Der „Guttenberg der CDU“? Interview mit Christian von Stetten

Zwei Ordnungspolitiker unter sich: CDU-Finanzexperte Christian von Stetten (l) möchte sich mit CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht vergleichen, aber er schätzt ihn sehr.
Zwei Ordnungspolitiker unter sich: CDU-Finanzexperte Christian von Stetten (l) möchte sich mit CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht vergleichen, aber er schätzt ihn sehr. Foto: dpa

Berlin . Im Heimatwahlkreis des CDU-Finanzexperten Christian von Stetten gibt es etwas, von dem viele andere Landstriche in Deutschland träumen: Vollbeschäftigung. Nicht nur deshalb blicken viele Christdemokraten auf die Nachwuchshoffnung der CDU. Für viele gilt er als „Guttenberg der CDU“. Im Interview weist er diese Bezeichnung weit von sich, denn seine Zukunft sieht er nicht allein in der Politik.

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Berlin – Im Heimatwahlkreis des CDU-Finanzexperten Christian von Stetten gibt es das bereits, wovon andere Landstriche in Deutschland träumen: Vollbeschäftigung. Im baden-württembergischen Schwäbisch Hall-Hohenlohe liegt die Arbeitslosenquote bei unter drei Prozent. Nicht nur deshalb blicken viele Christdemokraten auf die Nachwuchshoffnung der CDU. Der Vize-Chef des Parlamentskreises Mittelstand gilt für viele als Guttenberg der CDU. Im Interview weist er diese Bezeichnung weit von sich. Denn seine Zukunft sieht er nicht allein in der Politik. Er will in naher Zukunft in seinen eigenen Betrieb zurückkehren, den derzeit sein 70-jähriger Vater führt.

Angela Merkel hat die Grünen beim CDU-Parteitag scharf angegriffen. Ist das im Vorfeld der Baden-Württemberg-Wahl hilfreich?

Die Grünen sind derzeit gegen sämtliche Großprojekte, ob Stuttgart 21 oder die Olympischen Spiele in München. Mit einer Partei, die praktisch alle großen Zukunftsprojekte bekämpft, haben wir als CDU keine Gemeinsamkeiten. Daher war die Rede von Angela Merkel genau richtig.

Die CDU könnte 2011 aber auf die Grünen angewiesen sein, um an der Macht bleiben zu können.
Das glaube ich nicht. Ich bin davon überzeugt, dass die Wahl gut ausgehen wird für CDU und FDP und dass wir die Regierung fortsetzen können. Das Thema Stuttgart 21 ist auch eine große Chance für die CDU. Denn damit können wir zeigen, dass es Unterschiede zwischen den Parteien gibt. Die Baden-Württemberger werden sich in den nächsten Monaten intensiv mit dem Thema beschäftigen. Und danach wird sich auch nicht mehr die Frage nach einem grünen Koalitionspartner stellen.

Was hat die CDU aus Stuttgart 21 gelernt?
Ich denke, dass man in Stuttgart begriffen hat, dass das Projekt nicht richtig vorbereitet worden ist. Mit den Anwohnern wurde nicht genug gesprochen.

Wie kann die Beteiligung der Bürger an verbessert werden?
Wir müssen vor allem die Planungsphasen deutlich verkürzen. Die Stuttgarter waren in Teilen der Meinung, dass der Bahnhofsumbau eh nie kommt. Sie haben kein Verständnis dafür, dass man zehn Jahre plant, ehe gebaut wird. Aber auch in Stuttgart gab es eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Die Pläne wurden veröffentlicht. Und es gab 11 000 Einsprüche gegen das Projekt. Da kann man nicht behaupten, dass die Bürger nicht informiert waren.

Anderes Thema: Die Regierung profitiert wenig vom Aufschwung. Was läuft schief?
Wichtig ist erst einmal, dass die Bürger davon profitieren. Zum einen sinkt die Arbeitslosigkeit deutlich. Zum anderen muss und wird es aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums deutliche Lohnerhöhungen geben. Wenn die Bürger eine gesicherte Zukunft haben, dann wird das auch irgendwann auf die Regierung ausstrahlen.

