EU bangt um Standards: Obama will Durchbruch beim Freihandel

Obama macht Druck
Obama macht Druck Foto: picture alliance

Brüssel. Barack Obama hat sich viel vorgenommen. Zwar steht der amerikanische Präsident heute nur für genau eine Stunde und 15 Minuten für den EU-USA-Gipfel in Brüssel zur Verfügung. Aber die Zeit soll reichen, um das wichtigste Projekt zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken wieder so in Gang zu bringen, dass die Verträge noch vor der Sommerpause unterschrieben werden können.

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Von unserem Korrespondenten Detlef Drewes

Es geht um das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), von dem beide Seiten beim Verhandlungsstart im Juni 2013 so angetan waren, dass man sich in Prognosen über die Vorteile geradezu überschlug: Das Handelsvolumen zwischen den USA und der EU könne sich verdoppeln, zwei Millionen neue Jobs in den OECD-Staaten entstehen, davon 1,1 Millionen allein in den USA, knapp 190 000 in der Bundesrepublik.

Doch der Zauber ist dahin, seitdem nicht nur die Kritiker, sondern auch die Bundesregierung mutmaßen, hinter der ursprünglichen Absicht von einer Angleichung der Standards sowie dem Abbau von Handelshemmnissen könne in Wirklichkeit „die Verwässerung von in der Regel höheren EU-Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz“ stehen, wie es in einer Analyse von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) heißt.

Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht Grund für scharfe Kritik vor allem am Verlauf der Verhandlungen, die abseits der Öffentlichkeit stattfinden – und praktisch ohne parlamentarische Kontrolle. Zwar betonen beteiligte Abgeordnete des Europäischen Parlamentes immer wieder, sie könnten die Schriftstücke durchaus einsehen und bräuchten dazu nicht in ein abgeschlossenes Zimmer zu gehen, um diese zu lesen. Doch auch im Plenum selbst herrscht weithin Rätselraten über das, was da bereits alles besprochen und vereinbart wurde oder noch offen ist.

Unterschiede in der Gesetzgebung gibt es zur Genüge. Während in Europa beispielsweise genveränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen oder verboten sind, produzieren und verzehren die Amerikaner Mais, Sojabohnen und Zuckerrüben, die zu 90 Prozent im Labor manipuliert wurden. Kennzeichnungspflichten sind in den Vereinigten Saaten eher unbekannt, Europa hat dazu eine detaillierte Gesetzgebung. Andererseits darf zum Beispiel französischer Roquefort-Käse aus Rohmilch nicht in die USA exportiert werden.

Nun will Washington aber den Bedenken Rechnung tragen. Im Entwurf des Schlussdokumentes zum heutigen Gipfel heißt es, die „jeweiligen Standards für Arbeit, Umwelt, Gesundheit, Sicherheit und Verbraucherschutz sollten respektiert werden“. Doch die Kritiker fürchten, dass solche Versprechen nicht eingehalten werden, solange die USA an ihrer Absicht festhalten, geheime Schiedsverfahren (ISDS: Investor-State Dispute Settlement) in das Abkommen zu übernehmen. ISDS könnte so zum Hebel für die US-Industrie werden, alle höheren Auflagen der Europäer auszuhebeln.

EU-Handelskommissar Karel de Gucht stoppte bereits weitere Gespräche über TTIP und legt in diesen Tagen einen Kompromiss vor. Er will verhindern, das eine Klageindustrie aus den Beschwerden der Unternehmen Kapital zu schlagen versucht. Bundeswirtschaftsminister Gabriel lehnt die Schiedsverfahren sogar völlig ab. Ob Obama in diesem heikelsten Punkt für einen Durchbruch sorgen kann?