Berlin

Eingebaute Fehler: Wie Diamanten den Computer revolutionieren könnten

Nicolas Wöhrl schafft in der Mikrowelle Diamanten. Einen haben die Wissenschaftler mal zum Spaß schleifen lassen. Foto: Uni Duisburg
Nicolas Wöhrl schafft in der Mikrowelle Diamanten. Einen haben die Wissenschaftler mal zum Spaß schleifen lassen. Foto: Uni Duisburg

Liegt in Diamanten mit eingebautem Fehler der Schlüssel zur nächsten großen technischen Umwälzung? Auf der Bloggerkonferenz Re:publica gab es Einblick in Forschung, die unsere Welt verändern könnte: Quantencomputer wissen nichts sicher, aber das extrem schnell. Und Diamanten könnten ihr Herz sein.

Lesezeit: 2 Minuten
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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Wenn Staubsaugervertreter Hans V. 20 Städte auf der garantiert kürzesten Route anfahren will, dann bräuchte ein schneller Rechner etwa 30 Jahre, um ihm sicher die optimale Antwort zu liefern. Zu viele Straßen, zu viele Varianten, zu viele Rechenschritte. Wenn Hans V. kompromisslos auf der mathematisch exakten Lösung besteht, liegt diese vielleicht in Diamanten. In Duisburg werden sie in Mikrowellen hergestellt – gezielt mit kleinem Fehler.

Nicolas Wöhrl, Physiker am Center for Nanointegration der Universität Duisburg-Essen (CENIDE), konnte bei der Re:publica in seinem Vortrag ein bisschen mit einem Arbeitsgerät angeben: Er hat eine Ionenkanone, mit der die Duisburger Materialwissenschaftler und Forscher der Uni Bochum und der TU Dortmund ein Stickstoff-Atom in die jungen Diamanten schmuggeln. Dazu eine winzige Lücke – fertig ist der nur beinahe perfekte Diamant mit seiner Falle für ein Elektron, dessen Fähigkeiten jede Vorstellung von Laien überfordern. Während Bits, die kleinste Recheneinheit klassischer Computer, nur den Wert 1 oder 0 annehmen (an/aus), kann ein Quantum-Bit oder Qubit beides gleichzeitig sein und Werte dazwischen annehmen. Das vervielfacht die mögliche Rechenleistung gigantisch. Während ein klassischer Computer für Staubsaugervertreter Hans V. die Straßen – wenn auch rasend schnell – nacheinander prüft, berechnet ein Quantum-Computer sie gleichzeitig. „Quantencomputer wären eine Revolution, eine Umwälzung wie die Atomenergie“, so Wöhrl. Der Vortrag des promovierten Physikers, der im Podcast „Methodisch inkorrekt“ regelmäßig über Wissenschaftsthemen berichtet, wurde von Zuhörern danach als bester der Re:publica gefeiert.

Die Vormachtstellung in der Welt wird haben, wer die besten Computer hat. Bislang als unüberwindbar geltende Verschlüsselungen wären im Nu geknackt. „Ihr müsst nicht heute Nacht euer Passwort ändern“, sagte Wöhrl. „Aber in einigen Jahren vielleicht schon.“

„Lasst uns einen Quantencomputer bauen“ – Mit Diamanten als Herz. Ganz einfach ist das nicht, bis zum großen Durchbruch in der Anwendung wird es noch dauern. Noicolas Wöhrls Vortrag wurde auf der Re:publica aber begeistert aufgenommen.
Foto: Lars Wienand

Deshalb war es eigentlich nicht verwunderlich, als aus Snowden-Unterlagen hervorging, dass auch die NSA 80 Millionen Euro in Forschung steckt. „Das ist aber nicht viel“, sagt Wöhrl und vermutet: „Wenn die das Gefühl hätten, in vier, fünf Jahren ist es soweit, dann würden sie sicher richtig reinbuttern.“ Natürlich forscht auch Google mit der Technik. Bei der Technik geht es auch um die Simulation höchstkomplexer Vorgänge – Klimamodelle, Verhalten von Molekülen. Doch noch steckt vieles in der Grundlagenforschung.

Während bislang aber vor allem mit Qubits unter extremen Bedingungen in Magnetfeldern bei tiefsten Temperaturen geforscht wurde, kann die Technik in Duisburg bei Zimmertemperatur auf einem Schreibtisch stehen. „Möglicherweise ist der Diamant der Weg der Zukunft“, so Wöhrl.

Quantencomputer kommen auch ohne klassische Computer nicht aus, weil die sie mit der Frage füttern. Bei den Duisburger Diamanten werden dazu Mikrowellen abgeschossen, die dem Qubit nach vorab berechneten Algorithmen den richtigen Schwung geben. Dann wird ein Laser auf das Qubit abgeschossen. Wie das Licht reflektiert wird, wird ausgelesen und von einem anderen klassischen Computer interpretiert. Der Quantencomputer gibt dabei keine eindeutige Lösung, sondern eine Antwort, die mit hoher Wahrscheinlichkeit verbunden ist. Der klassische Computer, der mit der Suche überfordert gewesen wäre, kann den Lösungsvorschlag dann aber sofort bestätigen.

Die Duisburger Forscher arbeiten daran, mehrere Elektronen-Fallen in genau bestimmten Abständen einzubauen, damit mehrere Qubits rechnen können, ohne sich gegenseitig zu stören. Eine Art Mini-Bienenstock aus Diamant.

Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)