Aserbaidschan und die Menschenrechte: Gesprochen wird über andere Themen

Die Europaspiele präsentiert Aserbaidschan als glänzendes Fest. Kritik will Präsident Ilham Alijew nicht hören.
Die Europaspiele präsentiert Aserbaidschan als glänzendes Fest. Kritik will Präsident Ilham Alijew nicht hören. Foto: dpa

Die Regierung von Aserbaidschan unternimmt eine ganze Menge, um das reiche Land im Kaukasus in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Gerade ist die Hauptstadt Baku Austragungsort der ersten europäischen Olympischen Spiele, der Europaspiele, einem pompösen Spektakel.

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Auf Menschenrechte sollte man Regierungschef Ilham Alijew aber lieber nicht ansprechen. Trotzdem hat das Land nicht wenige Freunde in Deutschland.

Aserbaidschan mischt zuletzt überall mit, als Mitglied des Europarates, als Gastgeber des Eurovision Song Contest und eben als Austragungsort der ersten Europaspiele. Hier sieht sich Alijew als moderner Staatschef, der das geschlossen hinter ihm stehende Volk in eine großartige Zukunft führt. So weit das Selbstbild Alijews, wie er es nur zu gern auch in der deutschen Presse lesen würde.

Doch die meisten Medien sind sich mit dem Bundestag einig: Die Lage der Menschenrechte hat sich seit Alijews Wiederwahl „deutlich verschlechtert“. Statt politischer Prominenz schickte das deutsche Parlament kürzlich kritische Signale nach Baku, auf die Alijews Botschaft mit „tiefster Enttäuschung“ reagierte. Zuvor schon hatte Aserbaidschan eine „Schmutzkampagne“ in deutschen Medien beklagt.

Doch es gibt auch einen anderen Umgang mit dem Regime. Als das „netzwerk recherche“ den ehemaligen rheinland-pfälzischen Staatssekretär und früheren Handwerks-Generalsekretär Hanns-Eberhard Schleyer um Unterstützung bei der Freilassung einer in Aserbaidschan in Haft genommenen Investigationsjournalistin bat, bedankte der sich nur höflich. Das von ihm geleitete Deutsch-Aserbaidschanische Forum (DAF) habe es sich zur Aufgabe gemacht, die bilateralen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu verbessern.

„In diesem Zusammenhang reden wir auch mit den politisch Verantwortlichen über alle Aspekte, die das deutsch-aserbaidschanische Verhältnis betreffen“, erklärte Schleyer. Über den Inhalt dieser Gespräche wolle man sich „nicht öffentlich äußern“.

Illustre Namen im Forum

Zu den weiteren DAF-Vorständen gehören unter anderem der Wissenschaftler Udo Steinbach, der Ex-„Bild“-Chef und jetzige PR-Berater Hans-Erich Bilges und Ex-BND-Chef August Hanning. Klangvolle Namen hat das DAF auch in seinem Kuratorium zu bieten. Da stellen unter anderem Ex-Chefredakteur Richard Kiessler, Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos, der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen, wichtige Abgeordnete wie Gernot Erler (SPD) und Michael Fuchs (CDU), Ostausschuss-Geschäftsführer Rainer Lindner, Ex-ZDF-Intendant Dieter Stolte, Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner, Ex-Wehrbeauftragter Reinhold Robbe und sogar der frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, Namen und Expertise in den Dienst der aserbaidschanischen Sache.

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs sagt, dass er noch nie an Sitzungen teilgenommen hat und nur Mitglied ist, weil seine Freunde Glos und Schleyer ihn darum gebeten hätten. Kontakte nach Aserbaidschan pflege er nicht.

Auch Menschenrechtsexperte Nooke sagt: „Ich bin vor längerer Zeit einmal gefragt worden und habe – was man kritisieren kann – nicht Nein gesagt.“ Natürlich sei er nicht Mitglied des Kuratoriums geworden, um zu rechtfertigen, was die Regierung in Baku mache. Im Grunde gehe es darum, Einfluss zu nehmen, um die Dinge positiv zu verändern. Die Frage sei berechtigt, ob man weiter seinen Namen für dieses Gremium hergeben sollte. „Ich werde das überdenken“, kündigt Nooke an.

Anders der ehemalige SPD-Politiker Robbe. Er sehe Deutschland und Europa in besonderer Verantwortung für die Region. Man müsse sich doch um ein Land kümmern, das so Europa-affin sei, damit es nicht „anfällig wird für islamistische Tendenzen“. Aserbaidschan habe „Demokratie nicht so gelernt, wie es für Mitteleuropa selbstverständlich ist“, und er verschließe auch nicht die Augen vor der Menschenrechtssituation. Aber man müsste auch zur Kenntnis nehmen, dass es in dem Land „riesige Fortschritte bei der Tolerierung religiöser Minderheiten“ gibt.

Lässt es sich das Regime etwas kosten, auf interessierte Begleiter in Deutschland zählen zu können? Robbe beteuert, „keinen Cent vom Kuratorium“ erhalten zu haben. Auch Bilges, der noch vor drei Jahren als eine Art Schlüsselfigur im Wirken um die Wahrnehmung Aserbaidschans galt, weist darauf hin, dass er und seine Firma Consultum Communications bereits seit Ende 2013 keine Beratungstätigkeit mehr für Aserbaidschan ausübten.

Organisierte Gespräche

Allerdings gibt es da auch noch weitere deutsch-aserbaidschanische Organisationen und Firmen. Etwa die Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen. Deren Geschäfte führt Eduard Lintner (CSU), ehemals Staatssekretär im Bundesinnenministerium und seinerzeit in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates auch mit Aserbaidschan befasst. Nun ist er so etwas wie Alijews Kontaktgestalter: „Wir organisieren Gespräche zwischen Politikern und Treffen von Experten mit hochrangigen Entscheidungsträgern“ , so die Selbstbeschreibung der GmbH.

Der Blogger Thomas Niggemeier beobachtet eine ausgesucht freundliche Berichterstattung über Aserbaidschan in dem Kleinsender TV.Berlin, dessen Beiträge wiederum von Alijews Medien in Baku thematisiert würden. Anfragen nach möglichen Unterstützungen seien unbeantwortet geblieben, berichtet Niggemeier. Das mit Öl und Gas reich gesegnete Land steht weiter auf den Terminkalendern von Konzernlenkern und Spitzenpolitikern. So wird demnächst auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) in Baku vorbeischauen.

Verärgert denkt die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner an ihren Aserbaidschan-Besuch mit der deutsch-südkaukasischen Parlamentariergruppe. Bei einem Treffen mit Alijew vor einigen Wochen seien harmonische Bilder ohne jede Kritik entstanden. „Es war vorher ausgemacht worden, dass nur die Ausschussvorsitzende Karin Strenz (CDU) mit ihm spricht“, berichtet Rößner. Man habe die Gruppe im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es nichts bringe, ihn auf Menschenrechtsverletzungen anzusprechen. „Er würde dann ungehalten“, zitiert Rößner.

Rößner erinnert sich, dass Alijew sich bei den Politikern über die internationale Berichterstattung beschwerte. Das ist offenbar ein besonderes Baku-Problem. Bekannt ist, dass Alijew bei seinen Gesprächen mit westlichen Spitzenpolitikern auch schon mal Zeitungsausschnitte auf den Tisch legt und dabei Berichte aus deutschen Zeitungen und Magazinen wörtlich zitiert, um dahinter gesteuerte Kampagnen gegen ihn zu wittern. Rena Lehmann/Gregor Mayntz