Durchsuchung bei mutmaßlichen Auschwitz-Wachmännern

Torgebäude des KZ Auschwitz-Birkenau.
Torgebäude des KZ Auschwitz-Birkenau. Foto: dpa

Bei Durchsuchungen in mehreren Bundesländern, darunter auch in Hessen, hat die Polizei drei mutmaßliche ehemalige Auschwitz-Wachmänner im Alter von 88 bis 94 Jahren verhaftet.

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Die drei Männer seien in Untersuchungshaft, teilten die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt am Donnerstag mit.

In Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen seien am Mittwoch die Wohnräume mutmaßlicher früherer SS-Angehöriger in Auschwitz durchsucht worden, hieß es. Die Männer stünden im Verdacht, an der Tötung Deportierter beteiligt gewesen zu sein. Im größten der nationalsozialistischen Todeslager wurden mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge ermordet.

Wachmannschaft des Vernichtungslagers

In Hessen richteten sich die Ermittlungen gegen zwei Männer im Alter von 89 und 92 Jahren im Rhein-Main-Gebiet, wie das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Frankfurt mitteilten. Sie sollen in den Jahren 1942, 1943 und 1944 zur Wachmannschaft des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gehört haben, sagte Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu. Ihre Wohnungen wurden durchsucht und dabei Dokumente und Fotos sichergestellt. Haftgründe für die Männer gebe es nicht.

Im Südwesten waren insgesamt sechs Männer im Alter von 88 bis 94 Jahren betroffen, drei von ihnen wurden verhaftet. Es seien Unterlagen in ihren Wohnungen sichergestellt worden. Fünf der Männer äußerten sich nicht zu den Vorwürfen. Ein 88-Jähriger erklärte, in Auschwitz gewesen zu sein. Eine Beteiligung an der Tötung von KZ-Insassen habe er bestritten, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Individuelle Schuld muss nachgewiesen werden

In Ostwestfalen (NRW) wurde die Wohnung eines 92-Jährigen durchsucht. Belastendes Material sei nicht gefunden worden, teilten LKA und Staatsanwaltschaft Dortmund mit. Der Beschuldigte habe aber ebenfalls eingeräumt, in Auschwitz eingesetzt gewesen zu sein. Die konkrete Beteiligung an Tötungshandlungen habe er bestritten. In NRW wird auch noch gegen zwei andere Männer aus Ostwestfalen und vom Niederrhein ermittelt.

Bisher blieben viele mutmaßliche Täter straffrei, weil der Bundesgerichtshof 1969 im Fall Auschwitz festgelegt hatte, dass für eine Verurteilung der Wächter wegen Beihilfe zum Mord die individuelle Schuld nachgewiesen werden muss. Dies war vielfach nicht möglich.

Dienstausweis von Demjanjuk
Der Dienstausweis von Iwan «John» Demjanjuk, den er als «Wachmann» 1942 in seinem Ausbildungslager bekommen hat
Foto: DPA

In Vorermittlungen für den Prozess gegen den Aufseher im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, hat aber die NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg die Beihilfe zum Mord im KZ neu definiert. Dem widersprach das Landgericht München nicht. Nach Auffassung der Zentralstelle ist somit jeder belangbar, der in einem KZ dazu beigetragen hat, dass die Tötungsmaschinerie funktionierte – egal ob direkt als Aufseher bei den Gaskammern oder indirekt etwa als Koch. 2011 hatte das Landgericht München Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28.000 Menschen schuldig gesprochen.

Die NS-Fahndungsstelle hatte im vergangenen Jahr nach Voruntersuchungen 30 Fälle an Staatsanwaltschaften in Deutschland weitergeleitet. Sieben weitere Ermittlungen betrafen Verdächtige im Ausland, unter anderem in Israel.

Für eine Anklage muss eine Tatbeteiligung nachgewiesen werden. Außerdem müssen die Männer auch noch verhandlungsfähig sein.