 Cent Aufschlag als Bonus. Um alle Kosten aufzufangen, müsste ein ganzes Mastschwein um 70 bis 80 Euro teurer werden. Macht 2 Euro mehr pro Kilo Kotelett im Laden. Einverstanden, damit nicht das Schwein die Zeche zahlt?

E-Mail: nicole.mieding@rhein-zeitung.net