Berlin

Höchste Zeit für eine Rentenreform: Jörg Hilpert zur Zukunft der Altersvorsorge

Von Jörg Hilpert
Jörg Hilpert
Jörg Hilpert Foto: Jens Weber

Da muss man sich erst mal die Augen reiben: DGB-Frau Anja Piel, Vorstandschefin der Deutschen Rentenversicherung, hält eine Rentenreform für unnötig? Zum Glück haben die Ampelparteien bereits anderes signalisiert: Im Sondierungspapier heißt es, es solle in eine teilweise Kapitaldeckung der Rentenversicherung eingestiegen werden – was genau der richtige Weg ist.

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Die paar dürren Worte in dem Papier zeigen allerdings noch keine großen Ambitionen. Man darf gespannt darauf sein, was die Arbeitsgruppe „Sozialstaat, Grundsicherung, Rente“ in den Koalitionsverhandlungen daraus macht.

Denn bei Lichte betrachtet, drängt die Zeit bei der Rente genauso wie beim Klimaschutz, der jetzt vorangetrieben werden muss, damit das Schlimmste verhindert werden kann. In Sachen Altersvorsorge wäre das Schlimmste, später feststellen zu müssen, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr stabilisiert werden kann – weil es zu wenige gibt, die einzahlen, und zu viele, die Leistungen beziehen. Bisher bauen wir auf ein reines Umlagesystem: Wer Beiträge einzahlt, spart damit nichts an – stattdessen wird das Geld an die aktuellen Rentner ausgezahlt. Das Einzige, was jüngere Arbeitnehmer erhalten, ist das Versprechen, dass es für sie später noch genauso läuft.

Ganz anders bei einem kapitalgedeckten System: Da fließt das Geld in den Aufbau eines Vermögens, auf das im Alter zurückgegriffen werden kann. Nur: Das braucht Zeit, und deshalb ist es so wichtig, dass die Politik jetzt die Weichen dafür stellt. Es braucht Zeit, weil nur mit einem langen Anlagehorizont auch aus überschaubaren monatlichen Beiträgen eine stattliche Summe heranwachsen kann. Und es braucht Zeit, um die unzweifelhaft bestehenden Risiken minimieren zu können: Schlechte Börsenjahre sitzt der Anleger aus, über mehrere Jahrzehnte hinweg lagen Aktien dann immer im Plus.

Weil es Zeit braucht, ist eines klar: Für Arbeitnehmer, die schon kurz vor dem Renteneintritt stehen, muss es das Umlagesystem weiterhin geben. Sie haben schlicht keine Chance mehr, am Kapitalmarkt nennenswerte Erträge zu erwirtschaften. Das Ziel aber muss sein, dass bei zukünftigen Rentnergenerationen ein immer größerer Anteil der Altersbezüge genau daraus besteht – und ein immer geringerer Teil aus der Umlage. Das sind wir auch unseren Kindern und Enkeln schuldig. Es geht um eine Frage der Generationengerechtigkeit, die in langen Zeiträumen beantwortet werden muss. Wie DGB-Frau Piel nur die nächsten paar Jahre in den Blick zu nehmen, verkennt den Charakter einer echten Altersvorsorge vollkommen.

E-Mail: joerg.hilpert@rhein-zeitung.net