Experte befürchtet bürokratischen Super-GAU: Schröpft neue Grundsteuer alle Hausbesitzer?
Werden Immobilienbesitzer durch die Grundsteuerreform künftig mehr zur Kasse gebeten?
Die Berechnungen unseres Bundesverbandes haben für ausgewählte Kommunen in Deutschland ergeben, dass bei Beibehaltung der bisherigen Hebesätze teilweise drastische Erhöhungen drohen. Grundlage dafür war das im November von Bundesfinanzminister Scholz vorgestellte Reformmodell. Die Frage, ob und welche konkreten finanziellen Belastungen zukünftig zu erwarten sind, kann aber nach wie vor nicht verbindlich beantwortet werden. Unabhängig von der Frage der zukünftigen Bewertung von Grundstücken wird es entscheidend darauf ankommen, wie die einzelne Kommune mit ihrem Hebesatzrecht umgeht und in welchem Umfang gegebenenfalls Hebesätze gesenkt werden, um Steuererhöhungen im Übermaß zu vermeiden.
Muss der klassische Einfamilienhausbesitzer mit höheren Belastungen rechnen?
Davon gehen wir aus. Und wir widersprechen der Forderung von SPD-Vertretern, auch „wertvollere“ Einfamilienhausimmobilien müssten stärker herangezogen werden. Darin sehen wir den Versuch, die Grundsteuer zur heimlichen Vermögensteuer umzugestalten. Diesem Versuch tritt der Verband Haus & Grund entgegen. Die Grundsteuer ist eine Nutzersteuer, mit der die Kommunen öffentliche Aufgaben finanzieren, von denen alle Bewohner profitieren, Mieter wie Eigentümer. Mit der Grundsteuer werden von den Kommunen Kitas, Schulen und andere Infrastrukturleistungen finanziert. Das kommt allen Menschen gleichermaßen zugute, sowohl Mietern als auch selbst nutzenden Eigentümern. Es ist insofern eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, auch alle an diesen Kosten zu beteiligen.
Und was ist der Fall bei Mehrfamilien- und Miethäusern? Werden sich am Ende auch die Mieten erhöhen?
Auch hier ist nach den bisher bekannten Eckpunkten mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen, wenn sich der Bundesfinanzminister durchsetzt und die Kommunen nicht gleichzeitig die Hebesätze entsprechend senken, sondern der Versuchung erliegen, kommunale Haushalte durch höhere Grundsteuereinnahmen zu sanieren.
Ob und wie viel die Mieten aber tatsächlich steigen, kann momentan noch nicht gesagt werden, da innerhalb der Großen Koalition und zwischen den Bundesländern noch immer verschiedene Positionen vertreten werden. Sofort nach der Veröffentlichung der Eckpunkte gab es ja bereits massive Vorbehalte in der CDU und der CSU. Von einer „Einigung“ kann bislang nicht die Rede sein.
Ist nicht jetzt schon absehbar, dass sich etwa der Mieterbund gegen Erhöhungen der Nebenkosten zur Miete wehren wird? Wie wird Ihres Erachtens wiederum die Politik darauf reagieren?
Es gibt vermehrt Stimmen aus der SPD, die Grundsteuer künftig nicht mehr auf die Mieter umlegen zu können, um das Wohnen nicht weiter zu verteuern. Diesem Versuch, Grundeigentümer einseitig zu belasten, widersprechen wir als Verband energisch. Die Grundsteuer ist eine Steuer der Wohnungsnutzer in einer Kommune und keine verkappte Vermögensteuer nur für Eigentümer. Die Umlagefähigkeit ist elementar, damit sich private Einzelvermieter weiterhin am Mietwohnungsmarkt engagieren. Ich kann nur sagen: Finger weg von der Streichung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer!
Es heißt, Bewohner von Großstädten und hier vor allem die attraktiven Lagen seien von einer steigenden Grundsteuer besonders betroffen. Gilt das auch für Koblenz?
Wenn es bei den jetzt präsentierten Eckpunkten für die Grundsteuerreform bleibt, ist auch für Koblenz mit höheren Grundsteuern zu rechnen, wenn die Stadt den Hebesatz anschließend nicht nach unten anpasst. Dies gilt besonders für gute Lagen mit hohen Bodenrichtwerten.
Die Kommunen könnten steigende Belastungen der Immobilienbesitzer durch niedrigere Hebesätze abfangen – glauben Sie daran, dass die Städte und Gemeinden tatsächlich auf Einnahmen verzichten werden?
