Bonn

Schwarzes Loch: Warum ein Monster im All Materie ausspuckt

Von Jochen Magnus
Ansicht des supermassereichen Schwarzen Lochs der in M87 mit seinem Jet im sichtbaren Licht (oben) und Darstellung im polarisierten Licht. Aufgenommen mit dem Hubble-Weltraumteleskop, zwei Radioteleskopnetzwerken und dem Event-Horizon-Telescope. Die waagerechten Striche mit den darunter stehenden Angaben geben einen Maßstab der einzelnen Aufnahmen vor. Fotos: HST, EHT Collaboration, ESO
Ansicht des supermassereichen Schwarzen Lochs der in M87 mit seinem Jet im sichtbaren Licht (oben) und Darstellung im polarisierten Licht. Aufgenommen mit dem Hubble-Weltraumteleskop, zwei Radioteleskopnetzwerken und dem Event-Horizon-Telescope. Die waagerechten Striche mit den darunter stehenden Angaben geben einen Maßstab der einzelnen Aufnahmen vor. Fotos: HST, EHT Collaboration, ESO Foto: EHT Collaboration; ALMA, ESO/NAO

Acht riesige Radioteleskope beobachteten 2017 vier Tage lang gemeinsam ein Monster im All: das Schwarze Loch inmitten der fernen Galaxie M87. 55 Millionen Jahre lang waren die Licht- und Radiowellen von dort bis zur Erde gereist, wo sie eingefangen wurden. Die Daten der Teleskope wurden zwei Jahre lang mit Supercomputern zusammengerechnet und überprüft. Dann präsentierten die Astronomen der Menschheit das erste Bild eines Schwarzen Lochs. Nun haben sie den Daten weitere Einzelheiten entlockt und entdeckten gigantische Magnetfelder um den kosmischen Giganten.

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Damit kommen sie der Erklärung näher, wie das Schwarze Loch einen hellen Strahl aus Energie und Materie ausstoßen kann, der viele Tausend Lichtjahre weit reicht. „Das ist für uns sehr wichtig. Damit können wir besser verstehen, wie die leuchtenden Strukturen in der Umgebung eines Schwarzen Lochs entstehen“, erklärte Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn. Sein Institut ist maßgeblich am Event-Horizon-Telescope-Projekt (EHT), den zusammengeschalteten Radioteleskopen, beteiligt. In Bonn steht einer der beiden Supercomputer, mit denen die Daten auswertet werden und wo das berühmte Foto von Messier 87 (M87) entstand.

Kosmische Sonnenbrille

Den Schlüssel zu der Entdeckung der Magnetfelder lieferte die Beobachtung, dass die Radiostrahlung polarisiert ist, also keine bloß zufällige Schwingungsrichtung hat. Elektromagnetische Strahlung wird polarisiert, wenn sie durch bestimmte Filter geht, wie bei den Gläsern einer polarisierten Sonnenbrille oder eben bei der Abstrahlung in heiße Regionen des Weltraums, die magnetisiert sind. So wie polarisierte Sonnenbrillen uns helfen, besser zu sehen, indem sie Reflexionen und Blendungen auf hellen Oberflächen reduzieren, können Astronomen ihre Sicht auf den Bereich um das Schwarze Loch schärfen, indem sie untersuchen, wie das von dort abgestrahlte Licht polarisiert ist. Beim Schwarzen Loch von M87 erlaubt diese Polarisation den Astronomen, den Verlauf der Magnetfeldlinien an seinem inneren Rand zu erkennung und zu kartieren.

Sterne werden aufgesaugt

Die Feldlinien zwingen Elektronen und Atomkerne auf schraubenförmige Bahnen. Dabei geben die geladenen Teilchen elektromagnetische Strahlung ab – jene Wellen, die das Umfeld des Schwarzen Lochs leuchten lassen.

