Debat-O-Meter misst Schlussrunde in ARD und ZDF: Wagenknecht und Lindner und nutzen Chance in letzter Wahldebatte

Angela Merkel wollte nur eine Debatte zwischen ihr und Martin Schulz während des Bundeswahlkampfes. Die große Schlussrunde zur Wahl 2017 in ARD und ZDF wäre die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit allen Wettbewerbern gewesen. Stattdessen nahmen Ursula von der Leyen (CDU) und Manuela Schwesig (SPD) als Vertreter in der Debattenrunde Platz. Dort stellten sich mit Sahra Wagenknecht (Linke), Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Christian Lindner (FDP), Joachim Herrmann (CSU) und Alexander Gauland (AfD) gleich fünf weitere Spitzenpolitiker den Fragen von Bettina Schausten und Tina Hassel.

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Über 4600 Zuschauer nutzten dabei die Möglichkeit mit dem „Debat-O-Meter“, das an der Universität Freiburg entwickelt wurde, die sieben Kandidaten live zu bewerten – darunter auch viele Leser unserer Zeitung. Dabei konnten die Zuschauer über das Internet mit Smartphones, Tablets oder PCs die Argumente und der Politiker bewerten. Insgesamt gaben sie dabei rund 500.000 Einzelbewertungen ab.

Wagenknecht und Lindner gewinnen Debatte

Die wichtigsten Themen, die in der Vorbefragung abgefragt wurden waren „Soziale Gerechtigkeit“ (27,4% der Nennungen), „Flüchtlinge“ (18,4%), „Innere Sicherheit“ (17,6%) und „Rente“ (10,8%). Diese Themen spielten dann auch in der Debatte die größte Rolle. Bei der Frage nach dem erwarteten Sieger haben sich die Teilnehmer des Debat-O-Meter im Vorfeld der Debatte deutlich auf Sahra Wagenknecht (26,8%) und Christian Lindner (19,3%). Die größte Gruppe war jedoch die, die keinen klaren Sieger erwarteten (37,9%).

Untersucht man die Echtzeitbewertungen im Debat-O-Meter nach den Teilgruppen Unentschlossene, linkes Lager (Linke, Grüne und SPD-Anhänger), bürgerliches Lager (CDU, CSU und FDP-Anhänger) sowie AfD-Anhänger, dann schneidet Ursula von der Leyen bei den Unentschlossenen und den AfD-Anhängern am schlechtesten ab. Im linken Lager wird die Verteidigungsministerin am zweitschlechtesten und selbst im bürgerlichen Lager kommt sie hinter Lindner und Herrmann nur auf dem dritten Platz. Bei den Unentschlossenen liegt Wagenknecht vor Göring-Eckardt und Lindner. Im gesamten linken Lager liegt Wagenknecht vor Göring-Eckardt und Schwesig vorne. Bei den AfD-Anhängern gewinnt Gauland, auf Platz 2 kommt jedoch Wagenknecht. Dies überrascht auf den ersten Blick, wird aber erklärbar, weil Teile der Wählerschaft beider Parteien sich sozialstrukturell ähneln.

Bei der Frage nach dem Debattensieger gab es am Ende der Debatte mit Sahra Wagenknecht (27,2%) und Christian Lindner (16,2%) zwei Gewinner, wobei jeder fünfte keinen Sieger in der Debatte ausmachen könnte. Am Ende lagen der etwas müde wirkende Gauland sowie Ursula von der Leyen, die nur 3,7 Prozent erhielt.

Erste Runde: Vier Frauen gegen Gauland

Im ersten Themenkomplex der Debatte ging es um den Zustand der Republik im Wahlkampf. Die Diskussion drehte sich schnell um die Rolle der AfD bei den Protesten gegen Angela Merkel. Alexander Gauland war umgehend in der Defensive und musste sich den Attacken der vier Frauen in der Runde erwehren. Dabei wurden seine Aussagen im Wahlkampf gegen die Ausländerbeauftragte Özoguz (in „Anatolien entsorgen“) besonders kritisiert.

Zweite Runde: Soziale Gerechtigkeit, Pflege und Rente

Der nächste Block drehte sich um die von Teilnehmern als wichtigstes Thema identifizierte Soziale Gerechtigkeit. Sahra Wagenknecht punktete hier im Debat-O-Meter mit der Aussage: „Mit Riester macht man nur die Banken reich“. Alexander Gauland gab dabei Defizite im Rentenprogramm der AfD zu. Und die ehemalige Familienministerin von der Leyen blieb in diesem Themenfeld, welches sie jahrelang verantwortete, blass und tauchte in der Diskussion unter. Göring-Eckardt war deutlich aktiver als in manchen TV-Auftritten zuvor, vor allem bei dem Thema Bildung und Digitalisierung. Bemerkenswerte Einigkeit aller Parteien gab es bei der Forderung der Aufhebung des Kooperationsverbots in der Bildungspolitik. Dies konkretisierte Manuela Schwesig mit der Forderung die Überschüsse des Bundes in der Bildung einzusetzen.

Lindner punktet vor allem bei der Inneren Sicherheit und bei der Aussage, dass der Fall des Terroristen Amri hätte verhindert werden können, wenn es die föderale Zersplitterung der Sicherheitsorgane nicht gegeben hätte. Interessant war auch die durchgehend gute Echtzeitbewertung von Sahra Wagenknecht bei ihren Anhängern. Diese brach etwas ein als sie sich für mehr Polizeistellen ausgesprochen hat. Die letzte inhaltliche Runde drehte sich um die Frage: Kann Deutschland noch Zukunft. Gauland bezweifelte als Einziger den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel und kam zum Ergebnis: „Lasst die Energiewende bleiben.“ Mit dieser Meinung stand er alleine in der Runde. Ursula von der Leyen musste das Verfehlen der Klimaziele und das Nichterreichen der Elektroautoquote rechtfertigen, was ihr aus Sicht der Debat-O-Meter-Teilnehmer nur schlecht gelang. Der liberale Frontmann Lindner wandte sich gegen Quoten und Verbote und forderte Technologieoffenheit und Wettbewerb, um den Mobilitätswandel zu organisieren.

Moderatorinnen bevorzugen von der Leyen und benachteiligen Gauland

Abschließend wurden die Debat-O-Meter Teilnehmer noch gefragt wen die Moderatorinnen bevorzugt und benachteiligt hätten. Immerhin 41,4% der Teilnehmer konnten keine Bevorzugung ausmachen. Am meisten bevorzugt wurde demnach – so 19 Prozent der Teilnehmer – Ursula von der Leyen. Am stärksten benachteiligt von den Moderatorinnen, so der Eindruck von immerhin 34,1% der Teilnehmer, war Alexander Gauland. Keine Benachteiligung eines der Politiker konnten 26,2% feststellen.