Berlin/Rheinland-Pfalz

Flüchtlinge: CSU rügt Merkel – 40.000 Neuankömmlinge am Wochenende erwartet

Binnen zwei Stunden waren beim THW in Idar-Oberstein die Betten aufgebaut.
Binnen zwei Stunden waren beim THW in Idar-Oberstein die Betten aufgebaut. Foto: Hosser

Deutschland erwartet an diesem Wochenende weitere 40 000 Flüchtlinge. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach von „dramatischen Zahlen“. Trotz der großen Hilfsbereitschaft der Deutschen würden „die Möglichkeiten bei uns immer enger“.

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Der Zustrom löst einen Streit in der Union aus: CSU-Chef Horst Seehofer attackierte die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf. Der bayerische Ministerpräsident will mit dem umstrittenen ungarischen Regierungschef Viktor Orban nach einer Lösung der Flüchtlingskrise suchen. Dies dürfte Berlin als Affront werten.

Soldaten in Rufbereitschaft

Angesichts der Flüchtlingszahlen hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) 4000 Soldaten in Rufbereitschaft versetzt, damit sie im Notfall auch mit zupacken können. Die Bundeswehr hat der Mainzer Landesregierung angeboten, 300 Soldaten zur Bewältigung der Flüchtlingswelle bereitzustellen, wie das Innenministerium gegenüber unserer Zeitung bestätigte. Die Soldaten sollen als Helfer eingesetzt werden, aber auch bei der „Sicherung oder der Identitätsfeststellung“, hieß es. Das genaue Aufgabenfeld dürfte noch definiert werden. Innenminister Roger Lewentz (SPD) erklärte, dass er sich über das Hilfsangebot des Landeskommandos Rheinland-Pfalz der Bundeswehr freut.

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte: „Wir haben die Kontrolle verloren.“ Die Flüchtlinge aus Ungarn unregistriert ins Land zu lassen, sei „eine beispiellose politische Fehlleistung“ der Bundesregierung. Er befürchtet „verheerende Spätfolgen“. Der CSU-Politiker warnte davor, dass unter den Flüchtlingen auch eine schwer abschätzbare Zahl von IS-Kämpfern und islamistischen Schläfern sei. Kein anderes Land der Welt würde sich „so naiv und blauäugig einer solchen Gefahr aussetzen“. Grüne und Linke warfen der CSU Rassismus vor.

Merkel hatte im Interview mit unserer Zeitung betont, das Asylrecht für politisch Verfolgte kenne keine Obergrenzen. Bundespräsident Joachim Gauck rief zu entschlossener und unbürokratischer Hilfe auf.

CSU-Chef Seehofer kritisierte ähnlich wie Friedrich, Deutschland komme bald in „eine nicht mehr zu beherrschende Notlage“. Die Bundesregierung reagierte demonstrativ gelassen auf die Attacken des bayerischen Ministerpräsidenten. Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz sagte, die Parteichefs von CDU, CSU und SPD hätten im Koalitionsausschuss in „großer Einigkeit“ weitreichende Beschlüsse gefasst. „Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass diese Einigkeit von den Parteivorsitzenden in irgendeiner Form in Abrede gestellt wird.“ Deutschland habe seiner humanitären Verantwortung nachkommen müssen, betonte Wirtz. „Es war eine Notlage.“

Für ihre Entscheidung zur Aufnahme Tausender Flüchtlinge aus Ungarn erntet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) inzwischen auch Kritik aus den Reihen der SPD. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sieht die Länder von der Kanzlerin übergangen. „Es war richtig, dass die Kanzlerin aus humanitären Gründen die Grenzen geöffnet hat“, sagte Dreyer. „Aber sie hat die Länder mit dieser Entscheidung überrumpelt.“ Das dürfe nicht wieder passieren.

Eine deutliche Mehrheit der Bürger ist laut einer Umfrage aber mit der deutschen Flüchtlingspolitik einverstanden, rechnet jedoch nicht mit der Hilfe anderer EU-Staaten. In einer weiteren Erhebung gab eine Mehrheit der Befragten allerdings an, die Regierung habe die Flüchtlingspolitik „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ im Griff.

Bürger befürworten Einreise

Im ZDF-Politbarometer bezeichnen 66 Prozent die Entscheidung, Zehntausende Flüchtlinge aus Ungarn einreisen zu lassen, als richtig. 29 Prozent sehen das nicht so. 85 Prozent gehen davon aus, dass sich nach dieser Entscheidung noch mehr Flüchtlinge nach Deutschland auf den Weg machen, 12 Prozent meinen das nicht. 62 Prozent (August: 60 Prozent) sind überzeugt, dass Deutschland die vielen Flüchtlinge aus Krisengebieten auch verkraften kann, 35 Prozent (August: 37) sehen das anders.

Unterdessen hat die Mainzer Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) erneut bekräftigt, dass sie die Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsstaaten ablehnt. „Es ist nicht akzeptabel, wenn die Große Koalition glauben machen will, jetzt mit einer Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten Probleme besser steuern zu können.“ Die Bundesregierung will den Kreis der sicheren Herkunftsstaaten um Kosovo, Albanien und Montenegro erweitern. Ministerpräsidentin Dreyer (SPD) hat sich für dieses Ansinnen offen gezeigt. Die Einstufung soll dazu dienen, Asylbewerber aus den betroffenen Ländern schneller in die Heimat zurückschicken zu können.

dpa/db