Durch ihre immense Anziehungskraft verleiben sich Schwarze Löcher große Mengen Materie ein – kosmischen Staub, aber auch ganze Sterne und Planetensysteme. Bevor sie in das Innere des Schwerkraftmonsters gesaugt wird, rast diese Materie fast mit Lichtgeschwindigkeit um es herum. Ein Teil wird dabei als superheißes Plasma wieder ins All hinausgeschossen, als sogenannter Jet. „Wenn wir die unmittelbare Umgebung des Schwarzen Lochs abbilden und auch die Magnetfelder verstehen, können wir letztlich beginnen die Entstehung dieser Jets zu verstehen“, erklärte Anton Zensus.

„Die Beobachtungen legen nahe, dass die Magnetfelder am Rand des schwarzen Lochs stark genug sind, um das heiße Gas zurückzudrängen und es dabei zu unterstützen, der Schwerkraft zu widerstehen. Nur das Gas, das durch das Feld schlüpft, kann sich spiralförmig nach innen zum Ereignishorizont bewegen“, erklärt der Forscher Jason Dexter vom EHT.

In Schwarzen Löchern ist die Masse von einigen bis mehreren Milliarden Sonnen auf eine extrem kleine Region komprimiert. Würde unsere Sonne zu einem Schwarzen Loch kollabieren, wäre sie anschließend nur sechs Kilometer groß, ein 230.000stel ihres heutigen Durchmessers. Durch die zusammengeballte Schwerkraft kann aus der direkten Umgebung nicht einmal Licht entkommen, daher der Name. Schwarze Löcher mit der Masse mehrerer Sonnen können beispielsweise entstehen, wenn ausgebrannte Riesensterne unter ihrem eigenen Gewicht zusammenstürzen – unserer Sonne droht dieses Schicksal nicht, sie ist dafür zu klein. Doch es gibt auch Schwarze Löcher mit der Masse vieler Milliarden Sternen, man nennt sie supermassiv. Wie sie entstehen, weiß man noch nicht. Das Schwarze Loch von M87 gehört in diese Kategorie und wird auf 6,5 Milliarden Sonnenmassen geschätzt.

Die EHT-Kollaboration besteht aus mehr als 300 Forschern aus verschiedenen Universitäten und Organisationen, darunter auch das Bonner MPIfR. Die beteiligten Radioteleskope in Europa, Hawaii und auf dem Südpol arbeiten mit einer Beobachtungstechnik namens Very-Long-Baseline-Interferometrie zusammen. Sie sind weltweit miteinander verbunden und unter Ausnutzung der Erdrotation wird damit ein virtuelles Riesenteleskop von der Größe der Erde selbst geschaffen. Damit könnte ein Tennisball auf der Mondoberfläche sichtbar gemacht werden. Am 10. April 2019 veröffentlichte EHT das sensationelle erste Bild eines Schwarzen Loches.

Bild wird noch „entwickelt“

Damals wurde auch Sagittarius A*, das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unser eigenen Galaxie, der Milchstraße, beobachtet. Das ist zwar mit 26.000 Lichtjahren etwa tausendmal näher als das in M87, aber auch 1500-mal leichter. Mit „nur“ etwa 4 Millionen Sonnenmassen ist es dabei wesentlich dynamischer, und die Bilder sind deshalb unschärfer. Die Materie in direkter Nähe zirkuliert bei Sagittarius A* in einigen Minuten und nicht in einigen Tagen wie bei M87. Auch hier wurden Magnetfelder nachgewiesen. Bilder von Sagittarius A* sind aber noch in der Berechnung. „Die Datenanalyse hat sich im Fall von Sagittarius A* doch als sehr komplex erwiesen“, sagt Dr. Norbert Junkes vom MPIfR unserer Zeitung. Er hofft aber auf ein Ergebnis noch in diesem Jahr. Einen Jet wird man wohl nicht sehen können, denn „unser“ Schwarzes Loch ist derzeit wenig aktiv, es fehlt Materienachschub.

Die Beobachtungen des Teleskopnetzwerks EHT gehen 2021 weiter. „Dann werden drei weitere Teleskope teilnehmen. Unser virtuelles weltumspannendes Teleskop wird also größer und empfindlicher und die bildgebenden Verfahren werden damit genauer“, so Anton Zensus. Jochen Magnus