Lassen sich Probleme noch vermeiden? EU probt Brexit auf die harte Tour

Was passiert am Sonntag, 30. März 2019, Tag eins nach dem Brexit? Man will „auf alle Eventualitäten vorbereitet sein“, schreibt die Brüsseler EU-Kommission in einem Bericht, der jetzt vorgestellt worden ist. Er enthält 14 Maßnahmen für den Notfall eines Brexit ohne Austrittsabkommen, die zeigen: Das oft beschriebene und befürchtete Chaos kann durchaus Realität werden. Die Europäische Union will deshalb alles tun, „um den schlimmsten Schaden eines No- Deal-Szenarios zu begrenzen“.

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Schon vor gut einem Jahr warnte Ryanair-Chef Michael O’Leary davor, dass nach dem Stichtag keine Flugverbindungen mehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU stattfinden würden. Und er hatte offenbar recht. Aber die Kommission sichert in ihrem gestrigen Szenario zu, dass einige Verbindungen wenigstens übergangsweise aufrechterhalten werden sollen – vorausgesetzt natürlich, dass sich Großbritannien ebenso dazu bereit erklärt. Die EU-Regelung soll demnach für zwölf Monate gelten.

Die Mitgliedstaaten wurden zudem aufgefordert, ihre Grenzschutzbeamten darüber zu informieren, dass bei der Einfuhr von Waren aus Großbritannien Zölle wie bei jedem anderen Drittstaat anfallen. Um das erste Durcheinander zu vermeiden, sollten Zollerklärungen für den Im- und Export bereitliegen. In jedem Fall müsse eine „Basisversorgung“ sichergestellt werden. Britische Lastwagen dürften also vorerst weiter innerhalb der Europäischen Union fahren, wenn London das auch umgekehrt erlaubt. Um die Finanzströme zwischen Kontinent und Insel nicht zu unterbrechen, sollen auch die Verbindungen zwischen den Banken vorerst aufrechterhalten bleiben. Die zentrale Abwicklung von Finanzderivaten könne für etwa zwölf Monate fortgesetzt werden, heißt es in Brüssel.

Auch beim Deutschen Bankenverband macht man sich große Sorgen. „100 Tage vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU ist der harte Brexit wahrscheinlicher denn je“, sagte Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid in Berlin. „Dies bedeutet: Wenn im britischen Unterhaus in der dritten Januarwoche weiterhin keine Mehrheit für den Austrittsvertrag zustande kommt, müssen Unternehmen und Banken in den Notfallmodus übergehen.“ Die bestehenden Rechtsrahmen für Finanzgeschäfte und den Handel gelten dann nicht mehr.

Große Unsicherheiten dürfte es auch für EU-Bürger geben, die im Vereinigten Königreich leben – ebenso wie Briten in den EU-Staaten. Brüssel riet den 27 Regierungen deshalb, zunächst „einen großzügigen Ansatz“ bei der Gewährung eines legalen Aufenthaltsstatus anzuwenden. Außerdem wäre es sinnvoll, erste Absprachen zur Sozialversicherung zu treffen, beispielsweise für den Schutz im Krankheitsfall. „Das sind notwendige Vorsorgemaßnahmen, die wir den Bürgern und der Wirtschaft schuldig sind“, sagte der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU), der zugleich Brexit-Beauftragter seiner Fraktion ist. „Wir müssen die Folgen eines harten Brexit unter Kontrolle halten. Bei allen Bemühungen um die Mehrheitsfähigkeit des Austrittsabkommens müssen die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf die allerhärteste Form des Brexit vorbereitet sein. Das ist keine Drohung, sondern eine fürsorgliche Pflicht.“

Tatsächlich scheint der Weckruf durchaus notwendig zu sein. Erhebungen der Wirtschaftsverbände in dieser Woche haben gezeigt, dass bisher nur wenige Betriebe auf die Folgen eines harten Bruchs zwischen der EU und Großbritannien eingestellt sind. Hinzu kommt, dass die Gemeinschaft regelrecht geschockt auf eine Aussage des britischen Verteidigungsministers Gavin Williamson von Dienstag reagiert hat. Der hatte angekündigt, dass im Falle eines ungeordneten Austritts seines Landes 3500 Soldaten in Alarmbereitschaft versetzt würden, um aufkommende Probleme schnell auszuräumen.

Detlef Drewes