Den Haag/Beirut

Attentat und viele Fragen: Wer tötete Libanons Ex-Regierungschef?

Anschlag auf Rafik Hariri im Jahr 2005: Zwischen 2500 und 3000 Kilogramm Sprengstoff eingesetzt.  Foto: dpa
Anschlag auf Rafik Hariri im Jahr 2005: Zwischen 2500 und 3000 Kilogramm Sprengstoff eingesetzt. Foto: dpa

Rafik Hariri war ein Mann mit einem Ruf wie Donnerhall. In Saudi-Arabien hat er Milliarden gescheffelt. Seiner vom Bürgerkrieg gezeichneten libanesischen Heimat hauchte er als Regierungschef mit Charme, Bestechung und eisernem Willen neues Leben ein.

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Deshalb hat sich der Libanon auch fast neun Jahre nach dem Attentat auf den populären Politiker nicht von den Schockwellen erholt, die sein Tod damals ausgelöst hat.

Allerdings glaubt in Beirut kaum jemand daran, dass der Prozess gegen seine mutmaßlichen Mörder, der vor dem Sondertribunal für den Libanon in Den Haag begonnen hat, die Wunden von damals heilen wird.

Der Ankläger des Sondertribunals zum Libanon, Norman Farrell, zeigte sich am ersten Prozesstag zumindest zuversichtlich, was die Beweisführung angeht. Er will mehr als 500 Zeugen aufrufen, erklärte Farrell. Er schilderte mit Fotos und Videoaufnahmen den Ablauf des Attentates, bei dem zwischen 2500 und 3000 Kilogramm Sprengstoff eingesetzt wurden.

Das Verfahren hat einige Schönheitsfehler. Den Haag ist spektakuläre Prozesse gegen internationale Menschenschinder gewohnt. Doch der Hariri-Prozess ist anders als alle anderen früheren Verfahren. Denn auf der Anklagebank in dem früheren Bürohaus im Vorort Leidschendam werden diesmal keine ehemaligen Warlords in Schlips und Anzug sitzen. Die Anklagebank bleibt bei diesem Prozess leer. Die Männer, die am 14. Februar 2005 in Beirut mit einer Bombe Ex-Ministerpräsident Hariri und 21 weitere Menschen getötet haben sollen, sind alle flüchtig.

Damit ist der Prozess bereits ein Unikum: Zum ersten Mal wird in Den Haag in Abwesenheit der Angeklagten geurteilt. Um ein ehrliches Verfahren zu garantieren, wurde allerdings eine unabhängige Verteidigung angestellt. Und in noch einem Punkt wird Rechtsgeschichte geschrieben. Es ist der erste Prozess eines internationalen Tribunals zu Terrorismus. Die Richter hatten Terrorismus als internationales Verbrechen definiert.

Die vier Angeklagten sind alle Libanesen. Zwei von ihnen sind bekannte Mitglieder der pro-iranischen Schiitenbewegung Hisbollah. Sie sollen die operative Abwicklung des Sprengstoffattentates geplant haben, über das möglicherweise auch die syrische Führung und der Iran vorab informiert waren. Die anderen beiden Angeklagten sollen „kleine Fische“ sein. Dem Vernehmen nach sollen die beiden zusammen mit einem weiteren Verdächtigen, dessen Prozess noch in Vorbereitung ist, ein falsches Bekennervideo produziert haben, das den Verdacht auf sunnitische Extremisten lenken sollte.

Der bekannteste der vier Angeklagten ist Mustafa Badreddin, der heute angeblich im Iran lebt. Laut libanesischen Medien war der Schwager des 2008 ermordeten Topterroristen Emad Mughnija wegen seiner Beteiligung an Terrorverschwörungen in den 80er-Jahren in Kuwait inhaftiert worden. Während der irakischen Invasion in Kuwait 1990 konnte er fliehen.

Die Hisbollah leugnet bis heute standhaft jede Beteiligung an dem Hariri-Mord und versucht, das Verbrechen Israel in die Schuhe zu schieben. Im Sommer 2011 interviewte das Magazin „Time“ sogar einen der Angeklagten im Libanon. Er sagte damals: „Ich werde weiterhin ein normales Leben führen. Dem Tribunal und seinen Entscheidungen werde ich keinerlei Aufmerksamkeit widmen.“

Was man bisher über die Beweisführung weiß, ist nicht dazu angetan, die Libanesen von der Schuld der Angeklagten zu überzeugen. Angeblich stützt sich die Anklage vor allem auf Daten über Handytelefonate zwischen den Verschwörern vor dem Anschlag.