Gute Luft, weniger Viren? Italienische Studie sieht Zusammenhang zwischen Smog und Covid-19-Fällen

Von Jochen Magnus
Der Frühling kommt, die Luft wird besser? Zu spüren etwa an der St. Kastor Basilika. Das Foto stammt von RZ-Leserin Monika Freund.
Der Frühling kommt, die Luft wird besser? Zu spüren etwa an der St. Kastor Basilika. Das Foto stammt von RZ-Leserin Monika Freund. Foto: Monika Freund, Koblenz

Derzeit hat man eine sehr gute Fernsicht, bis zu 50 Kilometer weit kann man mitunter schauen. Die Luft ist klar und sauber. Hauptsächlich ist ein Hochdruckgebiet dafür verantwortlich. Es bringt saubere, kalte Luft aus Sibirien zu uns. Aber auch das Coronavirus sorgt für bessere Luft: Weniger Straßenverkehr und verminderte Industrieproduktion wirken sich aus.

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In Deutschland spielt das nur eine untergeordnete Rolle, aber in China und auch in Norditalien, wo Anfang des Jahres Smog auftrat, wurde die Luft wegen der krisenbedingt gedrosselten Industrieproduktion viel besser. Einfach, weil Schornsteine und Auspuffe weniger qualmen. Doch könnten Ursache und Wirkung vielleicht auch vertauscht sein? Könnte also eine hohe Luftverschmutzung die Ausbreitung des Coronavirus beschleunigt haben?

Italienische Wissenschaftler haben festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung und der Häufigkeit von Covid-19-Fällen bestehen könnte. Die Forscher sprechen davon, dass Luftverschmutzung eine Art Autobahn für das Coronavirus sei. So docken die Viren besonders in feuchter Luft auf Feinstaubpartikeln an, können darauf mehrere Tage überleben und durch den Wind verbreitet werden. In der italienischen Po-Ebene waren genau diese Bedingungen zuletzt gegeben. „Je mehr Feinstaubpartikel es gibt, desto mehr Autobahnen werden für die Ansteckung geschaffen. Es ist notwendig, die Emissionen auf ein Minimum zu reduzieren, in der Hoffnung auf eine günstige Meteorologie“, sagt der italienische Forscher Gianluigi de Gennaro von der Universität Bari.

Auch im chinesischen Wuhan war die Luftbelastung Mitte und Ende Januar 2020 sehr hoch, und Anfang Februar kam eine besonders hohe Feinstaubbelastung hinzu. Nach der Abriegelung des Gebietes und der Quarantäne verbesserte sich die Luftqualität, und die Infektionen sanken drastisch. An einem möglichen Zusammenhang wird noch geforscht, die Erkenntnisse sind längst noch nicht gesichert. Es ist aber auffällig, dass in der Lombardei, in China und auch in New York, wo die Zahl der Infizierten und Toten besonders hoch ist, die Lungen durch Luft- und Umweltverschmutzung besonders anfällig für den neuartigen Erreger zu sein scheinen.

Zusammenhänge zwischen Feinstaubkonzentration und der Ausbreitung von Viren wurden bereits vor der jetzigen Covid-19-Pandemie untersucht. Darauf weisen die italienischen Forscher hin. Bereits 2010 wurde festgestellt, dass die Vogelgrippeviren durch asiatische Staubstürme über weite Strecken verbreitet wurden. Im Jahr 2016 wurde ein Zusammenhang zwischen der Ausbreitung des humanen respiratorischen Syncytial-Virus (HRSV) und der Feinstaubkonzentration beobachtet. Dieses Virus verursacht bei Kindern eine Lungenentzündung und wird durch Feinstaub tief in die Lunge übertragen. Mehrere Untersuchungen in chinesischen Städten, zuletzt in diesem Jahr in Lanzhou, ließen auf einen Zusammenhang zwischen Feinstaubkonzentration und der Ausbreitung des Masernvirus schließen. Die chinesischen Forscher bezeichnen den Grad der Umweltverschmutzung beziehungsweise den Grad der Feinstaubkonzentration als Hauptfaktor für die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus.

Virologin Prof. Dr. Karin Mölling vom Max-Planck-Institut in Berlin zur Belastung durch Smog.
Virologin Prof. Dr. Karin Mölling vom Max-Planck-Institut in Berlin zur Belastung durch Smog.
Foto: privat

„Die Leute haben alle schwere Lungenschäden durch den Smog”, sagt auch die renommierte und inzwischen emeritierte Virologin Prof. Dr. Karin Mölling vom Max-Planck-Institut in Berlin. In der Hauptstadt spricht man sogar vom „Pekinger Husten“. Allein deswegen lässt sich die chinesische Situation nicht übertragen, warnte sie in einem Radiointerview mit Radio Berlin Brandenburg. „Wir dürfen China nicht als Vorbild nehmen.“ In dem inzwischen höchst umstrittenen Interview plädiert die 76-Jährige gegen Ausgangssperren, aber für „Herdenimmunität“ und für mehr Schutz der Risikopersonen.

Die Warnungen vor schmutziger Luft sind natürlich nicht neu. „China: Grauer Himmel, dunkle Lungen“, titelte das „Ärzteblatt“ bereits im Jahr 2006. Denn selbst wenn sich die neuere Hypothese von der Ausbreitung von Viren durch Smog und schlechte Luft am Ende nicht in vollem Umfang bestätigen, steht eines bereits fest: Je stärker das Atmungssystem durch schlechte Umweltbedingungen wie Feinstaub und Stickoxide vorbelastet ist, umso anfälliger sind Menschen für Infektionen durch Krankheitserreger.

Auch Raucher – selbst junge – sind von Corona besonders stark betroffen. Prof. Michael Pfeifer, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, beruft sich dabei auf Zahlen aus China. Vorschädigungen der Lunge durch schlechte Luft oder Rauchen könnten eine stärkere Auswirkung auf den Krankheitsverlauf haben, als bisher angenommen. Der Berliner Virologe Christian Drosten hält den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Corona noch für spekulativ. In seinem NDR-Podcast verweist er aber ebenfalls auf die Gefährdung durch Rauchen. Das sei eine mögliche Erklärung dafür, dass in China mehr Männer als Frauen an Covid-19 erkrankt sind, weil „in China vor allem die Männer rauchen“.

Sollte sich die italienische Studie jedoch bestätigen, so würde die derzeitige Wetterlage und weiterhin wenig Staub in der Luft die Ausbreitung des Virus bremsen. Auch der böige Wind hilft dabei, er lässt einer sogenannten Inversion keine Chance. Bei einer solchen Lage sind die oberen Luftschichten wärmer, dann „würde die Konzentration von Staub, Ruß und Dreck rasant zunehmen, weil der Wind nur gering ist und die vorhandene Luft daher nicht ausgetauscht wird“, berichtet Matthias Habel, Meteorologe bei WetterOnline. Zudem zerstört der ultraviolette Anteil im Sonnenlicht viele Viren.

Die Forscher der italienischen Studie raten schon mal zur Vorsicht: Man solle Tätigkeiten vermeiden, die Feinstaub erzeugen. Dazu gehören Autofahren, Rauchen und Grillen. Auch das regelmäßige Durchlüften von Räumen empfehlen sie dringend.

Jochen Magnus