Mit der Aussage der Politik, die Reform solle „aufkommensneutral“ erfolgen, wird die Bevölkerung im Vorfeld beruhigt. Tatsächlich ist das reines Wunschdenken. Wir rechnen damit, dass die Kommunen die Hebesätze nicht aufkommensneutral senken, sondern der Versuchung erliegen, durch höhere Grundsteuern zusätzliche Einnahmen zu generieren. Bevor man über Einsparungen oder die Erhöhungen anderer Abgaben nachdenkt, ist es bequemer, die Grundsteuer zu erhöhen. Eine Immobilie kann ja im Gegensatz zu einem Gewerbetrieb nicht einfach in eine andere Stadt verlegt werden.
Werden denn wenigstens strukturschwache Gegenden durch die Reform gefördert?
Damit ist nicht zu rechnen. Wenn die zukünftigen Berechnungsmethoden für die Grundsteuer zunächst niedrigere Einnahmen bedeuten, kann man davon ausgehen, dass in solchen Regionen mit dem Argument der Aufkommensneutralität der Hebesatz nach oben korrigiert wird.
Ist damit zu rechnen, dass künftig gerade in Städten, wo Wohnraum knapp ist, brachliegende Grundstücke bebaut werden?
Das Reformkonzept sieht vor, den Kommunen die Option zu ermöglichen, eine Grundsteuer C auf unbebaute baureife Grundstücke zu erheben. Um aber Grundstückseigentümer zum Bauen zu „motivieren“, müsste diese Grundsteuer C so hoch sein, dass dies am Ende wegen des sogenannten Übermaßverbotes verfassungsrechtlich problematisch wird. Aus unserer Sicht würde eine neue Grundsteuer C nicht helfen, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Welcher Aufwand wird notwendig sein, um die Reform umzusetzen?
Für Hauseigentümer ist die Forderung der rheinland-pfälzischen Finanzministerin Doris Ahnen wichtig, die Erhebung der Grundsteuer in der Finanzverwaltung „gut umsetzbar“ und transparent zu gestalten. Die neuen Eckpunkte des Grundsteuerkonzepts lassen aber einen „bürokratischen Super-GAU“ befürchten. Wenn künftig für jede Wohnung ein Grundsteuerbescheid erstellt werden soll, der sich auch noch an der aktuellen Miethöhe orientiert, ist dies ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Finanzverwaltung. Dann müssten für die bisher geschätzten bundesweit 35 Millionen Immobilieneinheiten regelmäßig neue steuerliche Bewertungen erfolgen. Die Finanzämter wären überfordert; zudem wären viele Rechtsstreitigkeiten über die geschätzte Miethöhe die Folge. Wie will die Finanzverwaltung zum Beispiel zuverlässig die Miethöhe von selbst genutzten Gewerbeimmobilien beurteilen, für die es keinen Mietspiegel gibt? Die Erhebungskosten für die gemessen am Gesamtsteueraufkommen überschaubare Grundsteuer wären dann nicht mehr zu rechtfertigen.
Was erwarten Sie beziehungsweise Ihr Verband von einer Reform der Grundsteuer, die ja vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben wird?
Die neue Grundsteuer muss einfach zu erheben und für die Bürger transparent sein. Sie darf das Wohnen nicht verteuern, und sie muss gerecht sein. All diese Kriterien erfüllen die aktuellen Eckpunkte unseres Erachtens nicht. Wir plädieren weiterhin für ein Flächenmodell, wonach sich die Grundsteuer im Grundsatz aus der Gebäude- und der Grundstücksfläche berechnet. Dieses Modell ist mit niedrigen Kosten umzusetzen, schafft keine neuen Ungerechtigkeiten und ist verfassungsfest. Weiterer Vorteil wäre, dass neben der schnellen Umsetzbarkeit dieser Reformweg wesentlich transparenter ist.
Die Politik muss sich endlich von der Vorstellung verabschieden, dass Vermieter vor Finanzkraft strotzende Großkonzerne sind. Das gilt gerade für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz. Aktuelle Studien und Umfragen bestätigen, dass private Einzelvermieter „soziale“ Vermieter sind. Sie stellen circa zwei Drittel aller Mietwohnungen. 7,5 Prozent verdienen mit der Vermietung kein Geld, drei Viertel maximal 10.000 Euro im Jahr. Ein Viertel der privaten Einzelvermieter erhöht in laufenden Mietverhältnissen nie die Miete. Die Politik ist auf diese Vermietergruppe angewiesen, wenn sie es mit bezahlbarem Wohnen ernst meint. Wenn es aber trotz übersprudelnder Steuern und hoher Bewirtschaftungskosten – denken Sie an die heutigen Handwerkerpreise – immer nur neue Belastungen gibt, führt dies zur Frustration.
Die Fragen stellte Michael Stoll