Shanghai

Humor im Reich der Mitte: Deutscher Komiker wird zum Internetstar in China

Der Deutsche Thomas Derksen lebt in Shanghai. Er nimmt in seinen Internetvideos chinesische Klischees und Stereotype aufs Korn und hat damit sehr großen Erfolg in China. Dabei muss er aber auch auf die unterschiedliche Auffassung von Humor von Europäern und Asiaten achten.
Der Deutsche Thomas Derksen lebt in Shanghai. Er nimmt in seinen Internetvideos chinesische Klischees und Stereotype aufs Korn und hat damit sehr großen Erfolg in China. Dabei muss er aber auch auf die unterschiedliche Auffassung von Humor von Europäern und Asiaten achten. Foto: Youtube

Wenn man als Ausländer eine chinesische Frau heiratet, muss man sich auf einiges gefasst machen: Auf die neugierige Schwiegermutter, die endlich Enkel mit großen Augen haben möchte. Oder auf den rauchenden Schwiegervater, dem der Angetraute erst mal das Gehalt und die Besitztümer aufzählen muss. Alles Stereotype, in die Thomas Derksen aus Nordrhein-Westfalen für seine Videos schlüpft – und damit in China wahnsinnigen Erfolg hat.

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Über 1,4 Millionen Follower hat der 28-Jährige mittlerweile auf verschiedenen Kanälen in sozialen Netzwerken. Auf den Videoplattformen wie QQ, Meipai oder Weibo wurden die kurzen Filme von „Afu Thomas“, so sein Spitzname, über 100 Millionen Mal geklickt. Der chinesische Humor ist natürlich ganz anders als der europäische, erklärt der 28-Jährige. „Er ist lauter und übertriebener. Deutscher Humor ist eher leise.“ Um Chinesen zum Lachen zu bringen, muss man viel Gestik einbauen und laut sprechen. Eher stilles Kabarett hätte es in der Volksrepublik schwer.

Derksen lebt mit seiner Frau in Shanghai. Mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen gibt er für die chinesische Vorstellung eigentlich einen typischen „laowai“ – einen Ausländer – ab. Wäre da nicht sein perfektes Mandarin, sogar mit Shanghai-Akzent. Bereits während seines Studiums in der asiatischen Metropole war er häufiger Gast in einer chinesischen Talkshow, um über das Alltagsleben in Deutschland zu berichten. Als die Sendung aber abgesetzt wurde, begann er, zusammen mit seiner Frau, selbst Videos zu produzieren. „Mein erstes Video war über deutsches Gemüse, Fenchel und Blaukraut und so.“ Das nächste Video über die chinesischen Stereotype ist dann aber gleich viral gegangen.

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„Natürlich spielt mit rein, dass ich in einem fremden Land lebe“, erklärt Derksen. In Deutschland gibt es schließlich auch Komiker, die aus ihrem Migrationshintergrund schöpfen. „Das bietet viel Stoff.“ Dabei gibt es auch Tabuthemen. „Dass man politische Witze macht, wäre hier nicht möglich.“

Obwohl er in seinen Sketchen die chinesische Klischeekiste aufmacht, hat ihm das noch niemand wirklich übel genommen, sagt der 28-Jährige. „Hasskommentare unter den Videos wie in Deutschland oder den USA gibt es gar nicht.“

Politik und Islam sind Tabuthemen

Manche Themen stehen aber doch auf der Giftliste des chinesischen Humors. Wie zum Beispiel der Staatspräsident: „Es gibt Karikaturen von Xi Jinping, aber nicht kritische“, erklärt der Schweizer Sinologe Harro von Senger. „TV-Sendungen, in denen man sich über ihn lustig macht, kennt man nicht.“ Und so etwas wie das Erdogan-Gedicht von Jan Böhmermann wäre im chinesischen Fernsehen nicht ausgestrahlt worden. Auch der Islam ist in China kein Thema für Karikaturen, erklärt von Senger. Zu anderen Religionen gibt es aber durchaus Witze.

Politische Scherze über Angela Merkel oder Wortspiele – was Menschen lustig finden, wird von vielen Einflüssen geprägt. „Denn Witz entsteht ja oft in der Grauzone zwischen Ernst und Peinlichkeit“, erklärt Humorforscherin Barbara Wild. Das, worüber man lacht, wird häufig von gesellschaftlichen Normen und Tabus geprägt. „Und man kann sicher auch lernen, fremde Regeln, worüber gelacht werden darf und soll, besser zu verstehen“, sagt die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie.

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In einer Gesellschaft ist aber nicht generell festgelegt, was witzig ist. „Das ergibt sich doch einerseits aus dem, was gerade gesellschaftliche Thematik ist, und andererseits hat es oft etwas mit Überraschung, mit einem unerwarteten Wechsel der Blickrichtung zu tun“, so Wild. Der interkulturelle Humor ist dabei aber immer eine Gratwanderung. „Zum Beispiel, indem man etwas thematisiert, was tabu ist in der anderen Gesellschaft.“ Das gilt allerdings nicht nur für fremde Kulturen, wie Wild erklärt. Ob und wem man einen Blondinen- oder Ostfriesenwitz erzählt, ist auch in Deutschland eine Frage des Feingefühls.

Von Amelia Richter