Teslas Wettlauf gegen die Zeit: Pleiten, Pech und 
große Pläne

Foto: tesla

Elon Musk (46) spürt den kalten Atem seiner Verfolger im Nacken. Beinahe im Wochentakt kündigt die etablierte Konkurrenz Elektrofahrzeuge an, die dem „Enfant Terrible“ der Automobilindustrie die Bremslichter zeigen sollen. BMW will mit dem explizit so benannten Tesla-Fighter im 3er-Format bereits 2020 in die Serienproduktion einsteigen. General Motors, im Frühjahr von Tesla als wertvollster Autobauer der USA überholt, kündigt für 2021 zwei neue Stromer an, die den Chevrolet Bolt EV konkurrenzfähig machen sollen.

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Nissan stellte bereits im September für den US-Markt einen neuen Leaf vor, der immerhin 400 Kilometer weit rollt, ohne an die Elektrozapfsäule fahren zu müssen. Honda, Toyota, Daimler und Volkswagen haben ihrerseits Pläne in den Schubladen, in den kommenden Jahren Dutzende Stromer an den Mann zu bringen.

Die E-Mobilität wird Realität, selbst wenn Elektroautos zurzeit noch Exoten im Straßenverkehr sind. Und 2017 dürfte als das Jahr in die Geschichtsbücher eingehen, in dem der Durchbruch gelang. „Das fühlt sich plötzlich alles sehr nah an“, sagt Jessica Caldwell, Chefin der Auto-Analysten von Edmunds.com. Caldwell verweist auf die Weichenstellungen der Regierungen großer Industrienationen, die ein Verfallsdatum für die Verbrennungsmotoren festgesetzt haben. Norwegen prescht vor und will bis 2025 auf Elektromobilität umsteigen. China als wichtigster Wachstumsmarkt und Deutschland als bedeutendstes Herstellerland setzen 2030 als Zielmarke.

Bis 2050 werden nach Schätzungen der Branchenexperten die Hälfte alle Autos auf der Welt Stromer sein – rund eine Milliarde Fahrzeuge. „Es gibt kein Zurück“, beschreibt Caldwell die Schubkraft, die von den Regierungen und Herstellern ausgeht.

Niemand versteht diese Realität besser als der Mann, der sie als Visionär voraussah, beschwor und 2017 mit der Premiere des Tesla Model 3 zur Serienreife für den Massenmarkt brachte. Pannen beim Produktionsstart hin oder her – Elon Musk schrieb mit dem 30.000 Euro teuren T-Model für das aufziehende Zeitalter der E-Mobilität Automobilgeschichte.

Seinen Platz im Olymp der Technikpioniere hat der südafrikanische Tausendsassa in jedem Fall sicher. Während die deutschen Autobauer mit Schummelsoftware ihrer Kundschaft falsche Tatsachen vorspielten und Musk wahlweise belächelten oder ignorierten, trieb dieser im Alleingang die Elektrorevolution voran.

Der Branchenneuling machte die Stromer mit den Luxusmodellen S und X sowie dem Roadster so sexy, dass bei Produktionsbeginn im August eine halbe Million Bestellungen für das Model 3 vorlagen. Das gibt Tesla einen Vorsprung im Massenmarkt von rund zwei Jahren, den Musk verteidigen muss, um die Marke zum „Apple der Automobilindustrie“ weiterentwickeln zu können.

„Wir fügen im Rekordtempo an den Engpässen Roboter hinzu, um die Fertigung zu beschleunigen“, versucht Musk in einer Konferenz mit Investoren die Nerven nach den jüngsten Quartalsverlusten zu beruhigen. Mit einem Minus von 619 Millionen Dollar fuhr Tesla in den drei Monaten bis Ende September den größten Verlust in der Geschichte des Unternehmens ein.

