USA

Corona-Pandemie trifft Schlachtbetriebe mit voller Wucht: Den USA geht das Fleisch aus

Von Thomas Spang

Wendy's machte über Jahre Werbung mit dem einprägsamen Slogan „Where is the Beef?” („Wo ist das Fleisch?“). Genau diese Frage stellen sich nun Kunden der Fast-Food-Kette, der das Rindfleisch ausgeht. „Ausverkauft” steht auf den Schildern vor etwa jedem fünften Schnellrestaurant der Marke in den USA.

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Der Konzern habe „unter den gegenwärtigen Produktionsherausforderungen” Probleme, Nachschub zu sichern, verrät ein Wendy's-Sprecher, wo das Fleisch ist.

Gemeint sind die Covid-19- Infektionswellen, die über Amerikas gigantische Schlachthöfe hereingebrochen sind und rund ein Drittel der Fleischproduktion zum Erliegen gebracht haben. Dutzende Schlachtereien mussten vorübergehend schließen, nachdem sie zu Hotspots der Corona-Pandemie in den USA geworden sind.

Landgemeinden mit Schlachthöfen in Iowa, Nebraska, Minnesota, South Dakota, Illinois oder Indiana – um nur einige zu nennen – haben pro Kopf eine höhere Infektionsrate als das Epizentrum der Pandemie, New York City. Nach Angaben der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC sind bereits mehr als 5000 Arbeiter in 115 Schlachthöfen in 19 Bundesstaaten an dem Erreger erkrankt und mehr als 20 daran verstorben.

Katastrophale Zustände

Die Arbeitsbedingungen in den 800 Schlachtfabriken Amerikas galten schon vor Ausbruch der Pandemie als brutal. In Schichten töten, zerlegen und verpacken Hunderte Arbeiter in eiskalten Fabriken Rinder, Schweine und Hühner. Oft Schulter an Schulter und in einem Lärm, der die Beschäftigten am Fließband zwingt, dicht an ihre Aufseher heranzutreten, wenn sie sich zu einem Toilettengang abmelden.

Die Verletzungsgefahr ist erheblich, der Lohn minimal, und wer wegen Krankheit nicht zur Arbeit kommt, wird nicht bezahlt. Rund 70 Prozent der Beschäftigten der Industrie sind Latinos oder Schwarze, die auch Hauptleidtragende der Pandemie sind. Als sich das Virus unsichtbar ausbreitete, stellten ihnen Unternehmen wie Smithfield, JBS und Tysons weder Masken zur Verfügung, noch sorgten sie für den vorgeschriebenen Abstand.

Als Sergio Rodriguez, der mehr als 40 Jahre in einem JBS-Schlachthof von Greeley im US-Bundesstaat Colorado arbeitete, sich krank fühlte und abmelden wollte, verlangte sein Vorgesetzter, dass er bleibt. Der 58-Jährige teilte weiter Handschuhe und Schürzen aus. Ein paar Tage später hing er an der Beatmungsmaschine. Mehr als 100 Arbeiter infizierten sich, mindestens vier erlagen dem Virus. Ungeachtet der Gefahren für die Beschäftigten machte der US-Präsident vergangene Woche erstmals während der Pandemie von dem „War Powers Act” Gebrauch und erklärte die Schlachtfabriken nach Intervention der Industrie für „essenziell”. Dazu hatte sich Trump bei der Produktion von Schutzmasken oder Beatmungsgeräten nicht durchringen können. „Ich denke, wir lösen damit das Haftungsproblem”, sicherte der US-Präsident den Großschlachtereien Rechtssicherheit zu, wenn diese Arbeiter entgegen örtlicher Anordnungen von Kreisen, Städten oder Gesundheitsbehörden zurück in die Fabrik zwingen.

Die Entscheidung löste einen Aufschrei der Empörung aus. „Wenn sie in einer Schlachtfabrik arbeiten”, ätzt der Kolumnist Eugene Robinson in der „Washington Post“, „werden sie auf Anweisung des Präsidenten für weniger essenziell eingestuft als das Steak, das sie schneiden.” Der Rechtsexperte Bill Marler erkennt in Trumps Dekret angesichts der Zusammensetzung der Arbeiterschaft aus überwiegend Latinos und Schwarzen auch eine rassistische Komponente. „Wenn es sich um weiße Studenten einer Graduiertenschule handelte, würden wir alle ausrasten.”

Leere Tiefkühltruhen

Unbestritten hat die Krise in Amerikas Fleischindustrie aber auch mit dem hohen Grad an Konzentration zu tun. Diese lässt sich daran ablesen, dass drei geschlossene Schweineschlachthöfe in Waterloo (Iowa), Sioux Falls (South Dakota) und Worthington (Minnesota) allein für 15 Prozent der Gesamtproduktion an Schweinefleisch in den USA verantwortlich sind.

„Schlachtereien sind der Flaschenhals im System”, sagt Julie Niederhoff von der Syracuse University. „Wenn sie schließen, haben wir ein Problem.” Trotz Trumps umstrittenem Dekret hat der Dominoeffekt der Produktionsausfälle nicht nur die Hamburgerbratereien, sondern auch die Tiefkühltruhen der Amerikaner erreicht. Mehrere Supermarktketten beschränkten die Menge an Fleisch, die einzelne Kunden kaufen dürfen.

Immer mehr Konsumenten wenden sich aus Protest gegen die lebensbedrohlichen Arbeitsbedingungen und den Engpässen fleischlosen Alternativen zu. Laut Marktforschern hat sich der Absatz von nicht tierischen Alternativen binnen Jahresfrist um 278 Prozent erhöht. Der Chef der fleischlosen Impossible Burgers, Dennis Woodside, erwartet für das laufende Jahr 2020 ein Wachstum um das 50-fache. Thomas Spang

Die USA haben Kritik der Bundesregierung an ihrem Zahlungsstopp für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach einem Medienbericht zurückgewiesen. „Unsere höchste Priorität gilt dem Schutz von Leben, nicht öffentlichkeitswirksamen Gesten und kleinlicher Politik“, hieß es in einem Antwortschreiben von US-Außenminister Mike Pompeo an seinen deutschen Kollegen Heiko Maas (SPD), das der „Süddeutschen Zeitung“ vorlag.

Maas hatte den von US-Präsident Donald Trump im vergangenen Monat verkündeten Stopp der Zahlungen an die WHO kritisiert. „Eine der besten Investitionen im Kampf gegen die Pandemie ist es, die Vereinten Nationen, allen voran die unterfinanzierte Weltgesundheitsorganisation, zu stärken – zum Beispiel bei der Entwicklung und Verteilung von Tests und Impfstoffen“, sagte der SPD-Politiker damals. „Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen in der Corona-Krise nicht“, so Maas.

Trump hat China mehrfach vorgeworfen, das Virus nicht eingedämmt und den Rest der Welt nicht frühzeitig informiert zu haben. Die WHO beschuldigte er kürzlich, eine „PR-Agentur für China“ zu sein. Kritiker werfen Trump vor, in der Corona-Krise Sündenböcke zu suchen, um von eigenen Versäumnissen beim Kampf gegen das Virus in den USA abzulenken.