Außer Kontrolle? So rechtfertigen Flughäfen Einreisen aus Corona-Hotspots

Von Gisela Kirschstein
Wenn der Flughafen zur Heimat auf Zeit wird: Ein Algerier sitzt im Transitbereich in Frankfurt fest.  Foto: dpa
Wenn der Flughafen zur Heimat auf Zeit wird: Ein Algerier sitzt im Transitbereich in Frankfurt fest. Foto: dpa

Trotz Corona-Pandemie und scharfer Beschränkungen für die Menschen in Deutschland landen am Frankfurter Flughafen weiter Flugzeuge aus Hochrisikogebieten wie dem Iran, Spanien und der Lombardei. Fluglärmgegner schlagen nun Alarm und kritisieren, die Reisenden aus den Maschinen müssten weder in Quarantäne, noch würden sie routinemäßig untersucht. Beim Flughafenbetreiber Fraport bestätigt man den Sachverhalt, verweist aber auf die Gesundheitsministerien. Dort verweist man wiederum auf den hohen Aufwand, den medizinische Untersuchungen bedeuten würden.

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Flüge aus Corona-Hotspots

16.07 Uhr London-Heathrow, 19.05 Uhr Madrid, 20.30 Uhr Mailand – im Flugplan am Frankfurter Flughafen stehen auch weiter ganz regulär Verbindungen aus Hochrisikogebieten der Corona-Pandemie. „Es finden täglich mehrere Flüge aus sogenannten Corona-Hotspots wie London, Madrid, Mailand, New York und New Orleans statt, teilweise verbunden mit einem Umsteigen in weitere Corona-Hotspots“, berichtet Lars Nevian vom Vorstand der Mainzer Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr (Ikul).

Die Passagiere müssten sich nach der Ankunft in Deutschland aber nicht in Quarantäne begeben, sondern könnten „das Virus ungebremst weiterverbreiten“, schreibt die Ikul nun in einem Brief an den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags, Cem Özdemir (Grüne), und warnt: Das konterkariere die Maßnahmen zur Virusbekämpfung „in besonders verantwortungsloser Weise.“ „Es ist offensichtlich, dass diese Flüge nicht dem Rückholen gestrandeter Urlauber dienen, sondern aus reinem Profitstreben ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Passagiere, der Besatzung und den in Deutschland und Europa lebenden Menschen durchgeführt werden“, kritisiert die Ikul: „Uns erreichen zudem täglich Mitteilungen von Menschen, die weiterhin am Frankfurter Flughafen arbeiten, aber ohne nennenswerte Schutzmaßnahmen“ Die Ikul fordert Özdemir auf, für einen sofortigen Stopp von Flügen in die Regionen zu sorgen, von denen eine Virusgefahr ausgeht.

Beim Flughafenbetreiber Fraport bestätigt man, dass es weiter Flüge in die genannten Regionen gibt – und verweist auf Luftverkehrsabkommen mit diesen Ländern. „Solange es diese Verträge gibt, dürfen wir keinen Flug ablehnen“, sagt Fraport-Sprecher Alexander Zell auf Anfrage unserer Zeitung. Darüber hinaus gebe es staatlich vereinbarte Landerechte, und „solange ein Land eine Fluggenehmigung hat, fertigen wir diese Maschinen ab.

Allerdings sei der Flugplan am Frankfurter Flughafen massiv zusammengestrichen worden, betont Zell – tatsächlich findet derzeit nur etwa 10 Prozent des sonst üblichen Passagierverkehrs statt. Nach Angaben der Deutschen Flugsicherung vom Donnerstag gab es am 31. März im deutschen Luftraum nur noch 1341 Flüge, 84,7 Prozent weniger als am vergleichbaren Tag des Vorjahres. „Wir reden von einzelnen Maschinen, das sind keine routinemäßigen Verbindungen mehr“, sagt Zell.

Mit den noch eintreffenden iranischen und asiatischen Maschinen kämen ja auch immer noch Deutsche mit, und diese müssten einreisen dürfen. Einen medizinischen Check aller Passagiere gebe es nicht, bestätigt Zell: „Das können wir als Flughafenbetreiber nicht anordnen, aber weder vonseiten des Gesundheitsamtes Frankfurt noch vom Gesundheitsministerium liegt uns eine solche Anordnung vor.“ Der Flughafen dürfe als Betreiber der Infrastruktur solche Kontrollen auch gar nicht selbst durchführen, betont Zell zudem: „Das wäre ein Eingriff in die persönlichen Rechte, wir können das nicht tun, und wir dürfen das nicht tun.“ Infektionsschutz sei Sache der Gesundheitsbehörden und müsse von diesen angeordnet und durchgeführt werden.

