Brüssel

Aus der South-Stream-Pipeline: Türkei mehr Einfluss auf Gasversorgung

Moskau erteilte dem Projekt der South-Stream-Pipeline vor wenigen Tagen eine Abfuhr: Die Pipeline war von vielen Seiten als Europas Lebensader bei der Gasversorgung dargestellt worden.
Moskau erteilte dem Projekt der South-Stream-Pipeline vor wenigen Tagen eine Abfuhr: Die Pipeline war von vielen Seiten als Europas Lebensader bei der Gasversorgung dargestellt worden. Foto: dpa

Beunruhigt wirkten sie nicht, die 28 für Energiefragen zuständigen Minister der EU, die in Brüssel tagten. Und das, obwohl Russlands Präsident Wladimir Putin und der Chef des staatlichen Gazprom-Konzerns, Alexej Miller, der South-Stream-Pipeline eine Absage erteilt hatten.

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Von unserem Brüsseler Korrespondenten Detlef Drewes

Diese war von vielen Seiten als Europas Lebensader bei der Gasversorgung dargestellt worden. „Die Absage ist keine Katastrophe“, bemühte sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gleich zu Beginn, eventuell aufkommende Wogen zu glätten. Er hoffe, dass man „das Projekt vielleicht weiterverfolgen“ könne, wenn sich die Lage zwischen Moskau, Kiew und Brüssel „wieder normalisiert“ habe.

Nachdem Wladimir Putin die South-Stream-Pipeline gestoppt hat, schaut Mannesmann in die Röhre: Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen war einer der wichtigsten Lieferanten für das Großprojekt. Foto:  dpa
Nachdem Wladimir Putin die South-Stream-Pipeline gestoppt hat, schaut Mannesmann in die Röhre: Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen war einer der wichtigsten Lieferanten für das Großprojekt.
Foto: dpa

Einfluss der Türkei wächst

Doch die nach außen getragene Ruhe täuscht. Die 28 Mitgliedstaaten sowie weitere Länder, die mithilfe von South Stream an russisches Gas angebunden worden wären (unter anderem große Teile des Balkans) müssen nun gravierend umdenken. 2019 soll die sogenannte TAP-Leitung in Betrieb gehen, von der aus Gas aus dem Kaspischen Meer über die Türkei in die EU fließen soll. Damit rückt Ankara in eine zentrale Position gegenüber der Gemeinschaft – ausgerechnet jener Beitrittskandidat, dessen Mitgliedschaft nach jahrelangen Gesprächen immer fragwürdiger wird.

„Ich habe keinen Anlass, an der Verlässlichkeit der Türkei als Energiepartner zu zweifeln“, erklärte Brüssels für Energiefragen zuständiger Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic. Dass es ein „latentes Unbehagen“ darüber gibt, sozusagen von der politischen Erpressbarkeit durch Moskau in eine zumindest ebenso riskante Abhängigkeit von Ankara zu geraten, will die Europäische Kommission vorerst nicht bestätigen.

Hinter vorgehaltener Hand begegnet man diesem „flauen Gefühl“, wie es ein ranghoher EU-Diplomat ausdrückte, immer wieder. Die Lösung der EU liegt auf dem Tisch und könnte schon seit Jahren durchgesetzt werden, wenn es den Nationalismus der Mitgliedstaaten nicht gäbe: ein funktionierender Energiebinnenmarkt. Bei ihrem Treffen schworen die 28 Energieminister sich gegenseitig noch einmal, alle dazu vorliegenden Beschlüsse endlich umzusetzen. Wie weit das gehen könnte, ist allerdings umstritten.

Gemeinsame Versorgungsstrategie?

Kommissionsvize Sefcovic gehört beispielsweise zu den energischen Befürwortern einer gemeinsamen Versorgungsstrategie. „Wenn es um den Einkauf von Energie geht, erfährt Europa heute nicht die Behandlung, die es verdient. Unsere Mitgliedstaaten sind gute Abnehmer, zahlen jährlich rund 400 Milliarden Euro – und sie zahlen pünktlich und verlässlich“, pries er in einemKunden für potenzielle neue Lieferländer an. Aber dann müsse man auch als Großabnehmer, der für alle sprechen kann, auftreten.

Davon wollten die Mitgliedstaaten in der Vergangenheit nichts wissen. Doch die geopolitische Lage rund um Europa habe sich „grundlegend verändert“, betonen diplomatische Kreise in Brüssel. Möglicherweise würden die Staats- und Regierungschefs schon bei ihrem Gipfeltreffen in der kommenden Woche die Lage „neu bewerten“. Für Deutschland gebe es jedenfalls derzeit keinen Grund zur Sorge, betonte Minister Gabriel. „Wir sind sehr gut angebunden.“