Bern

Ausländergesetz: Schweiz ist nun schwarzes Schaf in Europa

Volksabstimmung in der Schweiz am Sonntag.
Volksabstimmung in der Schweiz am Sonntag. Foto: dpa

Die Schweiz bietet Europa wieder Grund für negative Schlagzeilen. Eine deutliche Mehrheit stimmte bei einem Referendum am Sonntag für eines der schärfsten Ausländergesetze auf dem Kontinent.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Bern – Die Schweiz bietet Europa wieder Grund für negative Schlagzeilen. Eine deutliche Mehrheit stimmte bei einem Referendum am Sonntag für eines der schärfsten Ausländergesetze auf dem Kontinent.

Genau ein Jahr nach der überraschenden Annahme eines Minarettverbotes im Land sagten die Eidgenossen Ja zur automatischen Abschiebung überführter krimineller Ausländer. Das Land dürfte nun nicht nur im Ausland wieder stark in der Kritik stehen, weil manche dort eine Verletzung des Völkerrechts oder der Freizügigkeit sehen. Auch im Inneren wird knapp ein Jahr vor den nächsten Wahlen eine harte Debatte über die Umsetzung fortgesetzt, denn nun muss das Parlament genau festlegen, wann abgeschoben werden kann.

Der Sieg für die größte Partei des Landes, die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), könnte größer nicht sein. Denn ein in letzter Minute gezimmerter Gegenvorschlag von Regierung und Teilen des Parlaments, der eine Einzelfallprüfung vorsah, wurde abgeschmettert. Das Volk habe einfach die Nase von kriminellen Ausländern voll, hieß es bei der SVP. Andere fürchten dagegen sogar Schaden für die berühmte direkte Demokratie der Schweiz. Denn nun könnte der Ruf nach Beschneidung der Volksrechte laut werden, wenn etwa Verfassungsprobleme zutage treten.

Der Streit geht schon darum, was ein „schweres Delikt“ ist, wann „ausgeschafft“ werden kann, wie es in der Schweiz heißt. Denn nach den Vorstellungen der Initiatoren wären neben Kapitalverbrechen wie Mord oder Vergewaltigung, Entführung oder bewaffneten Überfällen auf Banken auch Schwarzarbeit oder Sozialhilfe-Betrug Abschiebungsgründe. Darüber dürfte unter Wahlkampfbedingungen nun im Parlament gestritten werden.

Experten gehen von bis zu fünf Jahren aus, bis die Verfassungsänderung in Kraft treten kann, zumal die SVP schon am Wahlabend wenig Konzessionsbereitschaft signalisierte. Wirtschaftsverbrechen etwa hatte die SVP bei ihrem Vorstoß ganz vergessen. Unklar ist auch, nach wie vielen Jahren die Betroffenen etwa wieder einen Einreiseantrag stellen können.

Besonders viel Zustimmung gab es vor allem in den ländlichen Gebieten der deutsch-sprachigen Schweiz. Dort lehnte nur Basel den Vorstoß ab. Auf der anderen Seite des „Röstigrabens“, im französisch- sprachigen Landesteil, war die Ablehnung dagegen groß.

Die Zeitung „Blick“ kritisierte kürzlich, dass Politik und Justiz das Ausländerproblem nicht hätten wahrhaben wollen. In den vergangenen Jahrzehnten seien Menschen in die Schweiz gekommen, „deren kultureller Hintergrund sich fundamental unterscheidet vom zentraleuropäischen“. In der Bevölkerung gärte es, doch nur die SVP habe diese Thema etwa mit ihrer Plakataktion – drei weiße Schafe jagen ein schwarzes Schaf aus der Schweiz – angesprochen und die richtigen Fragen gestellt.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) schrieb am Sonntag in einem Online-Kommentar, das Rezept sei zuverlässig gewesen. Die SVP habe mehr Sicherheit und eine Art Kontrolle über die Ausländer versprochen, die sich anzupassen hätten. „Mit einer konsequent rechtsstaatlichen Behandlung der Ausländer und letztlich mit der Einwanderung als umfassendem gesellschaftlichem Phänomen tut sich eine Mehrheit des Volks noch schwer.“

Heinz-Peter Dietrich (dpa)