Produktionshölle beim Model 3

Die Gründe dafür sind schnell aufgezählt. Statt der versprochenen 1500 Autos der neuen Model-3-Serie lieferte die Fabrik in Fremont im dritten Quartal nur 260 Stück aus. Musk prägte für die Serie an Pannen beim Anlauf der Serienfertigung den Begriff der „Produktionshölle“. Halb Show, halb ernst verlegte der Tesla-Gründer seine Wirkstätte in die riesige „Gigafactory“ in der Wüste von Nevada. Via soziale Medien verbreitete er ein Video, das ihn auf dem Dach seiner Batteriefabrik mit Klappstuhl und Decke mit einem Glas Whisky am Grill zeigt. Ironisch stimmt er Johnny Cashs „Ring of Fire“ an. „Ich ging zu Boden, zu Boden, zu Boden. Und die Flammen schlugen höher.“

Eine Anspielung auf die Häme der Konkurrenz in Deutschland und andernorts, die sich angesichts des Ungemachs die Hände rieb. Engpässe bei der Batterieproduktion in Nevada, die Entlassung Hunderter Mitarbeiter in Fremont und Qualitätsprobleme bei der Fertigung zwangen Tesla, die Produktionsziele nach hinten zu verschieben. Jetzt werden die erhofften 5000 Model-3-Fahrzeuge pro Monat wohl erst Ende März 2018 vom Band laufen.

Gleichzeitig musste Tesla 11.000 bereits verkaufte Fahrzeuge vom Typ X zurück in die Werkstätten berufen, weil es Qualitätsprobleme mit den hinteren Sitzbänken und den Rückleuchten gab. Es sei wohl doch nicht so einfach, Autos zu bauen, lästerten die Wettbewerber. Doch für Schadenfreude gibt es wenig Anlass. Haben die deutschen und japanischen Autobauer in punkto E-Mobilität bisher nicht allzu viel vorzuzeigen.

Und im Unterschied zu hoch bezahlten Managern dort übernimmt Musk als Firmenchef persönlich Verantwortung für Fehlentscheidungen in der „Gigafactory“ und arbeitet rund um die Uhr mit an der Problemlösung seiner Fertigungsstraße in Fremont. „Wir wissen, was wir tun müssen“, versicherte Musk den Investoren und der Kundschaft. „Jetzt müssen wir es nur noch erledigen.“

Branchenexperten halten das für eine realistische Einschätzung. Erfahrung sei natürlich ein Vorteil, heißt es. Aber letztlich sei der Aufbau einer Fertigungsstraße kein Hexenwerk. Entscheidend für den Elektropionier bleibe, dass der Zweijahresvorsprung auf dem Massenmarkt nicht dahinschmilzt. Tesla braucht bis dahin vorzeigbare Ergebnisse und schwarze Zahlen.

Musk muss auch schleunigst die Funktionalität des Autopiloten verbessern, der in der Version 2.0 noch immer weit von dem entfernt ist, was Tesla seinen Kunden versprochen hatte. In Europa ist die Funktion nicht einmal freigeschaltet. In Kalifornien reichten enttäuschte Käufer eine Sammelklage ein. Der Tesla-Manager wird diese Schmach nicht einfach auf sich sitzen lassen. Seine persönliche Schwäche sei die Stärke seiner Unternehmungen, erklärte Musk dem „Wall Street Journal“. „Ich sehe immer, was falsch ist“, gestand Musk dem Blatt seine Zwanghaftigkeit ein. Diese Eigenschaft erklärt auch, warum Musk nichts von den globalen Zuliefererketten der Automobilindustrie hält und den Produktionsprozess, wie er sagt, vom Kopf auf die Füße gestellt hat. Von der Produktion der Bauteile in der „Gigafactory“, in Fremont und in Zukunft in einem Netz eigener Zuliefererfabriken in den wichtigsten Märkten erhofft sich Tesla mehr Kontrolle über die Qualität.

