Leser erinnern sich: Mein erster Computer, größer als ein Schrank – Zuses Z23

Im Jahr 1941 tobte der Krieg in Europa. Da kam ich zur Welt und habe nicht begriffen, warum meine Mutter mit mir bei Sirenengeheul immer in den Keller lief. Ich wohnte in Horn, einer verschlafenen Kleinstadt nordwestlich von Wien.

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Bernhard Fucyman 1964 beim Prüfen eines Computers der Reihe Z23. Das war der erste Rechner, mit dem er in Berührung kam.

Arzt oder Apotheker? Bernhard Fucyman in seiner Arbeitskleidung.

Bernhard Fucyman kam 1941 bei Wien zur Welt. Er lernte die neuartige Computertechnik kennen und war fasziniert. Er lebt in Nassau.

Prüfen, prüfen, prüfen: Computer mussten wöchentlich gewartet werden.

Der Z23 war der erste Computer, der mit schnelleren Transistoren bestückt war. Vorne das Bedienelement, der Rechner (hinten) hat Schlafzimmerschrank-Größe.

Der Zuse Z23 galt bereits als weniger wartungsintensiv. Diesem folgten wiederum die verbesserten Nachfolgemodelle Zuse Z25 und Zuse Z31.

Kurz bevor die Russen kampflos in Horn einrückten, floh meine Mutter mit mir und meiner Schwester nach Oberösterreich, das in der amerikanischen Besatzungszone lag. Nach unserer Rückkehr sah ich in Horn keine Bombenschäden, Horn blieb verschont. Ich ging zur Schule und studierte dann in Wien an der Technischen Hochschule.

Dort sah ich dann diese Rechenmaschinen, die man Computer nannte. Sie interessierten mich sehr, ich bat um eine Lochkarte und meinte, ich könne sie entschlüsseln. Das war natürlich sehr naiv gedacht. Nach meinem Studium begann ich 1964 mein Arbeitsleben im osthessischen Bad Hersfeld bei der Firma Zuse KG. Diese wurde von Dr. Konrad Zuse gegründet. Langsam erfuhr ich auch von seinem Leben.

In den 1940er-Jahren lebte er mit seinen Eltern in Berlin. Eines Tages eröffnete der junge Konrad seinen Eltern, dass er jetzt das gesamte Wohnzimmer benötige, weil er ein Gerät bauen möchte, mit dem man rechnen könne. Die Eltern machten das ganze Wohnzimmer frei und Konrad baute sein Gerät, er nannte es Z3. Im Jahr meiner Geburt (1941) hat er sein Gerät fertiggestellt, es war dies der erste frei programmierbare Computer der Welt, damit war der Computer so alt wie ich. Leider wurde die Z3 bei einem Bombenangriff vernichtet. Es haben aber viele Freunde der Familie gesehen, dass die Z3 funktionierte, und so gab es genug Zeitzeugen. Die Familie überlebte den Angriff.

Konrad Zuse lebte bis Ende der 1940er-Jahre im Allgäu und pflegte sein Hobby, die Malerei. Die Idee, ein neues Gerät zu bauen, ließ ihn nicht los. Er fand in Hünfeld ein kleines Haus, gründete die Zuse KG, begann zu bauen und weiterzuentwickeln. Er verlegte seine Firma nach Bad Hersfeld. Es entstanden nacheinander die Z11 und Z22. Hatte er noch für alle Geräte Fernsprechrelais als elementares Bauelement genommen, wurde die Z22 mit Radioröhren ausgestattet. Im Jahre 1964 gab es bereits die Weiterentwicklung, die Z23, es war der erste Computer, der keine Röhren hatte, sondern Transistoren. Es war der Computer, mit dem ich arbeiten sollte. Nach einer Einarbeitung gehörte es zu meinen Aufgaben, eine Z23 aus der Fertigung zum Laufen zu bringen. Jede Maschine hatte ein paar Duzend Fertigungsfehler, welche vor der Auslieferung beseitigt werden mussten. Das war mein Einstieg in die EDV. Mithilfe eines Kathodenstrahloszilloskops konnte man die Signale im Computer verfolgen und Fehlfunktionen lokalisieren. Das fehlerhafte Bauteil wurde dann entweder ausgetauscht oder repariert. Bei einem Kunden in Frankfurt trat ein Fehler nur sporadisch, abhängig von der Umgebungstemperatur auf. Ein Kollege und ich kühlten den Computer mittels der Klimaanlage so weit es ging herunter. Dann wärmten wir mit einem Föhn ein Bauteil nach dem anderen so lange auf, bis sich der Fehler konstant zeigte. Es war dies die ungewöhnlichste Art einer Fehlersuche.

Zuse trennte sich von seiner Firma. Er hatte bis 1967 mehr als 100 Computer hergestellt und ausgeliefert. Wichtige Datenträger waren der Lochstreifen, die Lochkarte und das Magnetband. Heute ist es der USB-Stick. Die Computer waren noch große Schränke und kosteten mehrere Hunderttausend Mark. Nur große Firmen konnten sich einen solchen Computer leisten, der bei der Verarbeitung großer Datenmengen half. Man benötigt auch die Programmierer, eine neue elitäre Berufsgruppe. Ich habe am Control Data Institut in Frankfurt 15 Jahre lang Programmierer ausgebildet, danach machte ich dies über meine eigene Firma bis 2004. Anschließend gab ich Kurse an Volkshochschulen.

Ab 1972 war der erste Computer für den Privatanwender der C64 der Firma Commodore, er benötigte noch einen Fernseher zur Anzeige. Ab 1983 kamen die ersten PCs, wie wir sie heute kennen, auf den Markt. Man benötigte keine Programmierer mehr, jeder konnte nach kurzer Einarbeitung seine Aufgaben mit den Programmen Word, Excel und anderen selbst lösen. Und es dauerte noch ein paar Jahre, bis Computer über das Telefonnetz kommunizieren konnten. Damit waren die Grundlagen für das Internet gegeben, welches sich explosionsartig seit 1990 über die ganze Welt verbreitete. Die Schreibmaschinen wurden ausgemustert.

Alle 18 Monate verdoppelte sich die Leistung, gingen die Preise herunter, bis der Computer heute in jedem Haushalt steht und er als Smartphone in den Taschen auch von Schülern angelangt ist. Eine neue Ära ist entstanden, und wir sind noch nicht am Ende der Entwicklung.

Nachdem die Z3 vernichtet worden war, konstruierte Dr. Zuse 1962 einen Nachbau. Dieser steht heute im Deutschen Museum in München. Anlässlich des 100. Geburtstages seines Vaters hat Dr. Horst Zuse einen weiteren Nachbau gemacht. Dieser wird momentan in verschiedenen Ausstellungen weltweit gezeigt. Es existiert noch ein dritter Nachbau. Ich habe erlebt, wie die Welt revolutioniert wurde.

BERNHARD FUCYMAN