Deutschland unter Strom – Gericht zweifelt Rechtmäßigkeit der Ausnahmeregelungen an

Sonderkündigungsrecht wegen Ökostrom-Umlage?
Haben Verbraucher ein Sonderkündigungsrecht, wenn wegen der Ökostrom-Umlage die Strompreise steigen? Juristen und Gerichte sind sich uneins. Foto: Karl-Josef Hildenbrand Foto: DPA

Berlin/Düsseldorf – Verbraucherschützer schlagen Alarm, weil immer mehr Unternehmen gar nicht oder nur teilweise an den Kosten der Energiewende beteiligt werden. Die Zahl der Anträge von Firmen auf Befreiung von Netzentgelten und von der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist sprunghaft angestiegen.

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Die Stromrechnung für einen Durchschnittshaushalt könnte sich dadurch Berechnungen zufolge um ungefähr 20 bis 30 Euro im Jahr erhöhen. Jetzt hat ein Gericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausnahmeregelungen geäußert.

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hält es für rechtswidrig, dass die Regierungskoalition aus Union und FDP die Netzkosten für manche Unternehmen per Verordnung auf null gesetzt hat. Dies kann nach vorläufiger Bewertung des Gerichts nur durch ein Gesetz geschehen.

Die Grünen fordern, die Befreiung teilweise wieder rückgängig zu machen. „Grundsätzlich ist es richtig, besonders energieintensive Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen, vom Netzentgelt zu befreien“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin unserer Zeitung. Die Bundesregierung habe die Regelung aber „massiv ausgeweitet“, ohne dass der erwartete Anstieg bei den Strompreisen eingetroffen ist. Ein Großteil der befreiten Betriebe benötigt die Befreiung Trittin zufolge nicht. „Ein Golfplatz kann weder ins Ausland abwandern, noch steht er in so scharfem Wettbewerb, dass die Stromkosten den Golfplatz unrentabel machen würden.“ Unter den mehr als 1000 Firmen, die bei der Bundesnetzagentur eine komplette oder teilweise Befreiung beantragt haben, sind neben einigen Golfplätzen auch Lebensmittel-Discounter, Altenheime, Kirchen, Masthähnchenproduzenten und Modelabels. „Gerade bei der Befreiung von Netzentgelten gibt es ein großes Maß an Wettbewerbsverzerrung und Mitnahmeeffekte“, sagt Trittin. Ob die Anträge bewilligt werden, ist allerdings noch unklar.

Auch bei der EEG-Umlage stellen immer mehr Unternehmen Anträge auf Befreiungen, nachdem die Voraussetzungen erleichtert wurden. Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gingen in diesem Jahr bis Ende August bereits mehr als 2000 Anträge ein. Im vergangenen Jahr waren es 734 Anträge. Die Bundesnetzagentur beziffert die Entlastung der Betriebe allein bei den Netzentgelten auf 440 Millionen Euro für 2012. Der rheinland-pfälzische Umweltpolitiker Thomas Gebhart (CDU) verteidigte die Regelungen: „Wir können bestimmte Branchen nicht voll belasten, sonst verlieren wir Arbeitsplätze“, sagt er.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann