Koblenz

Fuchs versus Mann: Leserbrief-Duell zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken

Anfang September veröffentlichte unsere Zeitung ein Interview mit dem Vizevorsitzenden der CDU-Bundestagsfraktion, dem Koblenzer Abgeordneten Michael Fuchs. Es ging um die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Darauf hin entspann sich ein Leserbrief-Duell zwischen dem konservativen Politiker und einem bodenständigen Ökostrom-Unternehmer Markus Mann.

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Koblenz – Anfang September veröffentlichte unsere Zeitung ein Interview mit dem Vizevorsitzenden der CDU-Bundestagsfraktion, dem Koblenzer Abgeordneten Michael Fuchs. Es ging um die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Darauf hin entspann sich ein Leserbrief-Duell zwischen dem konservativen Koblenzer Politiker und dem bodenständigen Ökostrom-Unternehmer Markus Mann aus Langenbach im Westerwald.

Leserbrief zum Thema Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke von Markus Mann

Ein Armutszeugnis für die Politik ist die am letzten Wochenende beschlossene Laufzeitverlängerung. Der Bürger und Steuerzahler erhält von lobbygesteuerten Politikern eine Ohrfeige ins Gesicht. Es hat nichts mit Demokratie zu tun, wenn ein Kuhhandel in Berlin die Laufzeitverlängerung vereinbart. Lediglich 38 % der Bevölkerung sind für eine Laufzeitverlängerung und trotzdem sollen nun 100 % mit den Terrorgefahren und den „Ewigkeitskosten“ der Endlagerung klar kommen.

Unser Staat war auf einem guten Weg, eine führende Rolle im Weltmarkt der erneuerbaren Energien zu spielen. Unsere Industrienation braucht Exportschlager und somit brauchen wir neben einer sicheren und zuverlässigen Stromversorgung in Deutschland auch eine Technologie-Entwicklungsplattform. All dies wird nun durch die Laufzeitverlängerung abgewürgt. Die Netzte werden durch Atomstrom verstopft und das Oligopol der großen Versorger wird weiterhin zementiert.

Die erneuerbaren Energien haben wahrhaftig das Zeug dazu uns unabhängig zu machen von Energieimporten. Wir werden nicht auf Versorgungssicherheit verzichten müssen, wenn man die richtigen Rahmenbedingungen vorgibt. Ein Ausstieg aus dem Atomausstieg ist auf jeden Fall der falsche Weg. Unzählige Investition in ein zukunftsfähiges Deutschland können nun abgeschrieben werden die mögliche Rentabilität verschiebt sich in weite Ferne. Vertrauen in Gesetzgebungen ist auf jeden Fall passé, wenn es immer wieder ein hin- und her gibt.

Wie kann es nur sein, dass der Mehrerlös aus der Laufzeitverlängerung nur zum Teil abgeschöpft wird? Der Staat mit seinen Bürgern hat alle Risiken aber bekommt nur einen Teil des Kuchens ab! Angeblich sollen die vier großen Energieversorger die Mehrgewinne zum Teil in erneuerbare Energien investieren. Das hört sich gut an aber gleichzeitig gibt man ihnen das Geld um die neu aufkeimenden Energieversorgungstrukturen durch Stadtwerke und mittelständische Unternehmen zu zerstören.

Wir werden vermutlich schon bald sehen, welche Politiker mit herausragenden Posten in der Energiewirtschaft belohnt werden. Die Liste verlängert sich ganz einfach nur noch. Werner Müller, Wolfgang Clement, Gerhard Schröder,… Es ist frustrierend, dies als Bürger und Arbeitgeber zu verfolgen. Man wird wahlmüde und resigniert! Markus Mann, Mann Naturenergie GmbH & Co KG