Im hessischen Gesundheitsministerium verweist man auf die Internationalen Gesundheitsvorschriften, die für alle Großflughäfen gelten. Danach muss bereits seit Beginn der Pandemie ein Pilot vor der Landung eine sogenannte Clearingmeldung abgeben, ob es an Bord seiner Maschine erkrankte Personen gibt. Melde der Pilot einen oder mehrere Erkrankte, wird das Gesundheitsamt informiert und untersucht die Passagiere. „Meldet der Pilot keine Erkrankten im Flieger, können die Passagiere normal von Bord gehen“, sagt die Sprecherin des hessischen Gesundheitsministeriums, Alice Engel, auf Nachfrage unserer Zeitung.

Das Verfahren sei mit dem Bund und dem Robert Koch-Institut abgestimmt, Änderungen derzeit nicht geplant, sagt Engel weiter. Der Einsatz eines Eingangstests mittels Fiebermessung ist demnach durchaus erwogen worden, man habe sich aber dagegen entschieden. „Der Einsatz ist sehr aufwendig und erfordert, fachgerecht durchgeführt, einen hohen Personalaufwand an qualifizierten Personen“, betont Engel.

Dem stehe aber eine sehr geringe Erfolgsquote gegenüber: Als man zuletzt die Fiebermethode 2009 bei der Schweinegrippe angewendet hat, sind Engel zufolge nur sehr wenige erkrankte Personen ausfindig gemacht worden. Die Lungenkrankheit Covid-19 werde noch dazu oft schon von noch symptomfreien Personen übertragen.

Klarheit in Bezug auf den Iran

„Selbst wenn man die Leute untersucht und testet, ist das nur eine Momentaufnahme“, sagt auch die Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums, Doris Berve-Schucht, auf Anfrage unserer Zeitung – eine 100-prozentige Sicherheit biete so ein Screening nicht.

Zumindest in Sachen Iran gibt es nun eine Klarstellung: Das Bundesinnenministerium hat mit sofortiger Wirkung Flüge aus dem Iran nach Deutschland auf der Grundlage des neuen Infektionsschutzgesetzes untersagt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich erleichtert: „Wir legen uns in Deutschland in der Pandemie scharfe Beschränkungen auf, da können wir Flüge aus diesem Hochrisikogebiet nicht mehr zulassen.“ Gisela Kirschstein

Fraport schließt ab 7. April vorläufig das Terminal 2

Wegen ausbleibender Fluggäste schließt der Frankfurter Flughafen das Passagierterminal 2 samt Parkhaus ab 7. April vorläufig. Das teilte die Betreibergesellschaft Fraport mit. Die Abfertigung wird dann im Terminal 1 im Bereich B konzentriert. Fraport begründet die Sperrung mit der immer weiter sinkenden Nachfrage nach Flügen. „Mit dem absehbaren Auslaufen der Rückholflüge wird das Aufkommen am Standort bei einem Minus von etwa 95 Prozent liegen“, sagte ein Sprecher. Im vergangenen Jahr wurden am größten deutschen Flughafen insgesamt mehr als 70 Millionen Passagiere abgefertigt, in der Spitze mehr als 240.000 pro Tag. In der Woche vom 23. bis zum 29. März sind hingegen nur noch 119.000 Fluggäste registriert worden. Fraport baut derzeit ein drittes Passagierterminal, das noch einmal auf rund 21 Millionen Passagiere pro Jahr ausgelegt ist.

Die Deutsche Flugsicherung erwartet nur eine langsame Erholung des Flugverkehrs nach der Corona-Krise. In diesem Jahr werden nach einem Planungsszenario im monatlichen Vergleich keine 80 Prozent der Vorjahreswerte mehr erreicht, erklärte DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle. Auch im kommenden Jahr werde man das Niveau von 2019 mit 3,334 Millionen kontrollierten Flugbewegungen nicht mehr sehen, sondern möglicherweise noch 85 Prozent davon. Derzeit kontrollieren die Lotsen wegen der zahlreichen Flug- und Einreisebeschränkungen nur rund 15 Prozent der üblichen Verkehrsmengen. Scheurle rechnet damit, dass die Verkehrsflüge ab Mai wieder langsam ansteigen. Für das Gesamtjahr ergebe sich daraus eine Halbierung des Flugverkehrs im Vergleich zu 2019. Mittelfristig geht er von einem Rückgang bei den Geschäftsreisen aus. Die Flaute werde besonders kleinen Flughäfen wirtschaftliche Probleme bereiten.

Der Lufthansa-Konzern will rund zwei Drittel seiner weltweit Beschäftigten in die Kurzarbeit schicken. Die Sozialleistung ist in verschiedenen Ländern für insgesamt 87.000 Mitarbeiter beantragt worden. Je nach Gesellschaft und Unternehmensteil gilt das teils rückwirkend seit 1. März, in der Masse aber von April an. Der größte Luftverkehrskonzern Europas beschäftigte 2019 rund 135.000 Männer und Frauen.

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