Ferguson

Ferguson: Justiz prüft, ob Polizei Schwarze diskriminiert

Die tödlichen Schüsse eines Polizeisten auf den jungen Afroamerikaner Michael Brown sind in Ferguson nicht vergessen, ein Graffitigemälde zeugt davon. 
Die tödlichen Schüsse eines Polizeisten auf den jungen Afroamerikaner Michael Brown sind in Ferguson nicht vergessen, ein Graffitigemälde zeugt davon.  Foto: dpa

Vier Wochen nach dem Tod des Teenagers Michael Brown nimmt das US-Justizministerium das Verhalten der Polizei in Ferguson gründlich unter die Lupe. Ressortchef Eric Holder will dem Verdacht nachgehen, dass Ordnungshüter in dem Vorort von St. Louis schon seit Jahren die Bürgerrechte verletzen, etwa, indem sie schwarze Autofahrer allein ihrer Hautfarbe wegen wesentlich häufiger anhalten als weiße oder bei Festnahmen unangemessene Gewalt anwenden.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von unserem USA-Korrespondenten Frank Herrmann

Er sei nach eingehender Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass Ermittlungen angebracht seien, sagte Holder. Die Untersuchungen sollen sich demnach auf die Anwendung von Gewalt, auch tödlicher Gewalt, sowie auf Verkehrskontrollen, Festnahmen, Diskriminierungen und die Behandlung von Häftlingen im Stadtgefängnis konzentrieren.

Von den 53 Polizisten Fergusons, dessen Bevölkerung zu zwei Dritteln aus Afroamerikanern besteht, haben 50 helle Haut. Ermittler des Justizressorts werden prüfen, ob sie einem Rasterdenken in Rassenkategorien folgen und damit gegen den Civil Rights Act verstoßen, ein Gesetz aus dem Jahr 1964, mit dem schwarze Amerikaner ihre rechtliche Gleichstellung erkämpften.

Auf dem Höhepunkt schwerer Unruhen war Holder im August nach Ferguson gereist, um Wogen zu glätten. Was er dort an Klagen hörte, lässt nach seinen Worten eine „lange Geschichte tiefen Misstrauens“ gegenüber den Ordnungskräften erkennen.

Von Polizisten in die Gefängniszelle gestoßen

Als Beispiel nennt sein Ressort die Causa Henry Davis, die Geschichte eines 52-jährigen Afroamerikaners, der erst von Polizisten geschlagen und dann verklagt wurde, weil sein Blut auf ihre Hemden und Hosen tropfte. Davis, von Beruf Schweißer, war nachts auf der Stadtautobahn unterwegs, verpasste die richtige Ausfahrt und fand sich in Ferguson wieder. Da es wie aus Gießkannen goss, hielt er am Straßenrand, wo eine Streife per Computercheck sein Autokennzeichen überprüfte. Aufgrund einer Namensverwechslung hielt man Davis für einen Flüchtigen, gegen den ein Haftbefehl ausgestellt worden war. Als man ihm im Gefängnis eine bereits belegte Einzelzelle zuwies, bat er um eine Matratze und protestierte, als er keine bekam.

„Es war drei Uhr morgens, wer will um die Zeit auf dem nackten Fußboden schlafen?“, gab er später zu Protokoll. Von Polizisten in die Zelle gestoßen, wurde er – Hände auf dem Rücken – gefesselt. Als Nächstes prasselten Schläge auf ihn ein, so heftig, dass er stark zu bluten begann und in die Notaufnahme einer Klinik gebracht werden musste. Die folgende Strafanzeige lautete auf „Beschädigung von Eigentum“: Davis' Blut, beschwerte sich ein Officer namens John Beaird, habe seine Uniform ebenso wie die Uniformen dreier Kollegen beschmutzt.

Lobbyvereinigung der Polizei übt Kritik an Eric Holder

Es waren Fälle wie dieser aus dem September 2009, die in Ferguson den Zorn schürten, lange bevor Michael Brown mit sechs Schüssen aus einer Polizistenpistole getötet wurde – unter Umständen, die nicht geklärt sind. Der schwarze Bürgerrechtsverband NAACP sieht ein Verhaltensmuster, wie es weiter über den Ort hinaus typisch sei. „Ferguson ist nur die Spitze des Eisbergs, das Problem ist viel größer als Ferguson“, sagt Adolphus Pruitt, NAACP-Direktor der Stadt St. Louis.

Eine Lobbyvereinigung der Polizei, der Law Enforcement Legal Defense Fund, wirft Holder dagegen vor, sich von rein politischen Motiven leiten zu lassen. Für den Minister steht nach Ansicht des Sprechers Ron Hosko bereits vor Beginn der Untersuchungen fest, dass Fergusons Ordnungskräfte die Bürgerrechte verletzen. Für Tausende professioneller Polizisten, die im täglichen Dienst ihr Leben riskierten, könne dies nur eine abschreckende Wirkung haben, kritisierte Hosko.