Entgegnung von Michael Fuchs

Es ist schon dreist, wenn ein Firmeninhaber, der mit regenerativen Energien sein Geld verdient und schon zum wiederholten Male in seinem Sinne durch Leserbriefe die öffentliche Meinung zu beeinflussen versucht, anderen vorwirft, lobbygesteuert zu sein. Zudem verbreitet er wider besseren Wissens falsche Informationen. Wie kann Herr Mann behaupten, dass die Netze durch Atomstrom verstopft werden, obwohl er ganz genau weiß, dass die Erneuerbaren Energien einspeisebevorrechtigt sind? Wie viele Interessenvertreter seiner Art will er der Bevölkerung weismachen, dass die Kernenergie schnell durch Erneuerbare Energiequellen zu ersetzen sei. Er will den Menschen Glauben machen, wir könnten, wenn wir im Jahre 2020 den Anteil Erneuerbarer Energien von 16 auf 30 % erhöht haben, die Kernkraftwerke abschalten, weil ja dann der Stromerzeugungsanteil der Kernkraft von 23% ersetzt sei. Der Wind weht und die Sonne scheint jedoch leider nicht immer – aber wir brauchen jederzeit Strom. Also benötigen wir Energie, die grundlastfähig, d.h. immer verfügbar ist. Die Kernkraft deckt zwar nur 23% unseres Stroms, aber 48% der Grundlast. Dieser Anteil kann auch nicht durch andere grundlastfähige Alternativen wie Steinkohle- und Gaskraftwerke ersetzt werden, weil sie klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) erzeugen, zu teuer und wie das Gas zu politischer Abhängigkeit führend sind. Somit erfüllt derzeit nur die Kernkraft die Kriterien Versorgungssicherheit, CO2-Neutralität, Preisgünstigkeit, Unabhängigkeit. Auf die Kernkraft können wir also erst verzichten, wenn wir über die Technologie verfügen, bspw. Windenergie zu speichern und in das Netz einzuspeisen, wenn Windflaute ist. Solange brauchen wir die Kernkraft als Brückentechnologie.

Obwohl er Inhaber einer Firma ist, kann Herr Mann marktwirtschaftliches Denken schon einmal ausblenden, wenn es ihm in den Kram passt. Wie sonst könnte er anprangern, dass der Mehrerlös aus der Laufzeitverlängerung nur zum Teil (es ist übrigens mehr als die Hälfte) abgeschöpft wird? Was glaubt er, warum die Energieversorger die Kernkraftwerke weiter betreiben sollten, wenn sie nichts daran verdienen? Erbringt seine Firma ihre Leistungen kostenlos zum Wohle der Umwelt? Die Firmenbilanz kann diese Vermutung nicht bestätigen. Und wie sieht es mit der Spedition aus, die zu seinem Firmenverbund gehört. Besteht der Fuhrpark aus Elektrofahrzeugen? Es ist schon beachtlich, wenn man in eigener Sache knallharte Lobbypolitik macht, diese anderen vorwirft und all das noch unter dem Mäntelchen des Gutmenschen. Ein Hoch auf die Doppelmoral! Michael Fuchs

Entgegnung von Markus Mann am 4. Oktober

Ein schlauer Fuchs!

Aus der Sichtweise von Herrn Fuchs scheinen alle, die gegen Atomkraft sind, die Pflicht zu haben als Asket mit Kerzenlicht und kalten Hintern zu überwintern. Sie sprechen von Doppelmoral eines Unternehmers. Als Unternehmer und Kaufmann gehöre ich zu den „Realos“ und fühle mich dem Regelwerk des „ehrbaren Kaufmanns“ verpflichtet. Durch falsche Mutmaßungen können Sie, Herr Fuchs, gerne versuchen einen Ihrer Meinungskontrahenten zu denunzieren, ehrbar ist dies aber ganz und gar nicht. Ihre Sachverhalte waren leider nicht richtig dargestellt und ich möchte zumindest zu ein paar Punkten Stellung nehmen:

