Berlin

Der blanke Hass auf Flüchtlinge: Til Schweiger trifft auf Fremdenfeindlichkeit

Ein Bus mit Flüchtlingen trifft in Hessen ein. Während einerseits die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung noch immer groß ist, steigt andererseits die Zahl der Übergriffe auf Unterkünfte in Deutschland. Kann die Stimmung kippen wie Anfang der 90er-Jahre?
Ein Bus mit Flüchtlingen trifft in Hessen ein. Während einerseits die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung noch immer groß ist, steigt andererseits die Zahl der Übergriffe auf Unterkünfte in Deutschland. Kann die Stimmung kippen wie Anfang der 90er-Jahre? Foto: dpa

Viele Politiker werden nicht müde zu betonen, dass heute alles anders ist als in den 90er-Jahren. Damals machte sich unter dem Eindruck der mehr als 400 000 vor allem aus der damaligen Kriegsregion auf dem Balkan stammenden Flüchtlinge eine Stimmung breit, die in Schlagzeilen wie „Das Boot ist voll“ mündete.

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Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann

Asylbewerberheime brannten, Hilfesuchende kamen dabei ums Leben, das Land zeigte eine hässliche Fratze aus Ängstlichkeit und Ausländerfeindlichkeit. Heute ist die Hilfsbereitschaft vielerorts noch immer überwältigend. Doch auch die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte nimmt zu.

Wieviel tumber Hass sich offenbar bei manchen Bahn bricht, kam in erschreckenden Auszügen in der Diskussion um Til Schweigers Engagement für Flüchtlinge zum Ausdruck. Der 51-jährige Schauspieler („Der bewegte Mann“, „Keinohrhasen“) ist einer, der mit seinen Filmen polarisiert und auf seiner Facebook-Seite manchmal so plump und derb seinen Kritikern die Meinung geigt, dass man ihn locker für mindestens 35 Jahre jünger halten müsste. Dafür lieben ihn seine Fans. Dafür (und wohl auch gelegentlich für seine Filme) verachtet ihn das bürgerliche Feuilleton.

Wieviel tumber Hass sich offenbar bei manchen Bahn bricht, kam in erschreckenden Auszügen in der Diskussion um Til Schweigers Engagement für Flüchtlinge zum Ausdruck.
Wieviel tumber Hass sich offenbar bei manchen Bahn bricht, kam in erschreckenden Auszügen in der Diskussion um Til Schweigers Engagement für Flüchtlinge zum Ausdruck.
Foto: dpa/picture alliance
Als er vor einigen Tagen aber auf seiner Seite zwischen Erfolgsmeldungen über seine Filme und anderen Neuigkeiten erklärte, dass er ein Flüchtlingsheim bauen will, erreichte ihn ein Sturm der Empörung und des Hasses, wie er ihn bisher wohl nicht kannte. Mehr als eine Million Fans hat Schweiger mit seiner Seite. Ungefiltert landen dort nun wüste Beschimpfungen, Fäkalsprache inklusive.

Ein Treffen mit Vizekanzler Sigmar Gabriel heizt die fremdenfeindliche Stimmung, die sich nun auf seiner Facebook-Seite Bahn bricht nur noch weiter an. Schweiger hatte die Bundesregierung aufgefordert, entschiedener gegen Fremdenfeindlichkeit vorzugehen und Flüchtlinge besser zu unterstützen. Gabriel meldet sich bei ihm. Und Schweiger schreibt: „Bäm!!! Der Vizekanzler hat sich gemeldet! Und er hat sich eine halbe Stunde an seinem Feierabend meinen Frust angehört.... meinen Frust darüber, dass es in diesem Land, das noch vor nicht allzu langer Zeit selbst auf der Flucht war (und wer weiss, vielleicht irgendwann wieder sein wird) soviel Fremdenfeindlichkeit und blanken Hass gibt.“ Die meisten der mehr als 360 Antworten sind wiederum voller Hass und Frust.

„Die Flüchtlinge schlagen die Security und verachten die Deutschen, zum Großteil“, schreibt eine Frau Hoppel. Und Sahin erklärt: „Wir haben selber nichts zu fressen. Keiner denkt an uns. Die ganze Welt liegt auf unserer Tasche.“ Herr Weigel schreibt: „Warum versteckt sich unsere Generation immer noch hinter Hitler!? Ich finde wir sollten in erster Linie die eigene Lage verbessern, ehe wir uns um andere kümmern.“ „Zu viel Honig im Kopf, Herr Schweiger?“, beginnt eine weitere Beschimpfung. Und so geht es fort. Schweiger wäre natürlich nicht Schweiger, wenn er nicht in ähnlichem Tonfall zurückholzen würde. „Ihr seid so arm....!!!! Anstatt uns bei einer extrem wichtigen Sache zu unterstützen, giesst ihr eure Häme aus...! Schämt euch!!!“, keilt er zurück. Seither sind auf seiner Seite jegliche Hemmschwellen gefallen, gegen Ausländer zu hetzen, zu beleidigen, Schweiger selbst und Politiker herabzuwürdigen. Schweiger aber ist nur ein besonders prominentes Beispiel, andere Engagierte traf bereits ähnlich hasserfüllte Rhetorik in Bezug auf Flüchtlinge. Doch wieviel davon ist ernst zu nehmende Fremdenfeindlichkeit, die sich verstärkt?

Politiker der Großen Koalition begegnen dem, in dem sie die große Unterstützung für Flüchtlinge in Deutschland weiter betonen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD) bezeichnet die Hilfsbereitschaft noch immer als „übergroß“. Mancherorts wird bereits zu einem Stopp von Sachspenden aufgerufen, weil einfach zu viel gespendet wird. Es gibt Gemeinden, die ausdrücklich erklären, dass sie Flüchtlinge aufnehmen wollen. In anderen aber werden auch Asylbewerberheime in Brand gesteckt. Die Stimmung ist trotzdem nicht mit den 90er-Jahren vergleichbar. Ob sie aber kippen kann, ist schwer abzusehen. In dieser Woche wird die Bundesregierung die Zahl der Flüchtlinge erheblich nach oben korrigieren – auf etwa 600 000, wie vorab bekannt wurde.

Ob die Unterstützung groß bleibt, wird vor allem davon abhängen, wie gut es den Behörden gelingt, die Menschen noch unterzubringen.