Magdeburg

Für die Grünen wird es noch ernst: Wahlergebnis stimmt die Parteispitze nur bedingt zufrieden

Von Holger Möhle
Foto: dpa

Es ist schwieriges Terrain für eine grüne Kanzlerkandidatin. Im Land der Frühaufsteher, wie sich Sachsen-Anhalt wegen der vielen Pendler nach Berlin einst nannte, brauchen die Menschen das Auto. Annalena Baerbock und Robert Habeck wussten schon vor ihren Wahlkampfauftritten in Magdeburg, Wittenberg oder Dessau, dass Sachsen-Anhalt keine Hochburg der Ökopartei ist.

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Kaum Großstädte und viel flaches Land bedeutet auch: Wer zur Arbeit muss, fährt selbst. Und dann schürt Co-Parteichefin Baerbock noch die Benzinpreisdebatte. Seit einiger Zeit steht auf den Imageplakaten an den Autobahnen, die durch das Land führen, der neue Sachsen-Anhalt-Slogan: „#moderndenken“. Dabei geht es um das Bauhaus in Dessau, aber vielleicht hat „#moderndenken“ den Grünen dann doch einen leichten Schub in der Wählergunst verschafft. Trotzdem müssen die Grünen nachdenken: Sie verfehlen ein zweistelliges Ergebnis in Sachsen-Anhalt deutlich.

Baerbock ist am Wahlabend jedenfalls froh, wenigstens ein kleines Plus bei dieser Landtagswahl vermelden zu können. Schon zehn Minuten nach Schließung der Wahllokale treten führende Grüne vor die Kameras. Baerbock selbst jubelt da nur bedingt: „Wir haben zugelegt, aber nicht so, wie wir uns das erhofft hatten.“ Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ist ebenfalls zurückhaltend: „Wir hätten uns noch größere Zuwächse gewünscht.“ Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt reagiert ebenfalls gedämpft: „Natürlich haben wir uns mehr erhofft.“ Aber immerhin: „ein ordentliches Ergebnis“.

Die Grünen im Bund – anders als im Grünen-skeptischen Sachsen-Anhalt – schweben weiter auf einer Welle der Sympathie. Teilweise lagen und liegen sie mit einer Zustimmung von 25 und 26 Prozent 1 Prozentpunkt vor den Unionsparteien. Doch bis zur Bundestagswahl Ende September kann noch alles passieren. Die Grünen kommen zunehmend unter Druck – auch durch eigene Fehler.

Vor allem wissen Baerbock und Habeck, dass sie unter anderem noch durch den (digitalen) Wahlprogrammparteitag am kommenden Wochenende müssen. Habeck stellt sich darauf ein, sich wegen seiner Forderung, der Ukraine im Kampf gegen russische Separatisten Defensivwaffen zu liefern, rechtfertigen zu müssen. Schließlich gehört es weiter zum Grundkonsens der einstmals streng pazifistischen Grünen, eben keine Waffen in Krisen- oder Kriegsgebiete zu liefern.

Auch in der Klimapolitik könnte es beim Parteitag hoch hergehen, wenn etwa die Aktivisten von Fridays for Future mit „perspektivisch“ 180 Euro pro Tonne einen sehr viel höheren CO2-Preis einfordern als die Grünen in ihrem Wahlprogrammentwurf mit 60 Euro pro Tonne ab 2023.

Mit „Deutschland. Alles ist drin.“, ist das Wahlprogramm überschrieben. Erst in der vergangenen Woche rollte Bundesgeschäftsführer Kellner noch in Sichtweite des Kanzleramtes ein Banner mit der Aufschrift aus: „Bereit, weil ihr es seid!“ Die Grünen wollen an die Macht im Bund. Baerbock ist bereit, auch an diesem Wahlabend. Sie weiß, dass gerade wegen des Grünen-Anspruchs („Wir wollen dieses Land führen“) die Angriffe von Unionsparteien und SPD gegen sie schärfer werden. Und der richtige Wahlkampf im Bund beginnt erst noch.