Berlin

Als es für Europa Zeit wurde: 1893 wurde die Mitteleuropäische Zeit eingeführt

1893, also vor 125 Jahren, hat Europa eine einheitliche Zeitrechnung bekommen.  Foto: Dirima/Adobe Stock
1893, also vor 125 Jahren, hat Europa eine einheitliche Zeitrechnung bekommen. Foto: Dirima/Adobe Stock

Das Drehen an der Uhr ist zur Routine geworden. Und bleibt dennoch umstritten. In der Nacht zum kommenden Sonntag werden die Uhren in Deutschland wieder auf Sommerzeit von 2 Uhr auf 3 Uhr vorgestellt.

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Diesmal ist die Zeitumstellung mit einem Jubiläum verbunden: Die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) wird in Deutschland 125 Jahre alt. Am 1. April 1893 wurde sie in Berlin per Reichsgesetz eingeführt. Ein Eisenbahnunglück in den USA war einer der Auslöser. „Früher hatte jeder Ort seine eigene Zeit“, sagt Johannes Graf vom Deutschen Uhrenmuseum. Die Einrichtung in Furtwangen im Schwarzwald hat die Geschichte der MEZ zum 125-jährigen Bestehen in Deutschland wissenschaftlich aufgearbeitet. „Diese Ortszeit richtete sich nach dem Sonnenstand auf der jeweiligen geografischen Länge.“ Ein Problem sei dies lange nicht gewesen. Doch mit dem Siegeszug der Eisenbahn Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich das.

„Das vergleichsweise schnelle Verkehrsmittel Eisenbahn passte nicht zu der Vielzahl der örtlichen Zeiten“, sagt Graf. So wurden für Züge Einheitszeiten festgelegt, die entlang der Bahnlinien galten und sich meist an der jeweiligen Zeit in den Hauptstädten orientierten. An den Orten, durch die Züge fuhren, zeigten die Uhren meist jedoch eine andere Zeit. Das sorgte für Verwirrung – mit verheerenden Folgen: Am 12. August 1853 zeigte die Taschenuhr eines Lokführers die falsche Zeit an, der Mann steuerte die Dampflokomotive mit den Waggons auf ein Gleis. Deshalb stießen in Virginia Falls (USA) zwei Züge zusammen, 13 Menschen starben. Das Unglück löste eine Debatte aus.

Die Antwort waren Einheitszeiten, die sich an den nationalen Grenzen orientierten. „Doch besonders im kleinräumigen Europa war dieser erste Schritt zur Vereinheitlichung der Zeiten unbefriedigend“, sagt Graf. An Grenzbahnhöfen sorgten sie für Chaos. Am Bodensee etwa mit seinen damals fünf Anrainerstaaten galten so in einem einzigen Bahnhof fünf unterschiedliche Zeiten.

In Deutschland stießen die Einheitszeiten auf Vorbehalte. „Um 1890 stritten Politiker und Fachleute, ob sich Deutschland dem System anschließen solle“, sagt der Direktor des Deutschen Uhrenmuseums, Eduard Saluz. Wissenschaftler sagten: Erdbeben und Wetter sowie Bahn- und Postverkehr machten nicht an den Grenzen von Zeitzonen halt. Besser sei eine einzige Weltzeit. Doch diese kam nicht. Stattdessen etablierte sich die für Mitteleuropa geltende MEZ, die vor und nach Deutschland auch andere europäische Länder einführten. Später kam es zur Unterscheidung zwischen Winter- und Sommerzeit und damit zur Notwendigkeit, regelmäßig die Uhren umzustellen. Zeitzonen sind sinnvoll, sagt Graf: „Sie unterscheiden sich voneinander jeweils um eine ganze Stunde. Die Aufteilung der Erde in 24 solcher Stundenzonen bewirkt, dass die Sonne ungefähr um zwölf Uhr mittags im Zenit steht – und das weltweit.“ Somit lebt jeder in einer ihm vertrauten Zeit, die sich an dem Stand der Sonne orientiert.

Jürgen Ruf