EU vs. Mercedes: Hitziger Streit um ein Auto-Kühlmittel
Von unserem Brüsseler Korrespondenten Detlef Drewes
Mit diesem ersten von drei möglichen Schritten erhöht Industriekommissar Antonio Tajani den Druck auf alle beteiligten Seiten. Das Bundeswirtschaftsministerium – als zuständige Regierungsstelle der unmittelbare Ansprechpartner der EU – hat dann einige Wochen Zeit, eine weitere Stellungnahme abzugeben. Sollte diese nicht im Sinne der geltenden Richtlinie ausfallen, kann die Kommission Sanktionen verhängen.
Mittel kann in Flammen aufgehen
Es geht letztlich um den Klimaschutz. Nachdem Brüssel seine Richtschnur zur Vermeidung von CO2-Emissionen in Klimaanlagen von Autos 2011 verschärft hatte, blieb den Herstellern nur noch ein geeignetes Präparat übrig, für das am 1. Januar eine Schonfrist begann, die 2017 endet: R1234yf. Es soll das bis dahin verwendete R134a ablösen. Während die meisten Autobauer brav folgten, sperrte man sich bei Mercedes nach schockierenden Tests. Bei denen hatte sich herausgestellt, dass das neue Kühlmittel in Flammen aufging, sobald die Temperaturen im Motor über 650 Grad ansteigen – eine Belastung, die nach einer zügigen Autobahnfahrt oder einem Trip in die Berge leicht erreicht wird.
Bei Daimler reagierte man sofort und griff auf das Auslaufmodell R134a zurück. Dabei konnte man sich zunächst sogar auf die Rückendeckung des Kraftfahrt-Bundesamtes stützen. Allerdings rückte die Behörde zuletzt von ihrer ersten Einschätzung, dass R1234yf brandgefährlich sei, wieder ab und wollte das Mittel auf der Grundlage des Produktsicherheitsgesetzes nicht als „ernste Gefahr“ einstufen. Man schob den Ball wieder nach Brüssel, um dort eine Lösung finden zu lassen.
Bei der Deutschen Umwelthilfe will man diese Kehrtwende des Kraftfahrtbundesamtes ganz und gar nicht verstehen. Der Verband wies auf Versuche hin, die man bei einer Tochterfirma des TÜV Nord hatte durchführen lassen. Dabei stellte sich heraus, dass R1234yf sich bei typischen Fahrzeugbränden in die hochgefährliche Flusssäure zerlegt – ein gravierendes Risiko für Fahrzeuginsassen und Helfer. Solche Hinweise gab es schon früher, dennoch hielt Brüssel weiter an seinem Vorschlag fest.
Hersteller arbeiten an Alternative
Die Kommission sorgte zwar zuletzt dafür, dass ein zeitweise verhängtes Verkaufsverbot für Mercedes-Limousinen in Frankreich wieder aufgehoben wurde. Auf einen Deal mit dem Autobauer wollte man sich aber nicht einlassen. Denn die Ingenieure nicht nur in Stuttgart, sondern aller deutschen Hersteller arbeiten längst an einer Alternative, die ungefährlich und im gleichen Maße effizient sein soll, bei effektiver Schonung der Umwelt: Kohlendioxid. BMW, Ford, Opel und Volkswagen sind an den Forschungen beteiligt. Zum Jahreswechsel wurde bekannt, dass man in Stuttgart erste Prototypen mit der neuen Kühltechnik ausgestattet hatte. Die Tests verlaufen offenbar Erfolg versprechend. Dennoch wollte sich die EU-Kommission nicht darauf einlassen, den Stuttgarter Autobauern bis 2017 freie Hand zu lassen, sondern besteht auf einem sofortigen Ersatz des klimaschädlichen Altmittels.
Bundesregierung steht hinter dem Hersteller
Die Bundesregierung steht in der Auseinandersetzung hinter dem Premiumhersteller aus Baden-Württemberg. Nach Einschätzung von Beobachtern kann sich die Auseinandersetzung hinziehen, sodass sich viele fragen, ob es der EU-Kommission tatsächlich nur um ein Kühlmittel geht – oder ob Brüssel sich mit seiner harten Linie nicht auch dafür revanchieren will, dass die Bundesregierung bei der Festlegung der CO2-Abgasgrenzwerte ab 2020 die deutschen Hersteller so massiv in Schutz genommen hat.