Freiheiten bleiben eingeschränkt: Regierungskurs spaltet Ukraines Opposition

Kein Pardon für einen Boxweltmeister: Auch Oppositionsführer Vitali Klitschko geriet bei den Auseinandersetzungen in Kiew zwischen die Fronten. Er wurde mit einem Feuerlöscher besprüht und musste sich daraufhin zurückziehen.  Foto: dpa
Kein Pardon für einen Boxweltmeister: Auch Oppositionsführer Vitali Klitschko geriet bei den Auseinandersetzungen in Kiew zwischen die Fronten. Er wurde mit einem Feuerlöscher besprüht und musste sich daraufhin zurückziehen. Foto: dpa

Kiew. Es gibt weiterhin Proteste in der Ukraine, die Freiheiten bleiben eingeschränkt. Die radikalen Kräfte fordern von moderater Klitschko-Gruppe mehr Druck auf Janukowitsch.

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Von Osteuropa-Korrespondentin Doris Heimann

Die Gerippe ausgebrannter Polizeibusse sind am Asphalt festgefroren durch die zu Eis gewordenen Ladungen aus den Wasserwerfern. Wütende Demonstranten schlagen mit Holzknüppeln rhythmisch auf Metall.

Plötzlich fliegen vom Dach eines Hauses Molotowcocktails in die Reihen der „Berkut“-Polizisten. Die Uniformierten verschießen Blendgranaten. Es sind Szenen kurz vor dem Bürgerkrieg, die sich in Gruschewski-Straße in Kiew abspielen. Ein Reporter der russischen Nachrichtenagentur Interfax berichtet von einer Gruppe radikaler Regierungsgegner, die aus Holzbalken ein zwei Meter hohes Katapult errichten, um Brandsätze und Pflastersteine auf die Polizisten zu schleudern. Ein Sprecher des Innenministeriums betont, dass die Beamten bisher nicht mit maximaler Härte reagiert haben: Sie hätten auch das Recht, scharf zu schießen.

Die Bilanz der Gewaltexzesse ist auch so schon schockierend. Seit Sonntag wurden bei den Straßenkämpfen in Kiew mehr als 200 Menschen verletzt. Drei Demonstranten verloren Augen, einem wurde durch eine Blendgranate eine Hand abgerissen. Viele erlitten Platzwunden, Brüche und Prellungen. Allein 15 Journalisten wurde verletzt, teilte das Institut für Medien in Kiew mit. Einige Reporter berichteten, die Polizei habe gezielt auf sie eingeschlagen.

Auslöser der seit Ende November anhaltenden Proteste war die Entscheidung von Präsident Viktor Janukowitsch, die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU zu stoppen und sich stattdessen unter dem Druck Moskaus Russland anzunähern. In Kiew gingen daraufhin mehr als eine halbe Million Menschen auf die Straße.

Einen neuen, gewaltsamen Zug erhielten die Proteste an diesem Wochenende, nachdem das Parlament eine Reihe von repressiven Gesetzen verabschiedet hatte, die die Bürgerrechte massiv einschränken. Künftig müssen sich Internetseiten, die Nachrichten verbreiten, offiziell als Nachrichtenagenturen registrieren lassen, was eine Zensur gleichkommt. Der ungenehmigte Aufbau von Zelten und Bühnen auf öffentlichen Plätzen wird mit bis zu zwei Wochen Haft bestraft. Wie bei einem Gesetz in Russland müssen sich auch in der Ukraine künftig Nicht-Regierungsorganisationen mit ausländischer Finanzierung als „ausländische Agenten“ bezeichnen.

Dieser harte Kurs des Regierungslagers spaltet nun die Opposition. Radikale Kräfte, die der rechtsnationalen und Hooligan-Szene nahe stehen, werfen den gemäßigten Oppositionsführern vor, nicht genug Druck gegen Janukowitsch zu machen. Der Boxweltmeister und Oppositionsführer Vitali Klitschko hatte am Sonntag noch versucht, sich zwischen die Radikalen und die Polizeieinheiten zu stellen. Doch er wurde selbst mit einem Feuerlöscher besprüht und musste sich zurückziehen. „Die Staatsmacht hat dem Volk den Krieg erklärt. Und das hat schreckliche Folgen“, sagte Klitschko.

Die von Janukowitsch ins Leben gerufene Kommission zur Lösung der Krise lehnen Klitschko und anderen Oppositionellen ab. Der Grund: Mit dem Vorsitz des Gremiums betraute der Präsident ausgerechnet den Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Kljujew.

In ihm sieht die Opposition aber den Hauptverantwortlichen für die Polizeigewalt am 30. November, als „Berkut“-Truppen brutal gegen friedliche Demonstranten vorgingen. Es sei „merkwürdig“, mit Kljujew Verhandlungen zu führen, sagte Klitschko: „Es ist nur sinnvoll, mit jenen zu verhandeln, die Entscheidungen treffen und selbst die Verantwortung für ihre Umsetzung tragen.“ Deshalb müsse sich Janukowitsch persönlich an den Verhandlungstisch setzen. Eine Sprecherin des Präsidenten sagte aber, eine Teilnahme Janukowitschs sei zu diesem frühen Zeitpunkt nicht vorgesehen.