Tel Aviv

Der ewige Konflikt in Nahost: Warum es seit Jahrzehnten keinen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern gibt

Der israelisch-palästinensische Konflikt bestimmt seit Jahrzehnten die politische Lage im Nahen Osten. Sechs Aspekte, die beim Verstehen helfen können.

Von Sara Lemel, Christina Storz
Lesezeit: 3 Minuten
Hamas-Großangriff auf Israel – Tel Aviv
08.10.2023, Israel, Tel Aviv: Israelis inspizieren die Trümmer eines Gebäudes, einen Tag nachdem es von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde. Israel ist am jüdischen Feiertag Simchat Tora (Freude der Tora) von einer großangelegten Militäraktion der islamistischen Hamas überrascht worden. Hamas griff vom Gazastreifen massiv aus der Luft, am Boden und von See aus an. Beim Gegenangriff des israelischen Militärs auf den Gazastreifen wurden nach palästinensischen Angaben auch dort Hunderte getötet und verletzt.
Foto: Oded Balilty/AP/dpa

1 Kriege und Aufstände
Nach der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 griffen fünf arabische Staaten Israel an, der erste Nahostkrieg begann. Im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens 1949 übernahm Jordanien die Kontrolle über Ostjerusalem und das Westjordanland, Ägypten über den Gazastreifen. Im Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel diese Gebiete. Die UN-Resolution 242 fordert einen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten. Bei zwei Palästinenseraufständen (1987–1993 und 2000–2005) gab es viele Todesopfer auf beiden Seiten. Seit 2008 hat sich Israel mit der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas und anderen militanten Palästinensern immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen geliefert.

2 Friedensabkommen und Annäherungen
Mit den beiden nördlichen Nachbarländern Syrien und Libanon befindet sich Israel offiziell noch im Kriegszustand. Ägypten hat 1979 als erstes arabisches Land einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnet, 1994 folgte Jordanien. 2020 unterzeichneten die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain Annäherungsabkommen mit Israel. Im Rahmen der Abraham-Abkommen kündigten auch Marokko und der Sudan eine Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel an. Derzeit gibt es unter US-Vermittlung Gespräche zwischen Israel und Saudi-Arabien.

3 Die Palästinensischen Gebiete
Die Palästinensischen Gebiete sind ein Begriff für das Westjordanland, den Gazastreifen und den arabisch geprägten, 1967 von Israel eroberten und später annektierten Ostteil Jerusalems. Die Palästinenser fordern diese Gebiete für einen künftigen unabhängigen Staat. Bis 1918 gehörte das historische Palästina, ein Gebiet zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer, vier Jahrhunderte lang zum Osmanischen Reich. Danach übernahm Großbritannien als Mandatsmacht die Kontrolle. Ein UN-Plan sah 1947 die Aufteilung des Gebiets in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor. Dies wurde von der zionistischen Führung akzeptiert, von arabischer Seite aber zurückgewiesen. Im Rahmen der nach 1993 unterzeichneten Friedensverträge zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO erzielten die Palästinenser eine Teilautonomie im Gazastreifen und Westjordanland. Für die Palästinenser war zentrales Ziel stets ein eigener Staat. Eine angestrebte Ausweitung der Palästinensischen Autonomiegebiete blieb jedoch aus, die Friedensverhandlungen scheiterten 2014 endgültig.

Der Gazastreifen (08.10.2023)
Allgemeine Übersichtkarte des Gazastreifens. Grafik: R. Mühlenbruch/A. Brühl, Redaktion: J. Schneider/I.Kugel
Foto: dpa-infografik GmbH/dpa

4 Die Palästinensische Autonomiebehörde
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wurde 1994 gegründet auf der Basis der Friedensverträge zwischen Israel und der PLO. Sie ist zuständig für grundlegende Dienstleistungen wie die Versorgung mit Wasser und Strom, das Schulsystem und die Müllabfuhr. Sie gibt aber auch Dokumente wie Pässe, Geburts- und Todesurkunden sowie Führerscheine aus. Wichtigster Geldgeber der Palästinenserbehörde ist die Europäische Union. Der erste Palästinenserpräsident war Jassir Arafat, nach seinem Tod 2004 wurde Mahmud Abbas PLO-Chef. Im Jahr darauf wurde Abbas direkt vom Volk zum Präsidenten gewählt. Seine Amtszeit ist seit 2009 abgelaufen, es gab danach keine Wahl mehr. Die letzte Parlamentswahl fand im Januar 2006 statt, damals siegte die Hamas. Die vierjährige Legislaturperiode ist seit 2010 abgelaufen. Seitdem gibt es keine demokratisch legitimierte Führung mehr. Eine Neuwahl fand wegen fortwährender Streitigkeiten zwischen der Fatah-Bewegung von Abbas und der im Gazastreifen herrschenden Hamas bislang nicht statt.

5 Die israelischen Siedlungen
Nach der Eroberung des Westjordanlands und Ostjerusalems begann Israel mit der systematischen Besiedlung des Gebiets. 1980 annektierte Israel Ostjerusalem. Auch im Gazastreifen gab es 21 israelische Siedlungen, die jedoch im Zuge des israelischen Abzugs 2005 komplett geräumt wurden. Im Westjordanland leben neben den etwa drei Millionen Palästinensern inzwischen auch etwa eine halbe Million israelische Siedler in rund 200 Siedlungen, zusammen mit Ostjerusalem sind es sogar 700.000 Siedler. Nach internationalem Recht dürfen Staaten keine eigene Zivilbevölkerung in besetztes Territorium umsiedeln. Der UN-Sicherheitsrat hatte Israel Ende 2016 zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ostjerusalem aufgefordert. Siedlungen werden in der UN-Resolution 2334 als Verstoß gegen internationales Recht bezeichnet. Israel vertritt dagegen die Auffassung, das 1967 eroberte Westjordanland sei zuvor kein Staat, sondern nur von Jordanien kontrolliert gewesen. Israel beruft sich zudem auf das Völkerbundsmandat für Palästina von 1922, in dem historische Rechte der Juden auf das Land bestätigt wurden. Die Siedler sehen sich im Westjordanland nicht als Fremdkörper. Nach ihrem Verständnis leben sie in Judäa und Samaria, dem Land ihrer Vorväter.

Gazastreifen (08.10.2023)
Grafik/Redaktion: A. Brühl, S. Stein
Foto: dpa-infografik GmbH/dpa

6 Der Gazastreifen
Im Gazastreifen herrscht seit 2007 de facto die islamistische Hamas. Sie wird von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft. Israel und die Hamas haben sich bereits drei Kriege geliefert: 2008/2009, 2012 und 2014. Dabei wurden Tausende von Menschen getötet. Militante Palästinenser im Gazastreifen feuern immer wieder Raketen auf israelisches Grenzgebiet und senden Brand- und Sprengstoffballons. Israel reagiert darauf meist mit Angriffen auf Hamas-Ziele. Israel hatte 2007 eine Blockade des Gazastreifens verschärft, die inzwischen von Ägypten mitgetragen wird.