Clement Thibault von Investing.com gehört zu den Kritikern, die wenig von dieser enormen vertikalen Fertigungstiefe halten: „Es gibt einen Grund, warum traditionelle Autobauer ein etabliertes dezentralisiertes Geschäftsmodell haben“. Ein Argument, das dagegenspricht, sind die Abhängigkeiten, die sich aus den globalen Zulieferungs-Ketten ergeben. Verständlich aus der Sicht eines Störers, der sich noch nie an die Regeln einer Branche gehalten hat, die bis zur Ankunft Teslas ihre Pläne für Elektroautos tief in den Schubladen ihrer Ingenieursbüros vergraben hatte.

Unerschütterlicher Optimismus

Musk jedenfalls lässt sich nicht von seinem Optimismus abbringen. Mitte November beendete er die Serie von Negativschlagzeilen mit der Premiere des Elektro-Lkw Semi. Mit voller Batterieladung kann der 40-Tonnen-Laster mit seinen drei Motoren rund 800 Kilometer zurücklegen. Eine deutlich größere Reichweite als Analysten erwartet hatten. An den Supercharger genannten Elektrozapfsäulen lassen sich die Batterien in einer halben Stunde aufladen. Während es in Deutschland noch eher vereinzelt Ladesäulen gibt, wächst das Netz in den USA im Eiltempo. Dort stehen bereits 16.000 Stationen bereit, darunter zahlreiche der Supercharger.

Zur Überraschung der Gäste der Semi-Premiere in Los Angeles rollte von der Laderampe des Lasters ein feuerroter Roadster. Der 200.000 Dollar teure Elektroflitzer beschleunigt von 0 auf 100 in 1,9 Sekunden, erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 402 Kilometer pro Stunde und hat eine Reichweite von 1000 Kilometer. Nicht wenige Analysten verstanden das als Anspielung auf die Herausforderung, die vor Musk liegt. Wenn Tesla die Nase auf dem Massenmarkt für Elektroautos vorn haben will, muss der Herausforderer aus Kalifornien die Konkurrenz abhängen. Oder wie der Visionär seinen Investoren kürzlich versicherte: „Geschwindigkeit ist die ultimative Waffe.“

Von unserem USA-Korrespondenten Thomas Spang

Keine Prämie mehr für Modell S Base

Für das Tesla-Modell S Base gibt es in Deutschland keine Kaufprämie mehr. Eine Voraussetzung für die E-Auto-Prämie ist nämlich, dass der Nettolistenpreis des Fahrzeugs maximal 60.000 Euro betragen darf.

Der Tesla ist als Basismodell, das angeblich unter dieser Schwelle liegt, aber gar nicht verfügbar – sondern nur als teureres Komfortmodell, heißt es beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Dies habe eine seit Juli laufende Prüfung erbracht. Ergo wurde das Modell von der Liste der förderfähigen Fahrzeuge gestrichen.

Konkurrenz schläft auch bei den Lkw nicht

Tesla hat einen eigenen E-Lastwagen angekündigt, der selbst mit einer Ladung von 40 Tonnen eine Reichweite von 800 Kilometern erreichen soll. 2019 soll die Produktion beginnen. Doch auch hier bekommen die Kalifornier absehbar Konkurrenz: Daimler hat seine ersten elektrischen Leicht-Lkw aus Serienproduktion bereits an die Kunden übergeben. Er ist für die letzte Meile bei der innenstädtischen Zustellung gedacht und hat bei maximal 80 km/h rund 100 Kilometer Reichweite.

Eifeler Unternehmen soll Tesla helfen

Ein Unternehmen aus der Eifel soll Tesla dabei helfen, die Produktionsprobleme zu überwinden: Im November vergangenen Jahres hat Elon Musk die Firma Grohmann aus Prüm übernommen. Grohmann stellt automatisierte Anlagen für die Fahrzeugproduktion her und passt damit zur Vision des Tesla-Chefs von der „Maschine, die Maschinen baut“. Kürzlich hat Tesla auch die US-Firma Perbix gekauft, die ebenfalls in diesem Bereich arbeitet.

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