Washington

Analyse: Jeb Bushs Weg ins Weiße Haus ist noch weit

Jeb Bushs Weg ins Weiße Haus ist noch weit Foto: dpa

„Jeb!“ steht auf den Postern im Saal, rubinrot auf weißem Grund. Wüsste man nicht, wer da am Pult mit der Aufschrift „Jeb2016.com“ redet, ein Ex-Gouverneur Floridas namens John Ellis Bush, kurz Jeb genannt, man könnte denken, es handele sich um einen dieser Fußballer aus Brasilien, die sich ab einem gewissen Bekanntheitsgrad nennen wie Künstler.

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Von unserem USA-Korrespondenten Frank Herrmann

Dabei steht der Name Bush nicht nur für eine Familie, sondern für eine politische Dynastie, die zwei Präsidenten hervorbrachte, darunter einen der umstrittensten der jüngeren amerikanischen Geschichte. „Wir werden Washington, dieser statischen Hauptstadt unseres dynamischen Landes, das Geschäft nehmen, anderen Probleme zu machen“, sagt der Kandidat. Es ist ein Standardsatz, wie ihn fast jeder Republikaner vorträgt.

Nach seinem Vater und seinem Bruder will nun auch Jeb Bush Präsident werden. Der Ex-Gouverneur von Florida gab seine Kandidatur für die Wahlen im November 2016 in Miami offiziell bekannt. „Ich bin ein Kandidat als Präsident der Vereinigten Staaten“, rief er seinen Anhängern zu. Dass sich Jeb Bush das Miami Dade College aussucht, um seine Kandidatur fürs Weiße Haus zu verkünden, soll Symbolwirkung haben. Mit 170 000 Studenten ist Miami Dade nicht nur die größte Uni der USA, es ist auch die Hochschule mit dem höchsten Anteil an ethnischen Minderheiten, die im Übrigen in absehbarer Zeit die Mehrheit bilden werden. Neun von zehn Studenten sind Hispanics oder Afroamerikaner, was nicht nur am Anspruch Miamis liegt, die Exilmetropole Kubas und Drehscheibe der Karibik zu sein, sondern auch an vergleichsweise niedrigen Studiengebühren.

Romney stieß Latinos vor den Kopf

Bush also illustriert allein schon mit der Optik, was er anders zu machen gedenkt als Mitt Romney, der 2012 gescheiterte Spitzenmann der Republikaner. Die Konservativen, weiß er, können kein Präsidentenvotum gewinnen, wenn sie sich in erster Linie als Partei weißer Amerikaner verstehen – de facto weißer, älterer Männer, wie sie den Kern der Tea-Party-Bewegung bilden. Bleiben sie auf Distanz zu den Hispanics, der am schnellsten wachsenden Wählergruppe, wird es wohl nichts mit der Rückkehr ins Oval Office. Ergo gibt Bush, zunächst einmal, den Anti-Romney. Der Geschäftsmann aus Boston stieß die Latinos mit kalten Sprüchen gegen illegale Einwanderer derart vor den Kopf, dass sie sich, obwohl von den Familienwerten her oft eher konservativ, zu 71 Prozent für Barack Obama entschieden.

Bush will sie zum Seitenwechsel bewegen, auch deshalb erzählt er bei jeder Gelegenheit von der Rebellion gegen den eigenen Clan. Er war noch ein Teenager, als er 1970 auf einer Studienreise nach Mexiko die 16-jährige Columba Gallo kennenlernte, die Tochter eines Kellners. Er heiratete sie, studierte Lateinamerikanistik in Texas, nicht Jura in Harvard oder Yale, wie es der Plan der Eltern vorgesehen hatte. Nachdem Columba drei Kinder zur Welt gebracht hatte, soll sein Vater schon mal herablassend von den „kleinen Braunen“ gesprochen haben.

So gut sich die Biografie eignet, um bei den Hispanics Sympathiepunkte zu sammeln: Erst einmal muss Bush den republikanischen Vorwahlmarathon überstehen. In einem Feld, das bis zum Sommer noch auf 15 Bewerber anwachsen könnte. In einer nach rechts gerückten Partei, deren Basis Politikern des Establishments, Leuten wie ihm, gern mit Tea-Party-Verve zeigt, was eine Harke ist.

Qualvoller verbaler Slalomlauf

Bushs Problem dabei ist auch seine Familie: Ohne deren engmaschiges Netzwerk könnte Jeb nie die Spenden sammeln, die er für die wahrscheinlich teuerste Kampagne aller Zeiten braucht. Selbst wenn er wollte, einen Bruch könnte er gar nicht riskieren. Es ist ein Grund, warum er einen fast qualvollen verbalen Slalomlauf hinlegte, bevor er schließlich – nicht wirklich überzeugend – erklärte, er wäre nicht im Irak einmarschiert. Auf Reisen in Europa warb er damit, eher für die umsichtige, Koalitionen bevorzugende Art seines Vaters zu stehen, nicht für die burschikose, Alleingängen zuneigende seines Bruders. In Amerika interessiert so etwas derzeit nur am Rande. Wichtiger ist die Frage, ob sich die Republik mit einem Bush III im Oval Office nicht allzu weit von ihrem anti-dynastischen Gründungscredo entfernt.