Austausch vereinbart: In Ostukraine sollen jetzt Waffen ruhen

Die Menschen leiden unter dem Krieg: Ivan Saenko, 89, steht in Ilovaisk, in der Nähe von Donezk gelegen, vor den Trümmern seines Hauses. Foto: dpa
Die Menschen leiden unter dem Krieg: Ivan Saenko, 89, steht in Ilovaisk, in der Nähe von Donezk gelegen, vor den Trümmern seines Hauses. Foto: dpa

Kiew. Im Ukraine-Konflikt haben sich Vertreter der Regierung in Kiew und der prorussischen Separatisten im Südosten des Landes auf eine Waffenruhe geeinigt. Beim Treffen der Kontaktgruppe in Minsk wurde vereinbart, die Kampfhandlungen ab Freitagabend beizulegen.

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Von Osteuropa-Korrespondentin Doris Heimann

Direkt nach der Einigung gab der ukrainische Präsident Petro Poroschenko dem Generalstabschef der ukrainischen Armee den Befehl, das Feuer einzustellen. Auf Poroschenkos Internetseite hieß es dazu, diese Entscheidung sei „ausgehend von den Aufrufen des russischen Präsidenten Wladimir Putin an die Anführer der illegalen bewaffneten Formationen im Donbass, das Feuer einzustellen“, getroffen worden.

Russland unterstützt die Separatisten mit Waffen und auch mit Soldaten, die als „Freiwillige“ auf der Seite der Rebellen kämpfen. Der Premierminister der selbst ernannten „Volksrepublik Donezk“, Aleksandr Sachartschenko, bestätigte seinerseits, allen Untereinheiten sei eine Feuerpause befohlen worden.

Kontaktgruppe hat sich auf Zwölf-Punkte-Plan geeignet

Präsident Poroschenko sagte, die Kontaktgruppe habe sich in Minsk auf einen Zwölf-Punkte-Plan geeinigt. „Auf der Basis dieses Dokuments werden wir jetzt eine Landkarte ausarbeiten und Schritt für Schritt diese zwölf Punkte ausfüllen“, sagte Poroschenko. Es handele sich um praktische Schritte, um den Frieden und die Stabilität in den Regionen um Donezk und Lugansk wiederherzustellen. Dabei sollten aber die Souveränität und die territoriale Einheit der Ukraine gewahrt bleiben. Kiew sei bereit, die Dezentralisierung der Macht im Donbass und der Region um Lugansk zu fördern. Man werde ihnen wirtschaftliche Freiheit einräumen sowie die Möglichkeit, die kulturellen Traditionen nationaler Minderheiten zu pflegen.

Ein wichtiger Punkt in der Vereinbarung ist der Austausch Gefangener. Nach Schätzungen halten die Separatisten rund 1000 Angehörige der regierungstreuen Truppen gefangen. Die ukrainische Armee wiederum soll 200 Gefangene gemacht haben. Laut Poroschenko soll bereits an diesem Samstag mit dem Austausch begonnen werden. Ein Sprecher des nationalen Sicherheitsrates in Kiew sagte, auch dafür werde die Feuerpause benötigt.

Telefonat zwischen Putin und Poroschenko

Im Kreml wurde die Einigung der Konfliktparteien begrüßt. Es handelt sich um die Realisierung der Initiativen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seines ukrainischen Amtskollegen Poroschenko, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Moskau hofft jetzt darauf, dass alle erzielten Vereinbarungen von beiden Seiten auch eingehalten werden und dass sich der Verhandlungsprozess bis zur vollen Regelung des Ukraine-Konflikts fortsetzen wird. Putin und Poroschenko hatten vor zwei Tagen in einem langen Telefongespräch die Eckpunkte einer Waffenstillstands-Vereinbarung besprochen.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte nach der vereinbarten Waffenruhe in der Ukraine weitere Schritte der Konfliktparteien hin zu einem Frieden. „Ich begrüße es, wenn ein wirklicher Waffenstillstand geschaffen werden kann“, sagte Rasmussen nach dem Nato-Gipfel im walisischen Newport. „Aber eine Sache ist es natürlich, eine Waffenruhe auszurufen.“ Der „entscheidende Schritt“ sei aber, die Vereinbarung auch umzusetzen, sagte Rasmussen.

Widersprüchliche Angaben über aktuelle Situation

Über die Situation in der umkämpften ostukrainischen Großstadt Donezk gab es am Freitagabend nach Inkrafttreten der Waffenruhe widersprüchliche Angaben. Der für Verteidigung zuständige Minister der selbst ernannten „Donezker Volksrepublik“, Wladislaw Brig, sagte der russischen Agentur Interfax, der entsprechende Befehl über die Einstellung des Feuers sei noch nicht eingegangen. Trotzdem habe sich die Situation in Donezk beruhigt. „In der Stadt ist alles still“, sagte Brig. Dagegen hieß es auf der Internetseite der Stadtverwaltung, es seien weiterhin Explosionen zu hören. Ein Stadtteil werde mit Artillerie beschossen. Nach Angaben der Rebellen schossen die Regierungstruppen von der Seite des Flughafens. Man habe aber das Feuer nicht erwidert, hieß es.

Ungeachtet der Verhandlungen in Minsk, hatte es am Freitag heftige Kämpfe um die südostukrainische Hafenstadt Mariupol gegeben. Die russische Nachrichtenagentur Interfax zitierte einen Angehörigen der Rebellen, wonach die ersten Einheiten bereits in Mariupol eingedrungen seien. Der ukrainische Militärsprecher erklärte dagegen, dass man die Separatisten zurückgedrängt habe.