Berlin/Rheinland-Pfalz

CDU-Vize Fuchs im Interview: Mindestlohn zu bürokratisch und teuer

Fuchs: Mindestlohn zu bürokratisch und teuer Foto: dpa

In der Großen Koalition liegen einige Nerven blank: Die SPD, die Mindestlohn, Frauenquote und Rente mit 63 durchgesetzt hat, verharrt weiter im Umfragetief. Und in den von Umfragewerten verwöhnten CDU-Reihen, die teils nur zähneknirschend SPD-Projekten zustimmte, wächst der Frust, dass die SPD überzieht. Zudem schießt Bayerns CSU bei der Energiewende quer. Der Vize der Unionsfraktion, Michael Fuchs, spielt Spekulationen um Turbulenzen herunter.

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Aber im Gespräch mit unserer Zeitung wird auch seine Kritik am SPD-Partner deutlich: Die Verordnung zum Mindestlohngesetz geht ihm zu weit: „Zu viel Bürokratie, zu teuer“, weil auch 1600 Zollbeamte zur Kontrolle eingestellt werden sollen. „Das kostet 100 Millionen Euro.“

Das Interview im Wortlaut:

Die Union hat dem Mindestlohn bei den Koalitionsverhandlungen zugestimmt. Warum wird die Kritik am dem Gesetz jetzt immer lauter?

Da hilft der Blick in den Koalitionsvertrag. Wir haben vereinbart, den Mindestlohn einzuführen. Wir haben aber nicht vereinbart, dass er polizeikontrolliert eingeführt wird. Die Dokumentationspflichtenverordnung von Ministerin Nahles muss überprüft werden. Die Bürokratie ist viel zu groß. Zur Kontrolle sollen 1600 Zollbeamte eingestellt werden. Das kostet 100 Millionen Euro. Gleichzeitig fehlen überall Polizeibeamte, auch in Rheinland-Pfalz. Deshalb begrüße ich den Vorschlag der Kanzlerin, nach Ostern diese Verordnung genau zu prüfen. Mich stört auch die Sprache von SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi, die alle Unternehmer und vor allem Mittelständler entweder für doof oder für Gauner hält. Die SPD muss auch verbal abrüsten. Zudem ist das Haftungsrisiko, wonach jeder Auftraggeber für Mindestlöhne in Regress genommen werden kann, unzumutbar. Weder ein Unternehmer noch ein Bürger, der ein Haus bauen oder eine Wohnung renovieren will, hat Einblick in die Gehaltslisten einer Firma, wenn er Arbeiten vergibt. Wie kann er dafür haften, wenn ein Betrieb keinen Mindestlohn zahlt?

Streitpunkt Rente mit 63, die es nach 45 Beitragsjahren gibt. Fordern Sie Korrekturen? Bis Ende Februar gingen 255 000 Anträge ein. Für Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) liegt die Zahl im Plan. Warum nicht für CDU-Politiker?

Es gibt unterschiedliche Zahlen, auch die, dass die heutige Zahl erst in einem Jahr zu erwarten war. In jedem Fall wird das Gesetz viel zu teuer. Es ist durchaus zu befürchten, dass die Rentenversicherungsbeiträge steigen. Zudem brauchen wir auch die älteren Facharbeiter. Daher gibt es Gesprächsbedarf.

Welche Korrektur ist denkbar?

Dass die Zeiten der Arbeitslosigkeit möglicherweise nicht in voller Länge angerechnet werden. Die Kosten sind einfach zu gewaltig.

Es bahnt sich weiterer Streit an – mit Ministerin Schwesig. Sie will das Gesetz zur Gehaltsgleichheit und wirbt um ein Gesetz, das es Mitarbeitern einer Firma ermöglicht, das Gehalt von gleichgestellten Kollegen zu erfahren. Sie will damit Rechte der Frauen stärken. Ist das in Ihren Augen falsch?

Ich gehe mal davon aus, dass die Ministerin das Gehaltsgleichheitsgesetz im Sinne des Koalitionsvertrages gestalten wird. Dann bedeutet dies, dass Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern nicht betroffen sind. Alles andere wird mit der Union nicht machbar sein. Mir ist es ganz wichtig, weder Neid noch Missgunst in Betriebe hineinzutragen. Es muss möglich sein, dass ein Arbeitgeber – egal, auf welcher Ebene – besonders gute Leistung von Mitarbeitern auch besser honorieren kann, ohne dies erklären zu müssen. Es ist doch selbstredend, dass die Tarifgehälter rechtlich für alle gelten, ob für Mann oder Frau. Aber oberhalb des Tarifs müssen freie Vereinbarungen weiter möglich sein. Auch Männer und Frauen, die über Tarif bezahlt werden, wollen sich dafür nicht vor ihren Kollegen rechtfertigen müssen.

Wie beschreiben Sie denn das Klima in der Regierung? Es gereizt zu nennen, ist noch untertrieben? Denn es gibt ja auch noch Irritationen und Streit beim Soli und beim Kindergeld.

Sie werden staunen: In meinem Bereich – also bei Wirtschaft und Energie – gibt es keine Differenzen, weder mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel noch mit SPD-Wirtschaftspolitiker Hubertus Heil. Die Zusammenarbeit läuft hervorragend. Wir bereiten gerade eine gemeinsame Klausur zur Energiewende und Versorgungssicherheit am 21. März vor.

Sind Sie sich dabei mit der SPD einiger als mit der CSU? Ministerpräsident Horst Seehofer will ja Bayern möglichst von Stromtrassen freihalten?

Die bayerische Formel „zwei Trassen minus x“ funktioniert nicht. Wir können nur über „zwei plus x“ reden, weil wir vier brauchen. Seehofer wollte den Atomausstieg unbedingt. Nach A muss er auch B sagen. Auch er muss dafür sorgen, dass die an Küsten produzierte Windenergie dahinkommt, wo sie gebraucht wird – in Baden-Württemberg und Bayern.

EON will das modernste Gaskraftwerk Europas in Irsching abschalten, weil es keine Rendite bringt. Müssen Subventionen fließen, damit bei nächtlicher Windstille konventionelle Kraftwerke am Netz sind und Strom liefern können? Denn noch fehlen Stromspeicher.

Wir bezahlen 24 Milliarden für erneuerbare Energie. Aber der liebe Gott entscheidet, wann der Wind weht und die Sonne scheint. Deshalb braucht man eine gewisse Grundlast von konventionellen Stromproduzenten, wenn man das Spiel von Bayern München live bei Flutlicht oder im Fernsehen verfolgen will. Daher müssen alle an der Energiewende Beteiligten Verantwortung übernehmen. Wir brauchen ein sicheres System. Die Anträge an die Bundesnetzagentur, Anlagen abzuschalten, häufen sich von Monat zu Monat immer mehr, weil sich konventionelle Kraftwerke nicht mehr lohnen.

Und wer soll für diese Subventionen aufkommen?

Auch dies ist jetzt zu diskutieren. Ich bin nicht dafür, alle Kosten allein auf Verbraucher und Steuerzahler abzuwälzen.

Sollen auch Ökostromproduzenten zahlen?

Darüber muss man reden.

Das Gespräch führte Ursula Samary