Die deutsche Wirtschaft braucht eine Innovations- und keine Verhinderungswelle, die wir derzeit leider erleben. Herr Fuchs, Sie sind scheinbar der Überzeugung, dass die Atomkraft den Mangel an Zuverlässigkeit bei Wind und Sonne ersetzt. Was werfen Sie den erneuerbaren Energien pauschal vor? Mit dem abgedroschenen Argument: „Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht…“, wird Polemik betrieben. Ein paar starke Partner haben Sie hier aber vergessen. Biomasse, Wasserkraft und Geothermie. Alle gemeinsam können das typische deutsche Lastprofil fahren und sind flexibler und vorhersehbarer wie jegliches Großkraftwerk. Diese brauchen oft Tage um komplett auf Leistung gefahren zu werden. Ein Atomkraftwerk kann sich ganz und gar nicht an die Schwankungen im Verbrauch anpassen und ist so flexibel wie ein Marmorblock. Dies ist zumindest großen Teilen Ihrer Parteikollegen bekannt und es wird heute zum Glück über ein „Smart Grid“ (Intelligentes Netz) nachgedacht. Seit 20 Jahren höre ich von diesem Erfordernis, jedoch haben auch alle Vorgängerregierungen das Problem nicht konkret angepackt. Wir brauchen ein starkes und europäisches Stromnetz, welches den Ausgleich zwischen den jeweiligen Gebieten mit viel Wind- und Sonnenenergie schafft. Die Biomasse, Wasserkraft und Geothermie ist der stabile Sockel auf dem in Zukunft unsere Grundlastversorgung basiert. Frau Merkel forderte anlässlich des ersten Energiegipfels von den Vertretern der erneuerbaren Energien, den Beweiß zu führen, dass erneuerbare Energien die 100 % Versorgung garantieren können. Dies ist gelungen!!! Siehe auch unter www.kombikraftwerk.de.

Es gibt die von Ihnen beschriebene Vorfahrt für erneuerbaren Strom tatsächlich und es darf eingespeist werden auch wenn zu viel Strom zur Verfügung steht. Hierdurch wird auch der Börsenstrompreis beeinflusst und die Strompreise fallen. Wenn nun ein Atomkraftwerksbetreiber alle volkswirtschaftlichen Kosten (Versicherung, Terrorgefahren – leider derzeit sehr aktuell – und Ewigkeitskosten der Deponierung) tragen müsste, käme er im Fall von niedrigen Strompreisen an der Börse zur Erkenntnis, dass er seine Anlage runter fährt oder gar ganz abschaltet. Fakt ist aber, dass die Anlagen einfach volle Pulle durchlaufen wodurch die Strompreise noch weiter unter Druck stehen. Leider hat der Bürger und mittelständische Unternehmer von den günstigen Börsenpreisen zur Starkwindzeiten gar nichts. Die Preisdifferenz von Börse und Ökostrom-Vergütung (EEG) wird größer. Jedoch ist es genau diese Differenz, die auf die Bürger und mittelständischen Unternehmer in Form von EEG-Umlage mit der Stromrechnung abgewälzt wird. Für die Großverbraucher und Konzerne gibt es hier schon wieder eine Sonderregelung. Diese zahlen nur einen Minimalbetrag. Diese Politik ist bürger- und mittelstandsfeindlich!

Ganz zum Schluss noch eine weitere Info für Sie: Sie sprechen von Unabhängigkeit durch Kernenergie! Deutschland importiert zu 100 % den Kernbrennstoff aus Ländern wie Russland, Kasachstan, Usbekistan, Niger, Kanada und Australien. Da wäre mir ein Vertrag mit den Norwegern oder Schweizern lieber, die deren Stauseen zu Pumpspeicheranlagen umbauen und somit den Lastausgleich durch schwankende Windkraft meistern können.

Sollten Sie sich mal mit mir Unterhalten wollen, können wir uns doch einfach am 11.10.2010 zum Montagsspaziergang in Hachenburg treffen. Es grüßt von den Höhen des Westerwaldes, Ihr Markus Mann