Fulda

Fitte Frieda: Europas jüngstes Frühchen ist mit 3 noch eine Sensation

Die kleine Frieda kam 2010 als Europas jüngstes Frühchen zur Welt – nach nur 21 Wochen und fünf Tagen Schwangerschaft. Solchen extrem unreifen Kindern drohen Komplikationen bei der Entwicklung. Frieda ist das putzmuntere Gegenbeispiel.

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Fidele Frieda: Europas jüngstes Frühchen verblüfft rund drei Jahre nach der Geburt die Mediziner des Klinikums mit ihrer überdurchschnittlich guten Entwicklung. Fotos: dpa

Fidele Frieda: Europas jüngstes Frühchen verblüfft rund drei Jahre nach der Geburt die Mediziner des Klinikums mit ihrer überdurchschnittlich guten Entwicklung. Fotos: dpa

Fidele Frieda: Europas jüngstes Frühchen verblüfft rund drei Jahre nach der Geburt die Mediziner des Klinikums mit ihrer überdurchschnittlich guten Entwicklung. Fotos: dpa

Frieda, als sie 18 Monate alt ist: Die Ärzte sind weiter begeistert von ihren Fortschritten.

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Mit fünf Monaten hatte das Baby das Krankenhaus verlassen. Fotos: dpa

460 Gramm hatte Frieda bei der Geburt gewogen – weniger als zwei Pakete Butter. Das war aber schon vergleichsweise viel gegen ... Symbol

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... Baby Till, das leichteste Frühchen von Rheinland-Pfalz. Mit 310 Gramm war der kleine Mann am Rosenmontag 2012 in Bad Kreuznach zur Welt gekommen.

Kreuznacher Diakonie

Ein Mädchen in Dortmund kam sogar nur mit einem Gewicht von 280 Gramm zur Welt und ...

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... ebenfalls nach den ersten fünf Lebensmonaten im Krankenhaus nach Hause durfte.

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Als sie geboren wurde, war die kleine Frieda kaum lebensfähig. Sie kam viel zu früh zur Welt, bereits nach 21 Wochen und fünf Tagen. Eine normale Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Am 7. November 2010 wurde sie im Klinikum Fulda mit nur 26 Zentimetern und 460 Gramm entbunden. Damit war sie zwar nicht Europas kleinstes, aber Europas jüngstes Frühchen. Bis heute habe in Europa kein Baby überlebt, das früher entbunden wurde, sagen Experten. Und jeder Tag zählt. Damals war ungewiss, wie Friedas Entwicklung verlaufen würde.

Wie es ihr geht, kann das Mädchen mittlerweile selbst beantworten. „Gut“, sagt die Kleine mit zartem Stimmchen. Sie ist mittlerweile drei Jahre und drei Monate alt – und hat sich angesichts ihrer prekären Vorgeschichte prächtig gemacht. Die Eltern sind glücklich und erleichtert. Professor Reinald Repp, Direktor der Kinderklinik im Klinikum Fulda, sagt: „Frieda ist ein Phänomen. Sie hat sich super entwickelt, sogar überdurchschnittlich gut. Sie ist sogar fitter als die meisten normal geborenen Kinder.“

Frieda ist ein temperamentvoller Wirbelwind. Beim Besuch im Klinikum Fulda spielt sie angeregt mit ihren Eltern oder dem braunen Teddy oder sie sitzt am Tisch und malt, feinmotorisch recht geschickt. Im Vergleich zu anderen dreijährigen Kindern ist sie etwas graziler. Bei einer Körpergröße von 86 Zentimetern wiegt Frieda nur neuneinhalb Kilogramm. Normal seien wenigstens zehneinhalb Kilo und 88 Zentimeter, sagt Repp.

„Mit dem Essen ist Frieda halt sehr wählerisch“, erklärt Friedas Mutter Yvonne M. (36). Das sei nicht ungewöhnlich bei Frühchen, relativiert Repp. Friedas Favoriten haben sich aber bereits herauskristallisiert: Pommes, Hähnchen-Nuggets und Schokolade, wie die Mutter mit einem Schmunzeln sagt.

Nach einer Zeit bei einer Tagesmutter besucht Frieda seit November eine Kinderkrippe in Fulda. Die gute Gesundheit ist für extreme Frühchen nicht selbstverständlich. Nicht selten tragen sehr unreife Kinder dauerhafte Schäden davon – wenn sie überhaupt überleben. Lunge, Darm, aber auch Gehör und Netzhaut können geschädigt sein. Es können ebenfalls Hirnblutungen und bleibende Behinderungen drohen.

Frieda aber hat es geschafft. Ob das eine Sicherheit für die nächsten Jahre ist, kann niemand sagen. Denn auch auf spätere Lebensphasen kann sich eine frühe Geburt auswirken. Beobachtet werden als Langzeitprobleme etwa Essstörungen. Ehemalige Frühchen können emotional labil sein, wie Repp sagt. In der Schule kann es zu Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen kommen. „Aber man kann die Entwicklung über viele Jahre oft nicht prognostizieren und keine verlässlichen Aussagen treffen, etwa über die Rahmenbedingungen für eine Schullaufbahn“, sagt Professor Wolfgang Göpel aus Lübeck, Mitglied der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin.


Ein Fingerchen von Till: Der in Bad Kreuznach an Rosenmontag 2012 geborene Junge wog da mit 310 Gramm deutlich weniger als Frieda bei ihrer Geburt. Auch er kämpfte sich ins Leben. Foto: Kreuznacher Diakonie

Die Frühchen-Medizin hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Immer häufiger gelingt es, extremen Frühgeburten das Überleben zu sichern. In Nürnberg kam im Sommer 2008 die kleine Lea nach 23 Wochen und zwei Tagen zur Welt. Sie lag zwar 150 Tage im Brutkasten und wurde viermal operiert – aber sie schaffte es. Der Chef der Kinderklinik im Nürnberger Südklinikum, Jan-Holger Schiffmann, sagte damals: „Vor der 23. Schwangerschaftswoche gibt es so gut wie keine Überlebenschancen.“

Die Chancen haben sich aber kontinuierlich verbessert. So haben 2012 in Deutschland schon 44 Kinder überlebt, die vor der 23. Schwangerschaftswoche geboren wurden. Dies geht aus einem Qualitätsreport des Aqua-Instituts in Göttingen hervor.

Die kleine Paulina Emily wurde 2011 in Greifswald in der 23. Schwangerschaftswoche mit 490 Gramm und 27 Zentimetern geboren. In Rostock kam im selben Jahr ein Frühchen in der 23. Schwangerschaftswoche mit 33 Zentimetern und 650 Gramm zur Welt. In Dortmund überlebte ein Frühchen mit einem Geburtsgewicht von lediglich 280 Gramm, etwas schwerer als ein Päckchen Butter.

Der kleine Kilian aber überlebte nicht. Er erblickte zwar zusammen mit Frieda als Zwillingsbruder in Fulda das Licht der Welt. Doch er starb sechs Wochen später an Herz- und Darmproblemen.

Dass zumindest Frieda überlebte, ordneten Repp und weitere Mediziner als „Sensation“ und „Wunder“ ein. Sie sei zusammen mit einem Jungen, der 1987 ebenfalls nach 21 Wochen und fünf Tagen im kanadischen Ottawa zur Welt kam, eines der jüngsten Frühchen der Welt. „Wir hatten ein Wahnsinnsglück“, sagt Friedas Mutter Yvonne.

Jörn Penske, dpa