Karl-Theodor zu Guttenberg strahlt für viele in der Union bereits. Sie gelten als Guttenberg der CDU. Ist er für sie ein konservatives Vorbild?
Mit Guttenberg möchte ich mich nicht vergleichen. Er ist eine Lichtgestalt in der gesamten Union, die wir brauchen und die uns guttut. Guttenberg sagt, was er denkt, und er macht, was er sagt. Das kommt gut an. Er verkörpert für mich eher ein ordnungspolitisches Konzept, das auch ich vertrete. Der Staat sollte sich nicht überall einmischen. Er sollte sich auf das beschränken, was notwendig ist.

Viele Bürger wollen am Aufschwung teilhaben. Wie kann das gelingen?
In Baden-Württemberg ist Erstaunliches passiert: In der Krise wurde zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vereinbart, Lohnerhöhungen nach hinten zu schieben, um die Betriebe zu retten. Und jetzt werden die erst für Mai oder Juni 2011 geplanten Lohnerhöhungen vorgezogen. So profitieren auch die Beschäftigten vom Aufschwung. Außerdem kommen jetzt viele Hunderttausend Mitarbeiter aus der Kurzarbeit heraus. Auch das bedeutet mehr Lohn.

Steuerliche Entlastungen halten Sie aber nicht für möglich.
In diesem Punkt gebe ich der Kanzlerin recht: Zunächst muss der Haushalt konsolidiert werden, parallel müssen wir die Steuern vereinfachen. Nach meiner Beobachtung haben die Bürger großes Verständnis dafür, dass es zunächst keine Steuerentlastungen geben wird. Aber sie wollen ihre Lohnsteuererklärung wieder verstehen. Aus meiner Sicht ist das derzeitige Steuersystem den Bürgern nicht mehr zumutbar. Nur wenn sich der Aufschwung weiter fortsetzt, dann kann es eine weitere Entlastung noch vor 2013 geben.

Wie stellen Sie sich eine Steuervereinfachung vor?
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus hat vorgeschlagen, dass Arbeitszimmer künftig pauschal mit einer Summe von 960 Euro steuerlich angerechnet werden können. Das ist vernünftig. Aber wir brauchen erst noch Vergleichsfälle. Die haben wir erst im nächsten Jahr. Deshalb wird es eine Entscheidung darüber erst dann geben. Oder das Thema Haltefristen: Sie müssen Steuerunterlagen derzeit zehn Jahre aufbewahren. Das halte ich für deutlich zu lang. Wir könnten die Bürger mit einem Schlag entlasten, ohne dass es den Staat etwas kosten würde. Wir müssen aber erst prüfen, ob eine Verkürzung rechtlich auch möglich ist. Deshalb haben wir dem Finanzminister 97 Vorschläge zur Prüfung vorgelegt. Ich wehre mich aber dagegen, dass wir das jetzt auf 18 Vorschläge begrenzen und auf ein Entlastungsvolumen von 500 Millionen Euro. Wir brauchen ein richtiges Paket.

Wie groß muss es sein?

Für ein großes Paket brauchen wir zwei Milliarden Euro. Wir müssen Einnahmen aus der Tabaksteuer, die nicht zur Entlastung energieintensiver Betriebe bei der Ökosteuer fließen, hinzuziehen, und auch die Länder müssen sich an der Finanzierung beteiligen.

Halten Sie denn eine Entlastung bei Sozialbeiträgen für möglich?

Mein Fernziel ist, dass wir das Vorziehen der Sozialbeiträge am Ende des Jahres, das noch unter Rot-Grün beschlossen wurde, wieder zurücknehmen. Das heißt, dass die Arbeitgeber derzeit am 28. Dezember statt am 15. Januar schon die Versicherungsbeiträge überweisen müssen. Wenn die Rentenkassen jetzt aber wieder voll sind, könnten wir dies wieder zurücknehmen. Das wäre aber eine riesige Liquiditäts-Entlastung für den Mittelstand. Da kann es sich leicht um sechsstellige Beträge handeln.

Das Gespräch führte Christian Kunst